Unternehmen glauben nicht ans Bürokratieentlastungsgesetz
Obwohl das Gesetz zum Ziel hat, die Bürokratiekosten um fast eine Milliarde Euro pro Jahr zu senken, rechnen nur zehn Prozent der befragten Unternehmen mit einer deutlichen Reduzierung ihres bürokratischen Aufwands. Besonders wenig verspricht man sich davon im Verarbeitenden Gewerbe, im Gesundheitswesen, im Baugewerbe und im Handel.
Das Bürokratieentlastungsgesetz
Am 26. September hat der Bundestag das Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) verabschiedet. Das Gesetz soll die wirtschaftlichen Standortfaktoren in Deutschland verbessern und Investitionen fördern. Zu den zentralen Maßnahmen gehören die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre, die Digitalisierung von Steuerbescheiden sowie der Abbau von Melde- und Informationspflichten. Zusätzlich sollen Schriftformerfordernisse herabgestuft werden, um bei digitalisierten Prozessen auf die Unterschrift auf Papier verzichten zu können.
So zeigen die Daten des GBP, dass 69 Prozent der befragten Unternehmen davon ausgehen, dass das Gesetzesvorhaben nur geringe oder sehr geringe Auswirkungen auf ihre bürokratische Belastung haben wird. Nur zehn Prozent erwarten eine spürbare Erleichterung.
Dabei sieht ein Großteil der Unternehmen die Hauptursache für ihre Bürokratiebelastung weniger in den Gesetzen selbst, als vielmehr in deren Umsetzung durch staatliche Behörden. Über 57 Prozent der Befragten sagen, dass Bürokratie gleichermaßen durch gesetzliche Vorgaben und durch die Interaktion mit Behörden entsteht. Über ein Fünftel geben sogar an, dass die Bürokratie vorrangig durch die Interaktion mit Behörden entsteht und weniger durch die Regelungen selbst. Besonders beklagt werden mehrfache Dateneingaben, die mangelnde Vernetzung von Behörden, der Digitalisierungsrückstand sowie lange Verwaltungsverfahren.
Die Gesetze sind weniger das Problem, aber der Beamtenapparat ...
Eine weitere wesentliche bürokratische Belastung sehen die Unternehmen bei den Steuern und Sozialabgaben. Gut die Hälfte der Unternehmen nennen Steuern sogar als Hauptursache und über zwei Drittel zählen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Sozialversicherungen zu den drei wichtigsten Bereichen, die Bürokratie verursachen. Innerhalb der steuerlichen Verpflichtungen gehören die Gewerbesteuer (62,2 Prozent) und die Umsatzsteuer (60 Prozent) zu den Bürokratietreibern.
Auch die kürzliche Ausweitung von Berichtspflichten im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hat den administrativen Aufwand für Unternehmen in Deutschland verstärkt. Trotz gewisser Größengrenzen treffen diese Dokumentationspflichten häufig auch kleinere Betriebe, etwa wenn sie Daten in der Lieferkette weitergeben müssen: 30 Prozent der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden, die direkt dem LkSG unterliegen, sehen darin eine bürokratische Hürde. Für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden sind es sogar 35 Prozent.
Die Folgen der bürokratischen Belastungen zeigen sich in den Investitionsentscheidungen: 56,4 Prozent der Unternehmen gaben an, in den letzten zwei Jahren geplante Investitionen aus diesem Grund gestrichen zu haben. Bei Unternehmen, die Bürokratie durch Lieferkettenvorschriften beklagen, sind es sogar 65 Prozent.
Knapp ein Viertel der betroffenen Unternehmen hat deshalb Projekte ins Ausland verlagert. Bei den Unternehmen, die in diesem Bereich keine Belastungen spüren, sind es nur 10,4 Prozent.
Der Formularkram befeuert den Fachkräftemangel
Bürokratische Hürden wirken sich letztlich nicht nur auf Investitionen, sondern auch auf Personalentscheidungen aus. Im Durchschnitt geben 61,5 Prozent der Befragten an, dass sie in den letzten zwei Jahren zusätzliche Personal- oder Beratungsressourcen aufgrund von Bürokratie eingesetzt haben. Im Kerngeschäft haben dagegen rund 46 Prozent der Unternehmen aufgrund des bürokratischen Aufwands auf die Einstellung benötigter Fachkräfte verzichtet. Dieser Effekt ist bei größeren Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden noch ausgeprägter.
Dem Panel zufolge schätzen Unternehmerinnen und Unternehmen, dass ihnen durch unnötige bürokratische Anforderungen im Durchschnitt rund 16,9 Prozent ihres potenziellen Gewinns entgehen. Unternehmen, die den Umgang mit Behörden als Hauptursache für Bürokratie ansehen, beziffern diesen Verlust sogar auf 19,6 Prozent.
„Ein deutlicher Abbau staatlicher Bürokratie hat das Potenzial, die deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln und Unternehmensgewinne zu steigern,“ betont Projektleiter Prof. Dr. Philipp Dörrenberg von der Universität Mannheim. „Trotz gesetzgeberischer Bemühungen stellt der bürokratische Aufwand für viele Unternehmen in Deutschland nach wie vor eine erhebliche Hürde dar. Vor allem der Umgang mit Behörden stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. Ohne eine umfassende Reform dieser Prozesse ist der Erfolg des Bürokratieabbaus aus Sicht vieler Unternehmen begrenzt.“
Das German Business Panel befragt monatlich mehr als 800 Unternehmen und seit März 2024 mehr als 250 Wissenschaftler*innen zur Unternehmenslage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitionsänderungen, 2) unternehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Schließungsrate in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik.