Jeder Dritte erfährt verbale Angriffe bei der Arbeit
Der Kampf gegen Gewalt bei der Arbeit bleibt eine Herausforderung. Das ist das Fazit der Erhebung aus dem Dezember. Diese zeigte: Rund ein Drittel der abhängig Beschäftigten mit häufigem Kontakt zu Kunden oder Patientinnen hat in den vergangenen zwölf Monaten verbale Übergriffe bei der Arbeit erlebt. Die repräsentative Umfrage führte die forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen im Auftrag des Spitzenverbandes der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), durch.
Besonders betroffen sind das Gesundheits- und Sozialwesen sowie die öffentliche Verwaltung. Hier gab mehr als die Hälfte der Befragten an, von mindestens einem verbalen Übergriff betroffen gewesen zu sein. In den Branchen Verkehr, Handel und Erziehung berichtete mehr als ein Drittel der Befragten davon.
Psychische Gewalt in Form von Beleidigungen dominiert
Zwischen 9.000 und 13.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle pro Jahr gehen auf Gewalteinwirkung zurück. Nach einem Rückgang durch die Corona-Pandemie stieg die Zahl zuletzt wieder an. Die Statistik der gesetzlichen Unfallversicherung zeigt jedoch nur einen Ausschnitt des Geschehens. Meldepflichtig ist ein Arbeitsunfall erst, wenn er zu mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit führt.
Psychische Gewalt wie Beleidigungen oder Bedrohungen werden von der Statistik hingegen häufig nicht erfasst. „Unsere Umfrage macht diese Formen von Gewalt sichtbar“, sagt Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der DGUV. Für ein aktuelles Bild wurden 2.512 zufällig ausgewählte Beschäftigte nach ihren Gewalterfahrungen. Die häufigste Form psychischer Gewalt sind Beleidigungen und Beschimpfungen (32 Prozent). 12 Prozent erleben Spott, Schikanen oder Verleumdung. 7 Prozent gaben an, bedroht oder erpresst worden zu sein, 6 Prozent haben sexualisierte psychische Gewalt erlebt.
Generell berichten Frauen (41 Prozent) häufiger als Männer (32 Prozent) von psychischen oder verbalen Übergriffen. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen betreffen vor allem Beschimpfungen und Beleidigungen sowie Formen von sexualisierter psychischer Gewalt.
Körperliche Übergriffe hingegen kommen deutlich seltener vor. 8 Prozent der Befragten geben an, in den vergangenen zwölf Monaten von physischer Gewalt durch betriebsfremde Personen betroffen gewesen zu sein. Am häufigsten passieren Schubsen, Anspucken sowie Tritte und Schläge. Befragte aus dem Gesundheits- und Sozialwesen gaben deutlich häufiger (22 Prozent) als der Durchschnitt an, körperliche Gewalt erlebt zu haben.
Angeboten zur Prävention und Nachsorge etablieren
Wichtig sei, so Hussy, dass Unternehmen und Einrichtungen deutlich machten, dass sie Gewalt nicht tolerieren. Eine systematische Erfassung von Gewaltvorfällen helfe dabei, Problemstellen zu identifizieren. „Die Umfrage zeigt, dass wir hier noch mehr Bewusstsein schaffen müssen: Nur etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen hat ein Gewaltereignis auch ihrer Führungskraft gemeldet. 12 Prozent haben den Vorfall bei den Behörden angezeigt“, ordnet er die Ergebnisse ein. Führungskräfte sollten daher regelmäßig fragen, ob es Vorfälle gegeben habe.
Wo es häufig zu Gewalt kommt, sollten zudem Vorkehrungen für solche Ereignisse getroffen werden. Ein Teil der Unternehmen und Einrichtungen ergreift hier der Umfrage zufolge bereits Maßnahmen – von Deeskalationstrainings über Notfallpläne bis zu einer betrieblichen psychologischen Erstbetreuung. Rund ein Viertel der Befragten gibt zudem an, dass ihr Arbeitgeber Gewaltvorfälle systematisch erfasse. Im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung sind es sogar ein Drittel.