Herausnehmbarer Zahnersatz kann emotional belastend sein
Neue Forschungsergebnisse zeigen emotionale Herausforderungen auf, mit denen Menschen mit Zahnverlust und Zahnersatz konfrontiert sind, ebenso wie die Erwartungen und Hoffnungen, die Betroffene in den Zahnersatz setzen. Nicht selten decken sich die Erwartungen der Patienten an den Zahnersatz nicht mit der Realität. Finanzielle Aspekte spielen hier eine große Rolle, denn einige Patienten können sich ihre Wunschversorgung nicht leisten. Die Studie zeigt auch, dass Zahnverlust und herausnehmbarer Zahnersatz für viele schambehaftete Themen sind. Insbesondere das erste Einsetzen und Anpassen der Prothese ist für viele Patienten ein emotional aufgeladener Prozess, dessen Erfahrung sich auf den Gesamterfolg der Behandlung auswirken kann.
Verbesserungen in der zahnärztlichen Versorgung und der gesellschaftliche Stellenwert gesunder Zähne haben dazu geführt, dass die Menschen mehr Wert auf ihre Mundgesundheit legen. Die höhere Lebenserwartung führt gleichzeitig dazu, dass immer mehr Menschen im höheren Lebensalter Zahnersatz benötigen. Aber nicht alle Patienten können sich implantatgetragenen Zahnersatz leisten. Für viele ist herausnehmbarer Zahnersatz oft die einzige praktikable Option.
Forschende haben die emotionalen Herausforderungen untersucht, die Patienten erleben, wenn sie Zähne verlieren und auf Zahnersatz angewiesen sind. Hierfür wurden unter anderem narrative Interviews und gezielte Beobachtungen durchgeführt. Das Forschungsteam bestand aus Zahnärzten, Sozialwissenschaftlern sowie Personen aus der Dentalindustrie. Insgesamt wurden Interviews von 20 Teilnehmenden in die Studie einbezogen, ebenso Beobachtungen von 14 Probanden.
Die Studie ergab, dass die Patienten ihren Weg zum Zahnersatz in vier Phasen betrachten:
Zahnverlust: Dies ist die erste Phase, in der die Patienten den physischen Verlust von Zähnen erleben.
Der emotionale Tunnel: In dieser Phase geht es um die emotionale Achterbahnfahrt des Zahnverlusts. Gefühle wie Scham, Wut, Angst, aber auch Hoffnung stehen hier im Vordergrund.
Prothesenhoffnung: Diese Phase steht für die Hoffnung und den Optimismus, den Patienten empfinden, wenn sie Zahnersatz erhalten. Sie erwarten meist, dass sie ihr Aussehen sowie ursprüngliche Kaufähigkeit wiedererlangen.
Prothetischer Kompromiss: In dieser Phase wird eingeräumt, dass man sich an Zahnersatz gewöhnen muss. Die Patienten müssen möglicherweise ihre Erwartungen anpassen und erst erlernen, wie sie mit einer Prothese sprechen und essen können. Sie könnten auch Strategien entwickeln, um sich wohler zu fühlen, wenn sie anderen gegenüber zugeben, dass sie herausnehmbaren Zahnersatz haben.
Die Art und Weise, wie Zahnärzte die Gefühle ihrer Patienten verstehen und mit ihnen umgehen, kann das Empfinden der Patienten beeinflussen. Das Einfühlungsvermögen des Zahnarztes während dieser Eingewöhnungsphase ist entscheidend für den vom Patienten empfundenen Behandlungserfolg.
Die Studie ergab auch, dass das Tragen von herausnehmbarem Zahnersatz für viele eine emotionale Belastung darstellt. Nicht wenige Menschen mit herausnehmbarem Zahnersatz haben das Gefühl, diesen verstecken zu müssen, weil sie sich schämen und befürchten, dass sie sich in der Öffentlichkeit lösen könnten. Einige Patienten vermeiden deshalb auch soziale Situationen.
Emotionen der Patienten wirken sich auf die klinische Interaktion aus
Gefühle wie Verlegenheit oder Scham können den Prozess der Anfertigung und Anpassung von Zahnersatz erheblich beeinträchtigen. Wenn die Prothese dann auch noch nicht richtig sitzt, können alltägliche Aktivitäten wie Sprechen, Essen und Trinken belastend werden und die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen. Die Auswirkungen können so weit gehen, dass sie sich nicht mehr trauen, das Haus zu verlassen.
Die Studie zeigt nicht nur die emotionalen Herausforderungen auf, mit denen die Patienten konfrontiert sind, sondern unterstreicht auch die Notwendigkeit, die Patienten auf emotionaler Ebene zu unterstützen, die Passform der Prothese zu verbessern, die Patienten über die Prothesenpflege aufzuklären und die Scham und das Stigma zu bekämpfen, die mit dem Tragen von Prothesen verbunden sind.
Die Autoren resümieren, dass die „emotionalen Folgen des Zahnverlusts in die Erfahrung der Anpassung einer Prothese einfließen. Diese Emotionen wirken sich auf die klinische Interaktion aus und zeigen, wie die Patienten den Prozess interpretieren. Ein sorgfältiger Umgang mit den Erfahrungen der Patienten durch das zahnärztliche Team, das ihre Emotionen und ihren Weg genau beobachtet, kann positive klinische Ergebnisse ermöglichen.“ [Gibson et al., 2024].
Gibson BJ, Baker SR, Broomhead T, El-Dhuwaib B, Martin N, McKenna G, Alavi A. 'It's like being in a tunnel': Understanding the patient journey from tooth loss to life with removable dentures. J Dent. 2024 Jun;145:104964. doi: 10.1016/j.jdent.2024.104964. Epub 2024 Apr 3. PMID: 38574848.