Reinhardt: "Wir müssen Lehren aus der Pandemie ziehen!"
Reinhardt: „Eine der wichtigsten Lehren aus der Pandemie muss deshalb sein, leistungsstarke Strukturen unseres Gesundheitswesens zu sichern, statt sie auszudünnen und auf reine Kosteneffizienz zu trimmen.“ Es gehe um Menschen und nicht um Margen.
Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Grußwort allen Ärzten und Gesundheitsfachkräften für ihr großes Engagement bei der Pandemiebekämpfung gedankt. Ausdrücklich hob sie deren „Inspiration und Motivation“ hervor.
Vor allem das Pandemiemanagement muss krisenfest sein
Für Reinhardt ist vor allem das Pandemiemanagement verbesserungswürdig und muss krisenfest gemacht werden. Bei einer zweiten möglichen Pandemie dürfe das System nicht wieder so unvorbereitet sein wie es jetzt war, erklärte er. Dazu gehöre die feste Einrichtung von Krisenstäben oder regelmäßige Übungen und vernetzte, bundesweite Meldestrukturen. Die vergangenen Monate hätten Defizite in der Organisation des Gesundheitswesens gezeigt.
KBV-Vertreterversammlung
Im Vorfeld des Deutschen Ärztetages fand gestern die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) statt. Hier stellte die KBV ihr Zukunftskonzept für die nächsten fünf Jahre vor. Das Konzeptpapier „KBV 2025 Strukturen bedarfsgerecht anpassen – Digitalisierung sinnvoll nutzen“ enthält die Themen und Herausforderungen, die auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie die Krankenkassen in Zukunft zukommen und Lösungen erfordern.
Die KBV schlägt den Ausbau der ambulanten Strukturen, den Aufbau von intersektoralen Gesundheitszentren (IGZ), die Ausweitung ärztlicher Steuerungselemente sowie Anpassungen bei den Digitalisierungsinitiativen als Maßnahmen vor. So will die KBV beispielsweise die bisherigen Dienste der Termin- und Serviceplattform 116117 weiter ausbauen. Ziel sei eine umfassende, auch sektorenübergreifend nutzbare Plattform, die es möglich macht, dass ePA-Dokumente für Patienten bürokratiearm verfügbar sind. Darüber hinaus sollen digitale Dienste zum Nutzen der Patienten und Ärzte entwickelt werden, die die Terminorganisation vereinfachen und Versorgungsprozesse unterstützen.
Reinhardt forderte eine strukturell und personell bessere Ausstattung des ÖGD. Er begrüßte, dass Bund und Länder hier umsteuern wollen. „Es ist dem großen persönlichen Engagement der Mitarbeiter zu verdanken, dass die Gesundheitsämter trotz unzureichender personeller und technischer Ausstattung ihren vielfältigen Aufgaben in dieser Krise weitgehend nachkommen konnten“, so Reinhardt.
Der ÖGD braucht dringend mehr Personal
Neben einer modernen technischen Ausstattung des ÖGD, etwa zur effizienteren Kontaktnachverfolgung und zur besseren Koordination der Ämter untereinander sowie mit Praxen und Kliniken, werde dringend mehr Personal gebraucht. Dafür sei eine tariflich gesicherte, arztspezifische Vergütung für die Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern grundlegend, forderte er.
Notwendig seien darüber hinaus eine bundesweit abgestimmte Klinikplanung und mehr länderübergreifende Kooperationen. „Wir müssen den steigenden Personalbedarf sowie Reservekapazitäten für Notfälle viel stärker als bisher in der Krankenhausplanung und bei der Krankenhausfinanzierung berücksichtigen“, so Reinhardt.
Eine moderne Krankenhausplanung müsse mehr kooperative Versorgungskonzepte, die Möglichkeiten der belegärztlichen beziehungsweise der sektorenübergreifenden Versorgung berücksichtigen. Nicht jedes Krankenhaus müsse jede Behandlung anbieten. Sinnvoll sei ein abgestuftes, subsidiär strukturiertes Netz einander ergänzender Kliniken.
Nachholbedarf besteht auch bei der Digitalisierung
Nachholbedarf diagnostizierte Reinhardt auch bei der Digitalisierung. So sei in den letzten Monaten das Potenzial von Telemedizin und Videosprechstunden als Ergänzung zu herkömmlichen Versorgungsformen deutlich geworden. Die Pandemie habe aber auch gezeigt, wie weit einzelne Bereiche des Gesundheitswesens von einem sinnvollen, bedarfsgerechten und standardisierten Informationsfluss in den medizinischen Versorgungsprozessen entfernt seien. Reinhardt warnte gleichzeitig vor einer Digitalisierung als reinem Selbstzweck. Sie müsse sich in erster Linie an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientieren.
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