Expertenrat der Regierung

Das deutsche Gesundheitssystem ist nicht krisenfest

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Politik
Es ist sehr viel Geld im System, ohne dass die Gesundheit der Menschen besser wird, bilanziert der Expertenrat „Gesundheit und Resilienz“ in seiner aktuellen Stelungnahme und schlägt drei Maßnahmen vor, damit sich das ändert.

Aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird in das deutsche Gesundheitssystem zwar sehr viel Geld gepumpt, es sei aber dennoch nicht gut auf die Zukunft vorbereitet und im internationalen Vergleich zudem sehr teuer. „Mit 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind die Gesundheitskosten in Deutschland nach den USA im OECD-Vergleich am höchsten“, stellen sie fest. Und auch EU-weit stehe Deutschland bei dem Ausgaben mit deutlichem Abstand an der Spitze.

Ein Nebeneinander von Überversorgung und Unterversorgung

Das liege vor allem daran, weil überdurchschnittlich viele Krankenhausbetten vorgehalten und stark überdurchschnittlich viele Leistungen wie etwa Arzt-Patienten-Kontakte und stationäre Behandlungen erbracht werden. „Dieses sehr hohe Angebot führt zu einer hohen Inanspruchnahme mit der Tendenz zu einer Ausweitung von Indikationen und Übertherapien ohne erkennbaren langfristigen Nutzen“, führt der Rat aus. Dennoch falle Deutschland in den Ergebnissen, etwa gemessen an durch Behandlung vermeidbaren Todesfällen oder auch der Lebenserwartung im Vergleich zu seinen Nachbarländern zunehmend zurück. „Es ist vergleichsweise sehr viel Geld im Gesundheitsversorgungssystem, ohne dass die Gesundheit der Menschen entsprechend besser wird“, heißt es in dem Papier.

Vor dem Hintergrund, dass der durchschnittliche GKV-Beitragssatz mit 16,3 Prozent ein Allzeithoch erreicht habe und weiter steige, zugleich rund 30 Prozent der Gesundheitsfachkräfte in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand gingen, müsse man jetzt handeln. Das System sei ein Nebeneinander von Überversorgung und Unterversorgung und „durch die skizzierten Dysbalancen in einem grenzwertig kompensierten Zustand, der Herausforderungen auch mit Blick auf ethische Prinzipien der Solidarität, Verteilungsgerechtigkeit, Fürsorge und Schadensvermeidung mit sich bringt“.

Der „ExpertInnenrat Gesundheit und Resilienz“

„Wie können Gesundheitswesen und Gesellschaft künftigen Gesundheitskrisen bestmöglich begegnen?“ Mit dieser Frage beschäftigt sich der „ExpertInnenrat Gesundheit und Resilienz“ auf wissenschaftlicher Basis. Er besteht aus 23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen und nahm in der Nachfolge des Corona-Gremiums bereits im März seine Arbeit auf. Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich und unabhängig. Den Vorsitz übernimmt Charité-Chef Prof. Heyo Kroemer, Co-Vorsitzende ist Prof. Susanne Moebus von der Universitätsmedizin Essen. In dem Gremium sitzen auch die ehemalige Vorsitzende des deutschen Ethikrats Prof. Alena Buyx und der Virologe Prof. Christian Drosten.

Das Gesundheitssystem „bietet keine suffiziente Basis für eine Vorbereitung auf krisenhafte Situationen, Störungen und Schocks“, schlussfolgert der Rat. Eine Veränderung des insgesamt „ineffizienten, qualitativ mäßigen Systems“ sei deshalb unabdingbar. Die Expertinnen und Experten schlagen daher drei Maßnahmen vor:

Empfehlung 1 Blickwinkel auf Innovationen erweitern: Auch das bewusste Reduzieren oder Weglassen von Leistungen und Maßnahmen könne eine Innovation sei, etwa wenn dadurch unnötige oder gar schädliche Überversorgung abgebaut oder auf individuell unangemessene, belastende und kostenineffektive Maßnahmen verzichtet wird. Als Beispiele nennen die Fachleute unter anderem die vorausschauende Versorgungsplanung; das sogenannte Deprescribing“ insbesondere bei älteren Patienten mit Polymedikation und die ambulante parenterale Antibiotikatherapie, deren Machbarkeit und Effektivität belegt sei, für die aber geeignete Finanzierungsmodelle fehlten. Im Rahmen der Umverteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten bringen sie hier auch die Möglichkeit des Verordnens bestimmter Medikamente durch Apothekerinnen und Apotheker ins Spiel.

Empfehlung 2 Innovationen multikriterial bewerten: Man sollte das Spektrum der Kriterien erweitern, anhand derer Innovationen bewertet –. So sollte auch erfasst werden, welche bevölkerungs-, umwelt- und verteilungsbezogenen sowie ethischen Implikationen eine Innovation haben kann.

Empfehlung 3 Akzeptanz und Partizipation bei Innovationsentscheidungen fordern und fördern: Den Expertinnen und Esperten zufolge braucht es neben einer wissenschaftlichen Expertise auch den „Input repräsentativer Vertretungen der Gesamtbevölkerung“. Insbesondere in Schweden gebe es Erfahrungen mit einer größeren öffentlichen Beteiligung durch die Einbindung der Bevölkerung.

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