Die Gesundheitsrisiken der Disney-Prinzessinnen
Sanne van Dijk und ihre Kolleginnen und Kollegen fordern in einem Beitrag, der in der Christmas Edition des BMJ veröffentlicht wurde, dass Disney Strategien wie Achtsamkeit und persönliche Schutzmaßnahmen prüfen solle, um das Wohlbefinden der Prinzessinnen zu verbessern und ihnen zu helfen, gesund zu leben.
„Märchenprinzessinnen werden nach wie vor weithin gefeiert“, schreiben sie. Die Walt Disney Company habe mit ihren Verfilmungen zweifellos zu ihrer Popularität beigetragen. Zwar fesselten die Filme die jungen Zuschauer, riefen aber auch Bedenken wegen der dort bedienten Stereotype hervor. Unrealistische Darstellungen von Beziehungen sowie unmögliche Schönheitsideale wie unnatürliche Taille-Hüft-Maße könnten sich negativ auf das Selbstwertgefühl von Mädchen auswirken.
„Doch in der realen Welt wären die Disney-Prinzessinnen selbst ernsthaften Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Ungeachtet dessen scheinen sie jedoch glücklich bis an ihr Lebensende zu leben.“
Strategien zur Verbesserung ihres Wohlbefindens könnten mithin Achtsamkeit und Psychotherapie, Schulungen zum Zusammenleben mit Tieren und persönliche Schutzmaßnahmen gegen Infektionserreger und giftige Partikel umfassen. „Nur dann können Disney-Prinzessinnen ein gesundes Leben bis an ihr Lebensende führen“, heißt es in dem satirischen Beitrag, der einen Überblick über die Gesundheitsrisiken im Märchenland gibt.
1. Schneewittchen
„Snow White ist die schönste Prinzessin von allen (laut dem Spiegel an der Wand) und bezaubert das Publikum mit ihrem Charme“, beschreiben die Forschenden Schneewittchen. Als Küchenmädchen für ihre böse Stiefmutter seien ihre Möglichkeiten zur sozialen Interaktion allerdings äußerst begrenzt. Systematische Reviews zeigten einen starken positiven Zusammenhang zwischen mangelnder sozialer Interaktion und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Angstzuständen und Sterblichkeit.
„Glücklicherweise trifft Schneewittchen die sieben Zwerge, die sie vor den Gefahren der Einsamkeit schützen“, betonen sie. Anschließend esse Schneewittchen jedoch einen vergifteten Apfel, der sie in einen „Schlaftod“ versetzt. „Dieses Ergebnis zeigt, dass für Schneewittchen das Sprichwort „An apple a day keeps the doctor away“ spektakulär ins Leere läuft.“
2. Jasmin
Jasmin wächst innerhalb der Mauern ihres Palastes in Agrabah auf – ihre einzigen sozialen Kontakte sind das königliche Personal, die Wachen und die Prinzen, die um ihre Hand anhalten. Dadurch sei sie, ähnlich wie Schneewittchen, den Risiken sozialer Isolation ausgesetzt. Die Interpretation der Autoren: „Auch wenn der Flaschengeist vielleicht singt „Du hattest noch nie einen Freund wie mich“, hat Jasmin in Wahrheit überhaupt keine Freunde.“
Studien belegten, dass Einsamkeit mit Demenz, psychischen Problemen (wie Depressionen und Angstzuständen) und einer Dysregulation des Immunsystems asoziiert wird. Außerdem berge Jasmins Haustier, der Tiger Rajah, eine Gefahr für Zoonosen sowie kraniofaziale und zervikale Wirbelsäulenverletzungen. Obwohl Rajah wie ein süßer Tiger aussehe, könnten seine Instinkte zu einer gefährlichen und möglicherweise tödlichen Situation führen – „ein wahrer arabischer Albtraum“.
