Studie aus Japan zu „Morbus Berger“

Möglicher Zusammenhang zwischen Karies und Nierenläsionen

mg
Medizin
Forschende der Universität Okayama, Japan, haben die virulente Rolle eines oberflächenkollagenbindenden Proteins entdeckt, das bei der IgA-Nephropathie auf Streptococcus mutans exprimiert wird, was einen möglichen Zusammenhang zwischen Zahnkaries und Nierenläsionen hervorhebt.

IgA-Nephropathie oder IgA-Nephritis oder IgA-Nephropathie, früher auch Morbus Berger genannt, ist die häufigste primär chronische Erkrankung der Nierenkörperchen (Glomeruli). Kennzeichnend ist die Ablagerung von Immunglobulin A im Zwischengewebe der Glomeruli. Wichtigstes Symptom ist der Nachweis von roten Blutkörperchen im Urin. Der zugrundeliegende Krankheitsverlauf ist komplex und multifaktoriell, 30 bis 40 Prozent der Patienten entwickeln ein terminales Nierenversagen.

In der Vergangenheit wurden Tonsillitis sowie mit Karies und Parodontitis assoziierte Bakterien mit der Erkrankung in Verbindung gebracht. „Dies ist wahrscheinlich auf den Eintrag des Erregers in den Kreislauf bei invasiven zahnärztlichen Eingriffen zurückzuführen. Streptococcus mutans ist ein solcher bakterieller Karieserreger, von dem bekannt ist, dass er bakterielle Sepsis und infektiöse Endokarditis verursacht“, schreiben die Forschenden.

Darüber hinaus wurde S. mutans, das ein oberflächenkollagenbindendes Protein (Cnm) exprimiert, bei Patienten mit IgAN häufiger gefunden als bei gesunden Personen. Die genaue Rolle bei der IgAN-Entwicklung ist jedoch unklar. Darum versuchte das Forscherteam, die potenzielle virulente Rolle von Cnm aus S. mutans beim Fortschreiten der IgAN-Krankheit aufzudecken.

Studie verfolgt interdisziplinären Ansatz

„Bisher wurden orale Krankheitserreger und Nierenerkrankungen unabhängig voneinander untersucht. Wir konnten über zehn Jahre nützliche Forschungsergebnisse erzielen, indem wir eine Zusammenarbeit zwischen Klinikern und Forschern im Bereich oraler Krankheitserreger und Nierenerkrankungen etabliert haben“, sagt Studienleiter Dr. Shuhei Naka. Das Team hatte zuvor bereits gezeigt, dass die Injektion eines Cnm-exprimierenden S. mutans-Stammes bei Ratten die Bildung von IgA-ähnlichen Nierenläsionen nach intensiver Karies und Simulation invasiver Zahnprozesse induziert.

Für ihre Folgeuntersuchung injizierten sie Ratten intravenös einen Cnm-positiven Stamm von S. mutans, der aus der Mundhöhle eines Patienten mit schwerer IgAN isoliert worden war, einen Cnm-defizienten Stamm, einen Komplementationsstamm (mit einer ähnlichen genetischen Zusammensetzung wie Cnm-positiv) und rekombinantes Cnm-Protein ([rCnm], eine genetisch veränderte Variante). Anschließend untersuchten sie die klinischen Merkmale der IgAN, das heißt Proteinurie (Vorhandensein von Protein im Urin), Hämaturie (Vorhandensein von Blut im Urin) und die Nierenfunktion der Tiere.

Bakterien lösen im frühen Krankheitsstadium eine Hämaturie aus

Während sich die Proteinurie und die Nierenfunktion bei den Versuchstieren nicht veränderten, war die Hämaturie bei den Cnm-positiven, den Cnm-Komplementierungsgruppen und den rCnm-Gruppen im Vergleich zu den negativen Kontrollen signifikant höher. Dieser Befund deutet darauf hin, dass das Cnm-Protein oder Cnm-exprimierende S. mutans in den frühen Stadien der IgAN eine Hämaturie auslösen können.

Anschließend untersuchten die Wissenschaftler gefärbte Gewebeschnitte von Nieren, die von den behandelten Tieren isoliert worden waren. Die Proliferation von Mesangialzellen und -matrix (Zelltypen im Nierengewebe, die bei IgAN in der als Mesangialmatrix bekannten Stützsubstanz verändert sind) war in den Cnm-positiven und rCnm-Gruppen im Vergleich zu den Cnm-negativen Gruppen deutlich höher. Darüber hinaus zeigten Gewebeschnitte von Cnm-positiven Ratten höhere Ablagerungen von IgA, Komplement C3 und IgG (ein auffälliges Merkmal der IgAN) in der Mesangialregion des Glomerulus.

Präventive Zahnmedizin könnte womöglich IgAN lindern

Die Forscher beobachteten auch Cnm-Protein in der Mesangialregion – ein weiteres charakteristisches Merkmal von IgAN – bei Tieren, denen rCnm injiziert wurde. Da sowohl Cnm-exprimierende S. mutans als auch rCnm eine IgA-ähnliche Nephropathie auslösen, könnte das Cnm-Protein an sich eine pathogene Rolle bei der Entwicklung von IgAN spielen.

Sie betonen, dass die Menge des Cnm-Proteins in einem Milligramm Plaque der Menge entspricht, die im Rattenmodell injiziert wurde. Daher können invasive zahnärztliche Eingriffe, die das Eindringen von Cnm-exprimierenden S. mutans ermöglichen, eine IgAN-ähnliche Nephropathie auslösen. Außerdem kann die Ablagerung von Cnm unabhängig oder in Kombination mit IgA und/oder IgG zur Entwicklung einer IgAN beitragen.

Zu den langfristigen Auswirkungen dieser Ergebnisse sagt Naka: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Zustand der Nieren durch die Reduzierung kariöser Bakterien durch einen präventiven zahnmedizinischen Ansatz bei Patienten mit IgAN verbessert werden kann. Wir wollen dieses Projekt weiter vorantreiben und Ergebnisse erzielen, die auf den klinischen Alltag übertragen werden können.“

Naka S, Matsuoka D, Misaki T. et al., Contribution of collagen-binding protein Cnm of Streptococcus mutans to induced IgA nephropathy-like nephritis in rats. Commun Biol. 2024 Sep 14;7(1):1141. doi: 10.1038/s42003-024-06826-x. PMID: 39277690; PMCID: PMC11401903.

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