EVP-Chef Manfred Weber fordert

Europa muss in Versorgung und Forschung enger zusammenarbeiten

ao
Politik
Europa muss in der Gesundheitsversorgung und in der Wissenschaft enger zusammenarbeiten. Das forderte Manfred Weber, Partei- und Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament, bei einer Veranstaltung in Berlin. Wichtig sei beispielsweise, Daten für die Forschung besser nutzbar zu machen.

Krankheiten machen vor nationalen Grenzen nicht halt – die Gesundheitsversorgung müsse daher grenzübergreifend organisiert werden, betonte Weber vergangene Woche bei der Konferenz „Health4EU – ZukunftsDialog Europäische Gesundheit“ in Berlin. Zu der Veranstaltung hatte der Tagesspiegel in Kooperation mit dem Pharmaverband Pharma Deutschland eingeladen.

Bisher agierten die EU-Staaten in Forschung und Entwicklung noch zu „kleinteilig“, bemängelte Weber. Dies müsse sich ändern, denn die europäische Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung sei „die zentrale Herausforderung der Gegenwart“. 

Der Gesundheitsdatenraum schafft Chancen

Aus seiner Sicht ist es entscheidend, klinische Studien zu vereinfachen, ohne dass die Qualität und die Arzneimittelsicherheit darunter leiden. Daten müssten für die Forschung besser nutzbar werden, unter Wahrung des Datenschutzes – den gesetzlichen Rahmen dafür biete der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS). Die entsprechende Verordnung ist am 26. März in Kraft getreten; die Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit für die Umsetzung. „Europäische Gesundheitspolitik ist Zukunftspolitik“, stellte Weber klar und fügte hinzu: „Wir müssen das aktuelle Zeitfenster nutzen, um Potenziale zu heben.“

Welche Chancen der europäische Gesundheitsdatenraum bietet, verdeutlichte auch Dr. Katharina Ladewig, Geschäftsführerin des Zentrums für Künstliche Intelligenz in der Public Health Forschung am Robert-Koch-Institut. „Der EHDS schafft die Voraussetzungen dafür, dass wir mit KI forschen können“, erklärte sie. Sobald Wissenschaftler europaweit auf Daten zugreifen könnten, etwa zum Impfen, hätten sie die Möglichkeit, Impflücken zu erkennen. Dann könnten sie auch vorhersagen, wo der nächste Ausbruch einer Infektionserkrankung zu erwarten sei. Auf der Basis dieser Daten und Analysen könnten dann auch entsprechende Impfkampagnen gestartet werden.

Estland zeigt, wie gut Digitalisierung funktionieren kann

Ladewig appellierte an die Akteure im deutschen Gesundheitssystem, von anderen Ländern zu lernen. „Insbesondere kleine Länder wie Estland zeigen uns, wie gut Digitalisierung funktionieren kann“, sagte die Wissenschaftlerin.

Dass Deutschland bei der Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung „später dran ist“ als beispielsweise die USA, räumte auch Prof. Ariel Dora Stern ein. Die Gesundheitsökonomin lehrte ab 2014 in Harvard und ist seit vergangenem Jahr Alexander von Humboldt-Professorin für Digital Health am Hasso-Plattner-Institut. In den USA sei 2009 der Digital Act in Kraft getreten. In der Folge seien Millionen US-Dollars für die Digitalisierung der Praxen und Krankenhäuser ausgegeben worden. In Deutschland forscht Stern in der Gesundheitsforschung ebenfalls mit Daten aus Praxen und Kliniken.

Die Situation der Wissenschaft in den USA: „tragisch"

Stern schilderte auch die Folgen der Wissenschaftspolitik unter US-Präsident Donald Trump. So seien in Harvard viele Wissenschaftler und ganze Abteilungen „gefeuert“ worden. „Für die Wissenschaft ist das tragisch“, sagte Stern. Viele Wissenschaftler und Forschungsprojekte würden nicht mehr finanziert.

Für Deutschland könne dies aber eine Chance sein. „Deutschland muss da reingehen“, appellierte Stern an die Akteure im deutschen Gesundheitswesen. So tragisch die Situation in den USA sei, sei sie zugleich eine „einmalige Gelegenheit, US-Wissenschaftler nach Deutschland zu kriegen“, so die Expertin für Digital Health.

Dänemark setzt bei der Digitalisierung auf Vertrauen

Wesentlich weiter bei der digitalen Transformation des Gesundheitswesens als Deutschland sei auch Dänemark. Dort wurde die Digitalisierung in der Patientenversorgung bereits vor 20 Jahren eingeführt, berichtete Anne-Marie Christina Thoft, Health and Life Science Counsellor an der dänischen Botschaft in Berlin. Auch in Deutschlands nördlichem Nachbarland habe es Zeit gebraucht und viele Probleme bei der Einführung gegeben, berichtete sie.

Doch mittlerweile sei die digitale Transformation erfolgreich. So habe eine Befragung ergeben, dass sich 80 Prozent der rund sechs Millionen Dänen an die Digitalisierung im Gesundheitswesen gewöhnt hätten. „Vertrauen ist eine wichtige Grundlage für den Erfolg digitaler Anwendungen im Gesundheitswesen. Und die Dänen haben dieses Vertrauen“, erläuterte Thoft. Das zeige sich beispielsweise daran, dass sich – anders als in Deutschland – genügend Teilnehmer für klinische Studien finden.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.