Vereinigtes Königreich

Kann KI in Großbritannien den NHS retten?

mg
Politik
Mit einem Aktionsplan will die Labour-Regierung Großbritannien weltweit führend im KI-Sektor machen. „Forscher und Innovatoren“ sollen dazu auch anonymisierte Daten aus dem NHS verwenden dürfen.

Der am Montag vorgestellte Aktionsplan sieht eine Intensivierung der KI-Einführung in ganz Großbritannien vor, „um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, Arbeitsplätze für die Zukunft zu schaffen und den Alltag der Menschen zu verbessern“. Premierminister Keir Starmer will dazu die KI-Rechenleistung unter öffentlicher Kontrolle bis 2030 um das 20-fache zu erhöhen und die Technik für alles Mögliche einzusetzen vom Aufspüren von Schlaglöchern bis zur Freistellung von Lehrern für den Unterricht, berichtet der Guardian.

Weiter heißt es, der Plan, der von dem Tech-Investor Matt Clifford verfasst wurde, fordere eine nationale Datenbibliothek, die von Start-ups und Forschern genutzt werden kann, um neue Modelle zu trainieren. Starmer äußerte sich bei der Vorstellung des Aktionsplans expliziter zur Nutzung von NHS-Daten. Es gebe eine „riesige Chance“, die Gesundheitsversorgung zu verbessern, so der Premier laut Guardian. „Ich glaube nicht, dass wir hier eine defensive Haltung einnehmen sollten, die die Art von Durchbrüchen verhindert, die wir brauchen.“

Bereits in der Vergangenheit waren im NHS Patientendaten verwendet worden, um KI-Modelle zur Vorhersage von Erkrankungen wie Hypertonie Bluthochdruck und verschiedenen Augenleiden zu entwickeln.

Bislang haben nur 6 Prozent der NHS-Patienten der Nutzung widersprochen

Zu den möglichen Risiken äußerte sich unter anderem Andrew Duncan, Leiter der Abteilung für Künstliche Intelligenz am Alan Turing Institute im Vereinigten Königreich. Er erklärte, dass selbst anonymisierte Gesundheitsdaten so manipuliert werden können, dass diese mittels „Re-Identifizierung“ einem Patienten zugeordnet werden können.

MedConfidential, eine Organisation, die sich für die Vertraulichkeit im Gesundheitswesen einsetzt, forderte zudem Klarheit darüber, ob der möglicherweise verwendete Gesundheitsdatensatz auch Patienten enthält, die einer solchen Verwendung widersprochen haben. Bislang haben 6 Prozent der NHS-Patienten die Opt-out-Klausel unterzeichnet.

Privatwirtschaft soll Daten auch zu gewinnbringenden Zwecken einsetzen dürfen

Der Plan spricht auch davon, dass öffentliche und private Datensätze „Innovationen durch britische Start-ups“ ermöglichen werden. Der Guardian folgert daraus, „dass private Unternehmen Zugang zu dem Material haben werden“. Regierungsbeamte hätten zudem „nicht ausgeschlossen, dass die Daten für gewinnbringende Zwecke verwendet werden können.“ Formuliert wurde von offizieller Seite nur, dass die nationale Sicherheit, die Privatsphäre sowie ethische Standards und der Datenschutz eingehalten werden.

In der Vergangenheit war das nicht immer der Fall: 2017 wurde etwa eine Partnerschaft zwischen dem NHS und der KI-Abteilung von Google, DeepMind, von der britischen Datenaufsichtsbehörde beanstandet. Damals hatte diese festgestellt, dass das Londoner Royal Free Hospital die personenbezogenen Daten von 1,6 Millionen Patienten weitergegeben hatte, schreibt das Blatt. Die Datenübermittlung war Teil einer Erprobung eines Systems zur Diagnose von akuten Nierenschäden.

„Öffentliches Interesse“ überwiegt juristisch persönliche Datenschutzinteressen

Trotz etwaiger Bedenken hat die britische Regierung vor allem die Chancen im Blick. Starmer führte als Beispiel für den gelungenen KI-Einsatz im NHS eine Technik an, die 2024 schon eingesetzt wurde, um die genaue Lage eines Blutgerinnsels im Gehirn eines Schlaganfallopfers zu bestimmen. Weiter sagte er, perspektivisch könnten Patientendaten mithilfe von KI genutzt werden, um Schlaganfälle in Zukunft „vorherzusagen und zu verhindern“.

KI-Versuche, die von den NHS-Treuhandgesellschaften bisher durchgeführt werden, wiesen ebenfalls auf eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten hin. Sie reichten von der Vorhersage, welche Patienten am ehesten die Notaufnahme aufsuchen, bis hin zur Identifizierung von Menschen mit einem Risiko für Typ-2-Diabetes.

Die juristischen Implikationen des Vorstoßes sind indes noch unklar: Anonymisierte Patientendaten fallen nicht unter die britische Datenschutzverordnung GDPR, was ihre Verwendung rechtlich erleichtert. Sobald die Daten jedoch nicht vollständig anonymisiert sind, erklärt der Guardian, gelten die GDPR und die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht, „was bedeutet, dass für ihre Verwendung die Zustimmung des Patienten erforderlich ist“. Eine Ausnahme gebe es jedoch: Dann, wenn das öffentliche Interesse die persönlichen Datenschutzinteressen des Einzelnen überwiegt.

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