Deutschland tut zu wenig und oft das Falsche
Ziel ist, die Resilienz des Gesundheitssektors zu stärken und die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels einzudämmen. Die Expertinnen und Experten raten Deutschland daher, die individuelle Hitzekompetenz zu stärken und die Verhältnisprävention und Gesundheitsförderung sektorenübergreifend zu verankern. Steuern und Subventionen sollten so umgestaltet werden, dass sie eine gesunde und umweltfreundliche Ernährungsweise unterstützen. Um die notwendigen Investitionen von Gesundheitseinrichtungen in den Klimaschutz zu ermöglichen, sind die Autoren des Berichts für ein Transformations-Sonderprogramm.
Zahlen und Fakten aus dem Report
Die Flut im Ahrtal im Jahr 2021 beispielsweise forderte nicht nur 135 Menschenleben. Es fielen auch Kosten von schätzungsweise 40,5 Milliarden Euro an.
Deutschland subventionierte den Einsatz fossiler Brennstoffe allein 2022 mit umgerechnet 4,5 Milliarden US-Dollar.
Im Sommer 2022 starben nach aktuellen Berechnungen in Deutschland 9.100 Menschen durch Hitze.
Der Konsum gering verarbeiteter pflanzlicher Lebensmittel verursachte in Deutschland 84.000 Todesfälle, der zu hohe Konsum von rotem und verarbeitetem Fleisch 79.700 Todesfälle.
Die ökologischen und gesundheitlichen Schäden des Agrar- und Ernährungssystems belaufen sich in Deutschland auf 330 Milliarden US-Dollar pro Jahr und gesundheitliche Folgekosten machen daran den größten Anteil aus.
Im Jahr 2019 lag der CO2-Fußabdruck des deutschen Gesundheitssektors bei etwa 68 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente – dies entspricht ungefähr 6 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen.
Das sind die Ratschläge für Deutschland
1. gesundheitlicher Hitzeschutz
Regelungsrahmen sektorenübergreifend anpassen: Um die gesetzlichen Regelungen für gesundheitlichen Hitzeschutz zu bewerten und kohärent anzupassen, müsssen alle Sektoren auf allen Entscheidungsebenen zusammenarbeiten.
Gesundheitsförderung und Prävention unter Einbezug der sozialen Lage: Gezielte Maßnahmen der verhältnisbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung tragen maßgeblich dazu bei, soziale Ungleichheiten in der Hitzebelastung zu verringern.
Hitzekompetenz stärken: Die individuelle Hitzekompetenz muss gefördert werden. Besonders wichtig sind dabei Multiplikator:innen in den Lebenswelten, etwa in Gesundheits- und Bildungseinrichtungen.
2. Ernährung
Finanzielle Anreize verändern: Steuern und Subventionen sollten so umgestaltet werden, dass sie eine Wende zu gesunden und umweltfreundlichen Ernährungsweisen unterstützen.
Standards in der Gemeinschaftsverpflegung: In der Gemeinschaftsverpflegung braucht es effektive Anreize und verbindliche Qualitätsstandards für eine Ernährungsumstellung.
Ernährung im Gesundheitssektor verankern und stärken: Im Gesundheitssektor sollten Strukturen und Prozesse gefördert werden, die das präventive und therapeutische Potenzial von Ernährung für Gesundheit, Umwelt und Klima fördern und nutzbar machen.
3. resilienter Gesundheitssektor
Finanzierungsmodelle für die Transformation: Um die notwendigen Investitionen von Gesundheitseinrichtungen in den Klimaschutz zu ermöglichen, ist ein Sonderprogramm erforderlich. Einrichtungen des Gesundheitssektors müssen zudem in der Klimaanpassungsstrategie berücksichtigt und eingebunden werden.
Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik: Im Sinne des Health in and for all policies-Ansatzes müssen Verhältnisprävention und Gesundheitsförderung in allen Sektoren verankert werden.
Monitoring und Surveillance von Treibhausgasemissionen: Alle größeren Gesundheitseinrichtungen sollten ihre Treibhausgasemissionen nach einheitlichen Kriterien erfassen und öffentlich berichten.
Nachhaltige Liefer- und Produktionsketten etablieren: Zur Erfassung von Emissionen aus Liefer- und Produktionsketten und zur Förderung nachhaltiger Kaufentscheidungen sind internationale Datenbanken zu Product Carbon Footprints sowie regulatorische Anreize für nachhaltige Produktion und Recycling von Arzneimitteln und Medizinprodukten erforderlich.
The Lancet Countdown Bericht zu Klimawandel und Gesundheit für Deutschland
„Die Gefahr, die weltweit vom Klimawandel auf die menschliche Gesundheit ausgeht, war noch nie so groß wie jetzt“, betonte Dr. Susanne Johna, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, bei der Veröffentlichung des Reports. Sie forderte die Politik auf, mehr gegen den Klimawandel zu tun. „Entscheidend ist es, gesundheitliche Aspekte sehr viel stärker in den Fokus der Klimapolitik zu stellen und entsprechende sektorenübergreifende gesetzliche Rahmenbedingungen und Förderprogramme für ein klimaneutrales und -resilientes Gesundheitswesen aufzulegen“, sagte sie.
Der Lancet Countdown ist eine interdisziplinäre Forschungskooperation aus 52 Forschungseinrichtungen und UN-Organisationen, die anhand von über 60 Indikatoren die globalen Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels auf die Gesundheit sowie die internationalen politischen Antworten darauf analysiert. Der Policy Brief für Deutschland, wird seit 2019 von der Bundesärztekammer mit weiteren Gesundheitsorganisationen begleitend veröffentlicht.