3. Aschenputtel
Aschenputtel hatte den Forschenden zufolge eine glückliche Kindheit, bis ihr Vater starb und sie mit einer kaltherzigen Stiefmutter und zwei verwöhnten Stiefschwestern zurückließ. Von diesem Zeitpunkt an sei Aschenputtel gezwungen, den Haushalt zu führen, wobei sie durch die ständige Staubbelastung Gefahr laufe, eine berufsbedingte Lungenkrankheit (occupational lung disease, OLD) zu entwickeln.
Die Forschung empfehle mehrere vorbeugende Maßnahmen zur Reduzierung der Staubbelastung, wie die Verwendung langer Besenstiele, das Besprenkeln staubiger Böden mit Wasser und eine persönliche Schutzausrüstung, von denen in Aschenputtels Fall jedoch keine einzige ergriffen werde. Auch das Schornsteinfegen erhöhe das Risiko für OLD und Lungenkrebs, die zu einem frühen Tod führen könnten.
„Als es nicht schlimmer kommen könnte – bibbidi-bobbidi-buuh! – setzt Aschenputtels gute Fee dem Ganzen die Krone auf, indem sie riesige Mengen magischen Glitzers verteilt – auch bekannt als aluminiumbeschichtetes Mikroplastik“, heißt es in der Studie. Die Fähigkeit von Mikroplastik, in menschliches Lungengewebe einzudringen, trage weiter zur Entwicklung einer OLD bei. Statt eines Prinzen brauche Aschenputtel eine fortlaufende Atemtherapie, um glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben zu können.
4. Pocahontas
Pocahontas' Bestreben, Frieden zwischen amerikanischen Ureinwohnern und englischen Siedlern zu stiften, führt sie auf Abenteuer in schwindelerregende Höhen – im wahrsten Sinne des Wortes: „Ihr Klippensprung hat eine beeindruckende Fallzeit von neun Sekunden.“
Basierend auf der Fallzeit schätzten die Forschenden die Höhe der Klippe durch Simulationen mit gekoppelten Differenzialgleichungen für Höhe und Geschwindigkeit mit quadratischem Luftwiderstand. Unter Annahme durchschnittlicher anthropomorpher Maße einer Frau (62 kg, 1,62 m Größe, 0,36 m Schulterbreite und standardmäßiger Umweltkonstanten (Luftwiderstandsbeiwert von 1,0, Erdbeschleunigung von 9,81 m/s 2 und Luftdichte von 1,2 kg/m 3) beträgt die Klippenhöhe demnach 252 Meter.
Studien zur Aufpralldynamik beim Springen legten nahe, dass bereits Sprünge aus Höhen über 12 Meter kritisch für Schlüsselbeinkompressionen sein können. „Ein wiederholter Sprung würde Pocahontas daher die monochromatischen Farbtöne ihrer Röntgenstrahlen anstelle der „Farben des Windes“ zeigen, mit einer Symphonie von Brüchen anstelle einer harmonischen Melodie mit der Natur“, bilanzieren die Autoren.
5. Dornröschen
Nachdem Maleficent sie als Neugeborene verzaubert hat, wird Aurora von ihren drei guten Feen in einer gemütlichen Hütte im Wald großgezogen. Nach 16 Jahren kehrt sie ins Schloss zurück, wo sie sich an der Spindel eines verzauberten Spinnrads den Finger sticht und in einen unendlichen Schlaf versetzt wird – sie kann nur durch den Kuss der wahren Liebe geweckt werden.
„Zu den Gesundheitsrisiken, die mit Verschlafen verbunden sind, zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Fettleibigkeit und Diabetes. Darüber hinaus haben systematische Untersuchungen gezeigt, dass längere Bettruhe mit einem erhöhten Risiko für Druckgeschwüre und zeitabhängige Muskelatrophie verbunden ist“. Glücklicherweise breche Prinz Philip den Schlafzauber, indem er Aurora küsst, obwohl er auch gegen die geltenden gesellschaftlichen Normen verstoße, da er es versäumt, eine Einwilligung einzuholen.
