Berechnungen der HWR Berlin

Das kosten die Wechseljahre die deutsche Wirtschaft

LL
Gesellschaft
Erstmals schätzen Forschende die volkswirtschaftlichen Kosten in Zusammenhang mit Wechseljahresbeschwerden in Deutschland und kommen auf rund 9,4 Milliarden Euro pro Jahr beziehungsweise 40 Millionen Arbeitstage.

Wissenschaftler an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) haben im Rahmen des Projekts „MenoSupport“ erstmals ab dem 1. Halbjahr 2023 Daten in Deutschland zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz erhoben. Dafür befragten sie mehr als 2.000 Frauen zwischen 28 und 67 Jahren, die mindestens fünf Jahr durchgehend in einem Angestelltenverhältnis waren, zu ihren Erfahrungen mit den Wechseljahren im Arbeitskontext. Ziel des Projekts sei es, Unternehmen Unterstützungsmöglichkeiten für Frauen in den Wechseljahren im betrieblichen Kontext aufzuzeigen. Alle Ergebnisse und Unterstützungsmöglichkeiten können hier abgerufen werden.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Auswirkungen am Arbeitsplatz wegen gesundheitlicher Einschränkungen durch die Menopause bei deutschen Frauen vergleichbar sei mit denen von Frauen aus Großbritannien oder den USA. Untersuchungen dort legten offen, dass Frauen durch die Symptome der Menopause durchschnittlich eine halbe Stunde ihrer wöchentlichen Arbeitszeit nicht arbeitsfähig seien. Hochgerechnet auf die etwa 6,7 Millionen erwerbstätigen Frauen hierzulande im Alter zwischen 50 und 65 Jahren ergibt sich ein erheblicher Verlust durch nicht produziertes Bruttoinlandsprodukt, erklären die Autoren.

Kaum Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung

In der Schätzung von 9,4 Milliarden Euro Minus bei der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung sind reduzierte Arbeitszeiten und ein vorzeitiger Ruhestand nicht einmal enthalten. Ebenso sind die Kosten für medizinische Behandlungen nicht miteinbezogen – anders als zum Beispiel in Berechnungen für die USA.

Dabei sind Arbeitnehmerinnen in den Wechseljahren für viele Unternehmen wichtiges Humankapital, schreiben Professorin Andrea Rumler und Professor Till Strohsal von der HWR. Obwohl Frauen fast die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland ausmachen, gäbe es derzeit kaum Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung für Frauen in ihrer Menopause.

Die hormonelle Umstellung während der Wechseljahre dauert im Durchschnitt 10 bis 15 Jahre. Sie beginnt meist Anfang bis Mitte 40. Das Erleben der Wechseljahre variiert individuell. Laut einer repräsentativen Forsa-Befragung leiden 93 Prozent der Frauen in Deutschland an mindestens einem Wechseljahressymptom. Die Mehrheit hat mehrere Beschwerden gleichzeitig, zu denen Hitzewallungen, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme sowie depressive Verstimmungen, Gereiztheit, körperliche und geistige Erschöpfung, Trockenheit der Augen, Migräne, Kopfschmerzen, Herz- sowie Gelenk- und Muskelbeschwerden gehören. Daneben kann es im Zuge der hormonellen Umstellungen phasenweise auch zu sehr starken Regelblutungen kommen.

Krankgemeldet oder früher raus

Fast ein Drittel der Frauen war auf Grund von Wechseljahressymptomen schon einmal krankgeschrieben gewesen oder hatte unbezahlten Urlaub genommen. Knapp ein Viertel der Befragten gab an, auf Grund der Wechseljahre bereits Arbeitsstunden reduziert zu haben. 18,4 Prozent der Befragten gaben an, dass die Wechseljahresbeschwerden Einfluss auf die Entscheidung gehabt hatten, ihre Stelle zu wechseln. Jede zehnte Frau gab an, auf Grund der Wechseljahre früher in den Ruhestand zu gehen (beziehungsweise schon gegangen zu sein). Bei den über 55-Jährigen gab dies fast jede fünfte Befragte an.

Die Arbeitgeber der Befragten boten beispielsweise diese Maßnahmen zur Unterstützung am Arbeitsplatz an: 51,1 Prozent ermöglichten Homeoffice-Arbeit, 42,1 Prozent flexible Arbeitszeitmodelle, 36 Prozent besseren Zugang zu Sanitäranlagen und Toilettenartikeln und 28,9 Prozent flexible und bedürfnisorientierte Gestaltung der Arbeitskleidung sowie 21,8 Prozent boten klimatisierte Arbeitsplätze an.

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichten, wie dringend Frauengesundheit in den Fokus von Gesundheitsmanagement und politischer Gestaltung rücken müsse. „Die Wirtschaft sucht händeringend qualifizierte Leute. Daher sind Unternehmen besonders auch auf ihre gut ausgebildeten und erfahrenen Mitarbeiterinnen angewiesen“, sagt Professorin Andrea Rumler. Passgenaue Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement seien ethisch geboten und wirtschaftlich sinnvoll.

Methodik
Grundlage für die Berechnungen sind wissenschaftliche Befragungen von deutschlandweit berufstätige Frauen zu den Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden. 2023 erhob die HWR Berlin in einer Onlinebefragung erstmals deutschlandweit Daten zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz. Zwischen März und Juni 2023 wurden 2.119 Frauen mit Wohnsitz in Deutschland zu ihren Erfahrungen mit den Wechseljahren im Arbeitskontext und den am Arbeitsplatz vorhandenen Unterstützungsmaßnahmen befragt. Die Erhebung umfasste sowohl quantitative als auch qualitative Daten, was einen umfassenden Einblick in das Erlebender Wechseljahre im Arbeitsalltag ermöglichte. Im Fokus der Untersuchung stand der Einfluss auf Arbeitsfähigkeit, Krankenstand, Karriere und individuelles Wohlbefinden.

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