Mundgesundheit ist „signifikanter“ Demenz-Risikofaktor!
Im vergangenen Jahr hatten mehr als zwei Dutzend Wissenschaftler aus aller Welt einen hohen Cholesterinspiegel und Sehkraftverlust als neue Risikofaktoren für Demenz ausgemacht. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie im August in der Fachzeitschrift „The Lancet“, um ihren Schlussfolgerungen Nachdruck zu verleihen. Der Bericht machte international Schlagzeilen.
Der Faktor Mundgesundheit wird übersehen
Bei Wu, Professorin für globale Gesundheit und stellvertretende Forschungsdekanin am Rory Meyers College of Nursing der New York University, leitet seit Anfang der 2000er Jahre staatlich finanzierte Forschungen, die den Abbau kognitiver Fähigkeiten, darunter Demenz, mit der Mundgesundheit in Zusammenhang bringen. Sie fordert, die Mundgesundheit als Risikofaktor mit einzubeziehen.
„Obwohl der Bericht wertvolle Erkenntnisse bietet, glauben wir, dass er die wesentliche Rolle der Mundgesundheit bei dem Demenzrisiko übersieht“, schrieb Wu in einem am 20. Februar in The Lancet veröffentlichten Brief.
Enger Fokus und eingeschränkte Auswahl
Der enge Fokus der Kommission auf Zahnerkrankungen als potenziellen Risikofaktor werde der Komplexität von Mundgesundheitsproblemen nicht gerecht. „Obwohl die Autoren behaupten, die beste Evidenz anhand der neuesten Literatur zusammenzufassen, zitierten sie bei ihrer Diskussion über Mundgesundheit nur zwei Studien. Diese eingeschränkte Auswahl spiegelt nicht die Fülle der neuen Belege wider“, stellte sie in ihrem Schreiben fest.
Zahlreiche Längsschnittkohorten aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, darunter aus den USA, Japan, Großbritannien, Schweden und China, belegten den Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und kognitiven Beeinträchtigungen oder Demenz.
„Unsere Metaanalyse von 14 Längsschnittstudien (34.074 Erwachsene im Alter von 60 Jahren und älter) ergab eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: Jeder zusätzliche fehlende Zahn war mit einem 1,4 Prozent erhöhten Risiko für kognitive Beeinträchtigungen und einem 1,1 Prozent erhöhten Risiko einer Demenzdiagnose verbunden“, führte sie aus. „Darüber hinaus vereinfacht die ausschließliche Kategorisierung von Zahnerkrankungen unter Infektionen und systemischen Entzündungen die komplexen Mechanismen, die die Mundgesundheit mit dem Demenzrisiko verbinden.“
Schlechte Mundgesundheit verdreifacht das Demenzrisiko
„Wir haben festgestellt, dass eine schlechte Mundgesundheit das Demenzrisiko im Vergleich zu Diabetes oder Bluthochdruck fast verdreifacht“, sagte Xiang Qi, PhD, RN, Assistenzprofessor am NYU Rory Meyers College of Nursing. Qi, der den Brief gemeinsam mit Wu verfasst hat.
Obwohl die Verfasser die Notwendigkeit weiterer langfristiger, qualitativ hochwertiger, randomisierter, kontrollierter Studien anerkennen, sind sie der Ansicht, dass die vorhandenen Beweise in künftigen Berichten einer gründlicheren Überprüfung bedürfen.
„Wir ermutigen die Kommission, eine umfassende Untersuchung der Beziehung zwischen Mundgesundheitsproblemen und Demenzrisiko in Betracht zu ziehen und dies möglicherweise als vielversprechenden Bereich für die Forschung zur Demenzprävention, -intervention und -pflege hervorzuheben“, fordern sie abschließend.
Schon 2002 hatte Wu in ihrer Arbeit gezeigt, dass kognitiver Abbau mit der Mundgesundheit zusammenhängt, obwohl es zu früh war, um eine eindeutige Verbindung zu Demenz herzustellen. In der Dezemberausgabe des American Journal of Public Health von 2007 veröffentlichte sie bereits den Beitrag „Cognitive Function and Dental Care Utilization Among Community-Dwelling Older Adults". „Das Thema war damals so neu“, erinnert sie sich heute.
14 Risikofaktoren für Demenz
Der Bericht von 2024 identifizierte Hörverlust, Bluthochdruck, Fettleibigkeit, übermäßigen Alkoholkonsum, Rauchen, Depression, körperliche Inaktivität, Diabetes, soziale Isolation, Luftverschmutzung, traumatische Hirnverletzungen, hohen Cholesterinspiegel und Sehverlust als Demenzrisikofaktoren, wobei einige Risikofaktoren jedoch schwerwiegender sind als andere. Nimmt man orale Erkrankungen hinzu, kommt man auf 14 Risikofaktoren.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird sich die Zahl der Demenzkranken aufgrund der alternden Weltbevölkerung bis 2050 verdreifachen: von 50 Millionen auf 152 Millionen.
1. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing CommissionLivingston, Gill et al.The Lancet, Volume 404, Issue 10452, 572 - 628
2. Reflections on The Lancet's Commission on dementia prevention, intervention, and careQi, Xiang et al.The Lancet, Volume 405, Issue 10479, 625