ePA-Manipulation rechtfertigt fristlose Kündigung
Der Sachverhalt: Um einen Fehler zu vertuschen, datierte die Mitarbeiterin einer Thüringer Arztpraxis im Dezember 2022 eine Heilmittelverordnung in der ePA einer Patientin um zwei Tage vor. Diese Änderung war im Anschluss nicht ohne größeren technischen Aufwand erkennbar. Als die Arbeitgeberin im Anschluss versuchte, im Gespräch mit den drei Mitarbeitenden herauszufinden, wer die Änderung in der Akte vorgenommen hat, gab die Klägerin die Manipulation zunächst nicht zu. Als die Chefin trotzdem davon erfuhr, kündigte sie ihr fristlos mit Wirkung zum 31. Dezember 2022. Die gekündigte Mitarbeiterin klagte vor dem Arbeitsgericht Gera. Als das Gericht die Klage abwies, ging die Mitarbeiterin in Berufung.
Erst vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen gab sie die Manipulation zu, argumentierte aber, das Arbeitsgericht hätte den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt und sei deshalb im Rahmen der Interessenabwägung zu einem unzutreffenden Ergebnis gekommen. Nach Darstellung der Klägerin sei das Ausstellungsdatum der Heilmittelverordnung mit Wissen und Wollen der Beklagten geändert worden. Die Vorwürfe, die letztlich Grundlage von Abmahnung und Kündigung gewesen seien, stammten von ihren Kolleginnen, so die Klägerin weiter. Schließlich seien die ausgesprochenen Abmahnungen nicht einschlägig und auch unbegründet.
Das Vertrauen in die Klägerin ist unwiederbringlich verloren
Dieser Darstellung folgte das Gericht nicht. Die nachträgliche Veränderung von Daten in der ePA durch die Klägerin sei eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. „Diese ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen“, so das Gericht.
Da die ePA nicht nur für die medizinische Behandlung wichtige Informationen enthält, sondern auch der Dokumentation von Behandlungsverläufen dient und gegebenenfalls als Nachweis im Rahmen von Haftungsfragen bedeutsam ist, gehöre es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des medizinischen Hilfspersonals, Eintragungen „sorgfältig und anweisungs- sowie wahrheitsgemäß vorzunehmen und nachträgliche Änderungen, die nicht den Tatsachen entsprechen zu unterlassen“, führte die Kammer aus.
Der Ausspruch einer Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen, denn das Vertrauen der Beklagten in die Klägerin sei unwiederbringlich verloren. „Dieses Vertrauen wäre durch eine Abmahnung nicht wiederherstellbar gewesen.“ Dafür spreche vor allem auch der Umstand, dass die Klägerin die Pflichtverletzung zunächst nicht zugegeben hat. Im Ergebnis gelangte die Kammer zu der Überzeugung, dass auch bei Berücksichtigung aller erkennbaren Interessen der Parteien es der Beklagten nicht zumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
Die Klägerin muss die Prozesskosten ihrer erfolglosen Berufung tragen. Eine Revision hat das LAG nicht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Thüringen.
Az.: 4 Sa 166/23
Urteil vom 28. Februar 2024
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Gera
Az.: 4 Ca 73/23
Urteil vom 5. Juli 2023