Die Bürokratie belastet den Berufsstand
Bereits einige Wochen vor dem Start des Hamburger Zahnärztetages war die Präsenzveranstaltung im Hotel Empire Riverside mit 350 Anmeldungen komplett ausgebucht. Hinzu kamen dann zusätzlich rund 200 Anmeldungen für das Onlineformat. Konstantin von Laffert, Präsident der Zahnärztekammer Hamburg, freute sich über das außerordentliche Interesse aus Hamburg und bundesweit: „Die Teilnehmerzahl bedeutet einen absoluten Rekord und wir freuen uns, dass beide Angebote – Präsenz und online – von Ihnen so gut angenommen werden.“
Von Bürokratieabbau ist nichts zu sehen
In seiner Begrüßung ging von Laffert traditionell auch kritisch auf die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen ein, die die Berufsausübung heute massiv beeinflussen. Auf der Agenda aller Parteien steht heute der Abbau von Bürokratie. „Das klingt in den Programmen erst einmal gut. Leider hat es bisher aber keine einzige Partei geschafft, den Bürokratieabbau auch nur mit einer winzigen Geste für uns mal anzugehen“, sagte von Laffert. Aus dem „mit viel TamTam angekündigten Projekt des Normenkontrollrates ‚Mehr Zeit für Behandlung‘ aus dem Jahr 2015“ ist für die Zahnmedizin „nicht eine einzige Anregung umgesetzt worden“, betonte von Laffert.
Von Laffert verwies in diesem Zusammenhang auch auf den „größten unsinnigen Bürokratieaufbau seit 25 Jahren“: die „Validierung der abschließenden Wischdesinfektion“. „Ich persönlich sehe es als absolut rote Linie an, dass tatsächlich Validierer in unsere Praxen kommen sollen, die unseren gut geschulten Mitarbeiterinnen beim Abwischen und Desinfizieren von Medizinprodukten zuschauen sollen. Gegen einen solchen Irrsinn werde ich mich gemeinsam mit dem Vorstand der BZÄK mit allen Mitteln wehren.“ Von Laffert informierte darüber, dass die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) gerade an einem wissenschaftlichen Leitfaden für die Praxis arbeite, mit dem man der „völlig sinnfreien Geschäftemacherei mit der Hygiene“ begegnen wolle.
Brüssel zu Ethanol: Trinken ja, desinfizieren nein
Eine weitere Bürokratieposse spielt sich gerade in den Tiefen der EU-Regulierungen ab. Weil angeblich von durch die Haut diffundierendem Ethanol für potenziell Schwangere, „also praktisch unserem gesamten Praxispersonal“, eine Gefahr ausgehe, wolle man das bewährte Desinfektionsmittel verbieten und durch weniger wirksame und teurere Alternativen ersetzen. Wer nach guten Nachrichten in dieser Causa suche, werde auch fündig, so von Laffert: Das Trinken von Ethanol solle weiterhin erlaubt sein.
Telematik: Versichertenkarten müssen erst am Heizkörper statisch entladen werden
Auch die staatlich organisierte Digitalisierung per Telematik wurde kritisch beleuchtet. Die elektronische Patientenakte für alle (ePA) sei als Tiger gestartet und „schon jetzt als Bettvorleger“ gelandet, so von Laffert. Er verwies auf die jüngst entdeckten Sicherheitslücken des Chaos Computerclubs und den aktuellen Datenklau bei der Bundesdruckerei. Dabei sei deutlich geworden, mit welch „unausgereiften Systemen wir hier überzogen werden. Vielleicht hat ja dann doch noch irgendwann jemand ein Einsehen und testet all diese Folterinstrumente mal auf Praxisgängigkeit, bevor wir wieder Versichertenkarten an Heizkörper halten müssen, um sie elektrostatisch zu entladen“, sagte von Laffert.
Zahnmedizin raus aus der GKV? Bürgerversicherung?
Von Laffert verwies auch auf Diskussionen im politischen Berlin, nach denen man den steigenden Sozialbeiträgen mit radikalen Schritten begegnen müsse. Dabei werde auch die Option diskutiert, „die Zahnmedizin komplett oder weitgehend aus der GKV zu entfernen.“ Von Laffert mahnte, dass man sich seitens der Zahnärzteschaft „sprechfähig“ zu dem Thema machen müsse – auch im Hinblick auf die allenthalben wieder aufkommende Idee der Bürgerversicherung.