Forscher für Studie zum Thromboserisiko durch Erythrit ausgezeichnet
Das internationale Forscherteam unter Beteiligung von Witkowski hatte anhand von Blutproben bei mehr als 4.000 Probanden aufzeigen können, dass erhöhte Blutkonzentrationen des Zuckeralkohols Erythritol („Erythrit“) mit thromboembolischen Komplikationen in Verbindung stehen. Ihre Ergebnisse hatten der Facharzt für Kardiologie an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC), Campus Benjamin Franklin und seine Forscherkollegen im hochkarätigen Journal „Nature Medicine“ publiziert (zm berichtete).
Jetzt wurde Witkowski für seine Forschung im Rahmen der Studie von der Deutschen Herzstiftung mit dem Wissenschaftspreis der Josef Freitag-Stiftung ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. „Ein Zusammenhang zwischen Süßstoffkonsum und Herz- und Gefäßereignissen war zwar aufgrund von epidemiologischen Studien vermutet, jedoch bis dahin nur unzureichend untersucht worden“, erklärt er.
„Die prämierte Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag für mehr Sicherheit von Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einem erhöhten Infarktrisiko. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass besonders für vulnerable Personen hochverarbeitete Lebensmittel, die den Zuckersatzstoff Erythrit enthalten, Gesundheitsrisiken bergen können“, betont der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Diskussion über Sicherheit von Zuckerersatzstoffen hält an
Die Deutsche Herzstiftung vergibt alljährlich den Wissenschaftspreis der Josef Freitag-Stiftung gemeinsam mit dem DGK-Zentrum für kardiologische Versorgungsforschung (DGK-ZfkVF). Ausgezeichnet wird eine wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Versorgungsforschung von Herz- und Kreislauf-Erkrankungen.
Die Arbeit von Dr. Witkowski und Kollegen hatte nach ihrer Erstveröffentlichung 2023 eine große öffentliche Diskussion über die Sicherheit von Zuckerersatzstoffen ausgelöst. Erythrit wird aus Mais gewonnen und gerne als Zuckeraustauschstoff genutzt, da die Substanz nahezu frei von Kalorien ist und den Blutzucker- und Insulinspiegel nicht beeinflusst – wodurch das Süßungsmittel auch für Menschen mit Diabetes mellitus attraktiv ist. In natürlicher Form kommt Erythritol in verschiedenen Lebensmitteln vor wie Pilzen oder Pistazien.
„Daten zur kardiovaskulären Sicherheit von Süßstoffen fehlen“
Bislang wurde davon ausgegangen, dass die Substanz zwar in die Blutbahn aufgenommen wird, aber dann wieder nahezu vollständig über die Nieren ausgeschieden wird. Zudem fehlten Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Süßstoffen und kardiovaskulären Ereignissen untersuchten. „Damit bleibt unklar, welche Süßstoffe potenziell gefährlich für Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren sind“, erklärt Dr. Witkowski. „Das Fehlen von Daten zur kardiovaskulären Sicherheit von Süßstoffen stellt ein relevantes Problem in der Versorgung der Bevölkerung dar.“
In der prämierten Studie unter Beteiligung der DHZC-Forscher wurden nun über drei Jahre hinweg mehr als tausend Personen mit einem hohen Risiko für Schlaganfall oder Herzinfarkt beobachtet und mit unabhängigen Patientenkohorten aus den USA (mehr als 2.100 Personen) und Deutschland (mehr als 830 Personen) verglichen. Bei Teilnehmern, bei denen es in dieser Zeit zu Schlaganfall, Herzinfarkt oder gar Tod kam, wurde im Blut ein erhöhter Erythritol-Spiegel festgestellt. In einem Laborversuch wurde zudem nachgewiesen, dass der Zuckeraustauschstoff die Blutgerinnung und damit die Bildung von Thromben beschleunigte.
Bis zur Klärung sollten Zuckeraustauschstoffe nur in Maßen genossen werden
„Die Einnahme von Erythritol führte zu einem starken und mehrere Tage anhaltenden Anstieg der Erythritolspiegel im Blut. Dieser lag deutlich über den Schwellenwerten, die mit einem erhöhten Thrombosepotenzial in den vorherigen Untersuchungen verbunden war“, erklärt Witkowski. Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, bewerteten die Ergebnisse mit Zurückhaltung, da zu viele Fragen noch offen seien. Vielmehr sollten die Daten als wichtiger Hinweis genutzt werden, Erythritol wie auch andere Zuckerersatzstoffe in umfassenden Langzeituntersuchungen weiter unter die Lupe zu nehmen. Bis dahin muss auf Zuckeraustauschstoffe nicht verzichtet werden, sie sollten allerdings generell nur in mäßigen Mengen konsumiert werden.
In seiner Arbeitsgruppe möchte Dr. Witkowski nun Süßstoffe und andere Nahrungsmittelbestandteile „systematisch auf ihre thrombogenen Effekte untersuchen“. Jüngst hat das Team herausgefunden, dass höhere Werte des Süßstoffs Xylit im Blut mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle verbunden sind (zm berichtete).
Witkowski, M. et al. The artificial sweetener erythritol and cardiovascular event risk. Nat Med 29, 710–718 (2023). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02223-9