6. Mulan
Hinter der Geschichte, die Mulan als Kriegerin feiert, die das chinesische Kaiserreich rettet, verberge sich tief verwurzelter familiärer und gesellschaftlicher Druck. Mulan erfahre wiederholt Gewalt durch die Forderung ihrer Familie, ihre Ehre durch eine arrangierte Ehe zu wahren, sowie durch die öffentliche Diffamierung von Seiten des Heiratsvermittlers und des kaiserlichen Beraters. Frauen, die ehrbasierte Gewalt erfahren, könnten verstärkt in psychische Erkrankungen abgleiten – etwa in Form von Angstzuständen, weil sie gezwungen werden, ein Leben zu führen, das sie nicht gewählt haben.
Zum Glück könne Mulan sich auf die aufmunternden Worte ihres Schutzdrachen Mushu verlassen. Seine Versuche, sie zu trösten, hätten jedoch wohl keine therapeutische Wirkung. „Wer hätte gedacht, dass du ihn [Mulans Vater] am Ende beschämen und deine Vorfahren entehren und alle deine Freunde verlieren würdest?“, fragt er. „Unserer Meinung nach hat A Girl Worth Fighting For Besseres verdient“, finden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
7. Belle
Als ihr Vater vom Biest gefangen genommen und in einem Schlossverlies eingesperrt wird, eilt ihm Belle zu Hilfe. Um ihren Vater zu befreien, bietet sie sich als Gefangene an und das Biest stimmt zu. „Wie sehr bedroht es Belles Gesundheit? Was ist ein Biest überhaupt?“, fragen die Forschenden. Ihre Antwort: „Nun, dieses Biest hat einen Büffelkopf mit Gorillaaugenbrauen, die Hauer eines Wildschweins, die Mähne eines Löwen, die Arme und den Körper eines Bären sowie die Beine und den Schwanz eines Wolfes.“
Das Biest sei somit eine Chimäre, ein Gebilde, das aus verschiedenen Organismen besteht. Durch engen Kontakt mit dem Biest sei Belle vielen potenziell lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten ausgesetzt, wie Brucellose oder Tollwut. „Hätte Belle jedoch den Liebesrivalen des Biests, Gaston, gewählt – einen Narzissten mit einem so aufgeblasenen Ego, das praktisch eine dritte Figur ist –, hätte dies wahrscheinlich noch schlimmere Auswirkungen auf ihre geistige Gesundheit gehabt.“ Rat der Autoren an die Leser: „Trotz der offensichtlichen Risiken – nehmen Sie besser das Biest, das Sie kennen!“
8. Rapunzel
Rapunzel ist bekannt für ihr langes, blondes, geflochtenes Haar. Sie wurde als Baby von Mutter Gothel gefangen genommen, die Rapunzels Haar als „magisches Anti-Aging-Serum“ verwendet. Entgegen allen Modegesetzen gehe Rapunzel nie zum Friseur, da das Schneiden ihres Haares dessen Magie zerstören würde. „Ein über 21 m langer Zopf ist jedoch schlimmer als ein einfacher Mode-Fauxpas“, meinen die Wissenschaftler.
Indem ihr Zopf als „Aufzugskabel“ benutzt werde, seien Rapunzels Haarfollikel wahrscheinlich durch wiederholtes, übermäßiges Ziehen beschädigt, ein Zustand, der als Traktionsalopezie (TA) bekannt sei. Auf lange Sicht könne TA zu dauerhaftem Haarausfall führen. Ein häufigeres Symptom, das bereits im Frühstadium von TA auftrete, seien Kopfhautschmerzen. Diese könnten zu Kopfschmerzen führen und in der Folge „zu einer Stimmung, die nicht einmal eine Märchenprinzessin loswerden kann“. Ihr langes Haar halte Gothel vielleicht jung, aber aufgrund der ständigen Kopfschmerzen ist Rapunzel diejenige, die ein magisches Heilmittel braucht.
van Dijk, S. H. B., Bui, M., & Eijkelboom, A. (2024). Living happily ever after? The hidden health risks of Disney princesses. BMJ, 387, Article q2497. https://doi.org/10.1136/bmj.q2497