Welche Chancen hat ein 9. Gesundheitsziel?
Halbzeit der Legislaturperiode – und die geplante Neuauflage des Präventionsgesetzes lässt weiterhin auf sich warten, rügten die Akteure auf dem Forum Zahn- und Mundgesundheit (FZM) gestern Abend in Berlin. Und forderten, dass neben der Alterszahngesundheit die Zahn- und Mundgesundheit aller Erwachsener in einer Gesetzesnovelle als 9. Gesundheitsziel verankert wird. Zahn- und Mundgesundheit müsse präventiv für alle Altersgruppen angegangen werden.
Die Neuauflage lässt lange auf sich warten
Doch wann die Gesetzesnovelle kommen soll, steht offen. Fest steht, dass die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmenpakete angekündigt hatte, zum Beispiel in den Bereichen Alterszahngesundheit, Diabetes, oder bei der Vorbeugung von klima- und umweltbedingten Gesundheitsschäden. „Die Neuauflage lässt lange auf sich warten,“ kritisierte Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Vorsitzender des Forums. Gerade die Mundgesundheit Älterer liege der Zahnärzteschaft sehr am Herzen. Und mit Prävention lasse sich hier viel erreichen. „Prävention“, so Benz, „ist der Kampf gegen den inneren Schweinehund - ein Leben lang!“ Und gerade mit Maßnahmen in den Lebenswelten der Menschen, so etwa am Arbeitsplatz, lasse sich das Thema verstetigen. Benz verwies auch auf den Stellenwert des Themas aus internationaler Sicht. So habe etwa die WHO Ende Mai einen Aktionsplan mit einer globalen Strategie für Mundgesundheit verankert – ein wichtiger Schritt zur Integration der Mundgesundheit in die bestehenden WHO-Programme zu nicht übertragbaren Erkrankungen.
Um dem Ziel näherzukommen, die Zahn- und Mundgesundheit als neuntes Gesundheitsziel zu verankern, benötigt das Forum Unterstützung aus Politik und von weiteren Partnern. Das Forum wurde 2012 unter Beteiligung von Wissenschaft, Fachverbänden, Politik und Wirtschaft gegründet. Es wurde als partei- und fächerübergreifende Informationsplattform angelegt, um den Stellenwert von Zahn- und Mundgesundheit in Deutschland zu erhöhen und ihm auch eine politische Dimension zu verleihen.
Vor diesem Hintergrund war auch Christine Aschenberg-Dugnus, MdB, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, eingeladen. Zahn- und Mundgesundheit sei nicht nur entscheidend für die Lebensqualität der Menschen, sondern trage auch wesentlich zur allgemeinen Gesunderhaltung bei, betonte sie. Sie verwies auf die kürzlich von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigten Pläne zur Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies reiche nicht aus, dem ersten Aufschlag sollten weitere Indikationen folgen. So gelte auch die Zahnmedizin aus ihrer Sicht als wichtiger Baustein für Prävention. Gerade die PAR-Behandlung spiele hier eine wichtige Rolle.
Der Berichterstatter für den Bereich Zahnmedizin der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Herbert Wollmann, MdB, wies darauf hin, dass das Präventionsgesetz im Vorhalteplan der Regierung aufgenommen sei. „Doch muss Prävention immer gleich große Gesetze haben?“, gab er zu bedenken. Wichtig sei auch, den Menschen nahezubringen, was sie selbst für ihre Gesundheit tun könnten. Das Ansinnen eines 9. Gesundheitsziels für Zahn- und Mundgesundheit hielt er für unterstützenswert. Hier könnte man auf den Minister einwirken, meinte er.
Vertiefende Aspekte ergaben sich auf der Paneldiskussion, moderiert vom BZÄK-Präsidenten. Neben den beiden Abgeordneten nahmen Dr. Regina Görner, Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) und Raoul Machalet, Leiter im Vertrieb der Fonds soziale Sicherung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), daran teil. Görner betonte, die Profiteure von Prävention seien oft nicht identisch mit denen, die die Kosten dafür tragen. Es habe noch niemand einen Weg gefunden, dieses Dilemma zu lösen. Aus Sicht der BAGSO sei wichtig, über Konstruktionen im Gesundheitswesen zu reden. „Unser Gesundheitswesen braucht, dass es vom Menschen her gedacht wird und nicht von der Steuerung her.“ Görner, die auch mehrere Jahre Gesundheitsministerin im Saarland (CDU) war, unterstrich, dass die Politik oft Zusammenhänge im Gesundheitswesen nicht richtig im Blick habe. „Die Kontinuität für sinnvolle Projekte fehlt,“ sagte sie.
Machelet berichtete aus seiner Gewerkschaftsarbeit. Die EVG habe im Blick, wie sie die Gesundheit der Mitarbeitenden fördern kann. Er berichtete von einem Projekt, den Mitgliedern das Präventionsangebot einer PZR anzubieten. Die Mitglieder hätten auch Interesse bekundet. Jedoch habe sich gezeigt, dass die Leistung hätte versteuert werden müssen, hier sei ein Steuerfreibetrag sinnvoll gewesen, kritisierte er.