Technik soll Ausbildung revolutionieren

Experiment zeigt neue Form der chirurgischen Fernüberwachung

mg
Gesellschaft
Zum ersten Mal fand dank Augmented Reality und 5G ein neuartiges Experiment in der Brustkrebschirurgie statt. Dabei assistierte bei einer Tumoroperation in Lissabon ein 900 Kilometer entfernter Chirurg.

Am 5. Mai um 15 Uhr war Chirurg Pedro Gouveia im Operationssaal des Lissabonner Brustzentrums der Champalimaud-Stiftung bereit, mit der Durchführung einer Brustkrebsoperation zu beginnen. Sein Kollege Rogelio Andrés-Luna sollte ebenfalls an der Operation teilnehmen. Die Besonderheit: Pedro Gouveia trug eine Mixed-Reality-Brille, durch die er sowohl die Patientin sah als auch Zugang zu Informationen hatte, die auf die Brillenlinsen projiziert wurden. Und der zweite Chirurg, Rogelio Andrés-Luna, war während der Operation nicht physisch im Operationssaal anwesend, sondern mehr als 900 km von der Operationsstelle entfernt.

Andrés-Luna saß auf der Kongressbühne der Spanischen Vereinigung der Brust-Chirurgen (AECIMA), der an der Medizinischen Fakultät der Universität von Saragossa stattfand. Als einziges Arbeitswerkzeug hatte der Chirurg einen Laptop dabei, der über ein 5G-Datennetz via Webbrowser und Spezialsoftware mit Gouveias Mixed-Reality-Brille verbunden war.

Datenübertragung im 5G-Netz macht das Vorgehen überhaupt erst möglich

Trotz der beträchtlichen Distanz zwischen den beiden Ärzten verlief alles so, als wäre der überwachende Chirurg direkt neben dem ausführenden Chirurgen, schaute ihm über die Schulter und assistierte ihm bei seiner Aufgabe. Die Datenübertragung via 5G reduziert die Latenz der Übertragung auf wenige Millisekunden, erklärt Gouveia. Andernfalls wäre diese chirurgischen Fernüberwachung nicht möglich gewesen.

Andrés-Luna konnte dabei nicht nur Gouveias Tätigkeit verfolgen, sondern ihm auch nützliche Informationen wie etwa kurze Videos von ähnlichen Operationen liefern, schreibt die Champalimaud-Stiftung. Außerdem war er in der Lage, aus der Ferne Gouveia die Stelle für den ersten Schnitt vorzugeben.

Die beim Live-Experiment vorgeführte Technik bezeichnen die Durchführenden als „Remote Proctoring”. Es wird bereits verwendet, um schriftliche Prüfungen aus der Ferne zu überwachen. In diesem Fall ermöglicht die Software, Studierende während der Prüfung per Video zu betreuen – und auch mögliche verdächtige Verhaltensweisen wie etwa die Nutzung von Mobiltelefonen zu erkennen. Hier ist die Latenz der über konventionelles 4G und WLAN übertragenen Bilder kein Hindernis, denn Auswertung erfolgt erst im Anschluss an die Prüfung.

Technik soll DebütantInnen bei der Durchführung ihrer ersten Operationen Unterstützung bieten

Durch 5G erweitert sich das Potenzial für diese Fernüberwachungsmethodik enorm und könnte eines der Schlüsselmerkmale des Operationssaals der Zukunft zu werden, sagt Gouveia laut Mitteilung. Der Erfolg des Experiments stelle zunächst nur einen ersten Schritt dar – könne perspektivisch aber die Art und Weise, wie Operationen durchgeführt werden, stark verändern. Die Technik erlaube dabei nicht nur eine realistischere Ausbildung von Studierenden, sondern auch eine bessere Unterstützung von DebütantInnen bei der Durchführung ihrer ersten Operationen.

Aktuell geben Chirurgen in der Regel ihr chirurgisches Debüt ohne Aufsicht, erklärt die Champalimaud-Stiftung, dies gelte vor allem, wenn sie an abgelegenen Orten in Ländern arbeiten, wo sie die einzige entsprechend qualifizierte Person sind. Der neue Ansatz könnte diese Situation beheben, indem den Operateuren dringend benötigte Unterstützung in Echtzeit zur Verfügung gestellt wird, heißt es. In Zukunft könne der Operationssaal so zu einem „multimedialen Raum” werden, schreibt die Stiftung.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.