foodwatch-Marktstudie zu Softdrinks

Fast alle Getränke für Kinder sind überzuckert

LL
Gesellschaft
86 Prozent der Getränke für Kinder enthalten mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter. Die Ergebnisse der neuen Analyse unterstreichen die Forderung nach einer Zuckersteuer.

Die Verbraucherorganisation foodwatch hat 136 Getränke wie Limonaden, Energydrinks und Fruchtsäfte für Kinder auf ihren Zuckergehalt untersucht. Das Ergebnis der umfassenden Marktstudie fällt deutlich aus: In 117 von untersuchten Getränken und damit in 86 Prozent sind mehr als fünf Gramm Zucker je 100 Milliliter enthalten. Im Schnitt wiesen die Limos & Co. acht Prozent Zucker auf. Das sind mehr als 6,5 Zuckerwürfel pro 250 Milliliter des Drinks.

Für diesen Zuckergehalt wäre in Großbritannien die Limo-Steuer fällig, merkt foodwatch anund fordert die Ampel-Regierung erneut auf, eine Limo-Steuer nach britischem Vorbild einzuführen. Zum Schutz der Kindergesundheit brauche es außerdem effektive Werbeschranken für ungesunde Produkte und eine gesetzliche Altersgrenze für den Verkauf von Energy-Drinks. In Großbritannien haben die Hersteller als Folge der Steuer den Zuckergehalt in ihren Getränken stark reduziert. Erste Auswertungen zeigen: Auch der Zuckerkonsum von Kindern sank.  

Die Ergebnisse der Marktstudie

  • Mehr als jedes zweite Kindergetränk (57 Prozent) ist mit einem Zuckergehalt von über acht Gramm je 100 Milliliter stark überzuckert.

  • Das zuckrigste Getränk im Supermarkt, das eher für ältere Kinder gedacht ist, ist der Energy Drink „Guava Flavour“ der Lidl-Eigenmarke „Kong Strong“ – er enthält 15,6 Gramm Zucker auf 100 Milliliter. Mit nur einer Dose nimmt ein Teenager 78 Gramm Zucker zu sich, das entspricht 26 Zuckerwürfeln und ist mehr als 3-mal soviel wie Kinder und Jugendliche maximal am Tag zu sich nehmen sollten.

  • Die bei Kindern beliebten Trinkpäckchen sind besonders stark gesüßt – sie enthalten im Durchschnitt ganze 8,6 Prozent Zucker.

  • Nur vier der 136 getesteten Produkte (drei Mineralwasser und ein Nektar) würden einen grünen Nutri-Score (A oder B) erhalten. Knapp ein Viertel (23 Prozent) würde mit einem gelben C gekennzeichnet (meist reine Säfte, Schorlen sowie süßstoffgesüßte Getränke).

  • Der Großteil der Kindergetränke, knapp drei Viertel (74 Prozent), bekäme einen orangenen oder roten Nutri-Score (D oder E).

  • Säfte sind auch keine gesunden Durstlöscher: Unter den zuckrigsten Getränken mit einem Zuckergehalt von über acht Gramm je 100 Milliliter finden sich auch viele reine Fruchtsäfte.

  • Lediglich drei der 136 Kindergetränke enthielten weder Zucker noch Süßstoffe.

Für die Marktstudie hat foodwatch in den fünf größten Supermärkten (Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland) sämtliche Getränke eingekauft, deren Verpackung Kinder und Jugendliche ansprechen soll – beispielsweise durch den Aufdruck von Tieren und Comic-Figuren oder durch eine besonders „coole“ Produktgestaltung wie etwa bei Eistees oder Energydrinks. Getränke, die in einer fast ausschließlich von Kindern getrunkenen Darreichungsform verkauft werden, wurden ebenfalls einbezogen, wie Trinkpäckchen oder kleine Flaschen mit Saugverschluss. Milchbasierte Getränke wurden nicht berücksichtigt. 

„Konzernprofit vor Kinderschutz”

„Ausgerechnet Getränke für Kinder und Jugendliche sind maßlos überzuckert. Es ist perfide und verantwortungslos, wie die Getränkeindustrie Kinder mit Zuckerbomben ködert und damit deren Gesundheit aus Spiel setzt”, sagte Luise Molling von foodwatch. „Bei der Prävention ernährungsbedingter Krankheiten versagt die deutsche Ernährungs- und Gesundheitspolitik auf ganzer Linie. Das Motto ist offenbar: Konzernprofit vor Kinderschutz”, kritisierte sie. Statt mit einer Limo-Steuer, umfassenden Werbeschranken und einer gesetzlichen Altersgrenze für den Verkauf von Energydrinks eine gesunde Kinderernährung zu fördern, setze man vor allem auf freiwillige Maßnahmen der Industrie.

Eine Studie der TU München (zm online berichtete) belegte erst vergangenes Jahr, dass die Getränkeindustrie ihren ohnehin wenig ambitionierten Zielen bei der Zuckerreduktion meilenweit hinterherhinkt. Zwischen 2015 und 2021 reduzierte sich der durchschnittliche Zuckergehalt in Erfrischungsgetränken lediglich um zwei Prozent, während in Großbritannien im gleichen Zeitraum durch die Limo-Steuer eine Reduktion um 29 Prozent erfolgte. Laut einer aktuellen Studie der Universität Cambridge sank damit auch der Zuckerkonsum bei Kindern und Erwachsenen.  

Geht es nicht ohne Zuckersteuer?

Barbara Bitzer, Sprecherin des Wissenschaftsbündnisses Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), äußert sich zu den Ergebnissen der Marktstudie ebenfalls deutlich: „Süß, süßer, krank! Die Ergebnisse der foodwatch-Studie zeigen in erschreckender Weise, dass ein Großteil der Getränke, die gezielt an Kinder vermarktet werden, völlig überzuckert sind und die Industrie sich scheinbar keiner Verantwortung bewusst ist. Die Konsequenzen daraus sind hinlänglich bekannt: Übergewicht, Diabetes und Herzerkrankungen nehmen in beängstigendem Maße zu und ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind süße Getränke.“

Die freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie hätten sich als vollkommen unzureichend erwiesen, obwohl die Branche deutlich mehr versprochen habe. „Eine Herstellerabgabe nach britischem Vorbild wäre ein entscheidender Schritt, um die Industrie in die Pflicht zu nehmen, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu reduzieren. Darüber hinaus werden wir nicht müde, umfassende Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel, die an Kinder gerichtet sind, einzufordern. Die Politik hat eigentlich alle Fäden in der Hand, um der Kindergesundheit endlich Priorität einzuräumen“, so Bitzer.

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