Experten kritisieren geteilte Zuständigkeiten von RKI und BIPAM
In der Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (20/12790) am 16. Oktober sprachen die Sachverständigen von einem „Konstruktionsfehler im Gesetz“.
So bemängelte die Deutsche Gesellschaft für Public Health (DGPH) einige „Designfehler", darunter den irreführenden Namen, der ein „Fehlgriff“ sei. Zudem sei die geplante Trennung der Zuständigkeiten für übertragbare Erkrankungen (RKI) und nicht-übertragbare Erkrankungen (BIPAM) fachlich nicht sinnvoll und stehe konträr zu den Lehren der Pandemie. Diese Trennung sei ein zentraler Designfehler. Da große Anteile des RKI an das neue Institut abgegeben werden sollen, bestehe die Gefahr, dass im Ergebnis das RKI geschwächt werde, was auf jeden Fall verhindert werden müsse.
Auch der Name: ein „Fehlgriff“
Ähnliche Bedenken äußerte die Bundesärztekammer (BÄK): Für sie steht die geplante Arbeitsweise des neuen Instituts im Widerspruch zu der von der Koalition angekündigten Public-Health-Strategie. Es sei nicht stimmig, die Aufgabenbereiche zur Vermeidung von nicht-übertragbaren Erkrankungen und der Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu trennen. Die BÄK befürchtet zudem, dass der Aufbau neuer Organisationsstrukturen Jahre dauern könnte. Neben Sachmitteln müsse überdies in Fachärzte investiert werden. Aus dem Gesetzentwurf gehe zudem nicht klar hervor, welche Perspektive sich für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) nach dem Ende der Mittelzuweisungen aus dem ÖGD-Pakt ergibt.
Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) erklärte, aus struktureller und organisatorischer Sicht könne die Schaffung eines neuen Instituts nicht überzeugen. Es fehle an einem erkennbaren Mehrwert gegenüber der jetzigen Konstellation und dem Nachweis, dass die vorgesehenen Aufgaben effektiv nicht von bestehenden Einrichtungen wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und dem RKI übernommen werden könnten. Zu befürchten sei, dass mit der Neuorganisation von Zuständigkeiten etablierte Strukturen beim Infektionsschutz geschwächt werden. Schon jetzt stelle man fest, dass Brüche im Monitoring von Impfquoten den dringend nötigen umfassenden Blick auf die Gesamtlage erschwerten.
In Krisen fehle es häufig an Gesundheitskompetenz
Mehrere Sachverständige sprachen sich in der Anhörung für die Gründung des neuen Instituts aus und forderten eine bessere Auswertung von gesundheitsrelevanten Daten, eine zielgruppenspezifische Aufklärung der Bevölkerung über wichtige Gesundheitsthemen sowie eine unabhängige Arbeitsweise und eine solide Finanzierung der neuen Behörde. Die Einzelsachverständige Petra Thürmann von der Universität Witten-Herdecke sagte, es gebe in Deutschland keinen breiten Public-Health-Ansatz. In Krisenlagen fehle es häufig an Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung.