Weniger Gips – mehr digital
Für das im Studium vermittelte Grundwissen im Fachbereich Kieferorthopädie sind im Lehrplan an den Universitäten nur wenige feste Zeiten vorgesehen. Mit dem nun anlaufenden Projekt „Virtuelle kieferorthopädische Patienten“ will die Uni Uln den Studierenden eine digitale Ergänzung der Lehre für das Training außerhalb der klinischen Kurse anbieten.
Konkret plant die Klinik für Kieferorthopädie und Orthodontie unter der Leitung von Prof. Bernd Lapatki ein webbasiertes E-Learning-System mit einer größeren Zahl kieferorthopädischer Fallbeispielen mit unterschiedlichen Problemstellungen. Damit können die Studierenden komplett eigenständig und ortsunabhängig die Anamnese und Befunde von Patienten screenen, an Röntgenbildern und 3-D-Scans Messungen vornehmen sowie einen Therapieplan erstellen.
Das System soll nicht nur alle digitalen Befunde und Diagnosen aus dem Alltag der Zahnklinik integrieren, sondern den Studierenden anhand von Autorenlösungen auch ein direktes Feedback zu ihren Ergebnissen liefern und zudem didaktische Elemente enthalten.
Vorbei: das Anfertigen zwei Dutzend Gipsmodellen pro Patientenbeispiel
Für die Lehrenden hat eine komplett digitale Vorgehensweise mehrere Vorteile: Durch die digitalen 3D-Aufnahmen von Kiefern entfällt beispielsweise das zeit- und kostenintensive Anfertigen von über zwei Dutzend Gipsmodellen der Kiefer pro Patientenbeispiel.
Aktuell ist es Lapatki zufolge außerdem extrem aufwendig, die ärztlich erfassten Informationen händisch in eine virtuelle Maske zu überführen. Deshalb sei für digitale Auswertungen derzeit nur ein kleiner Pool mit Patientendaten vorhanden. Im Rahmen des Projekts sollen dann Schnittstellen zwischen den in der Zahnklinik routinemäßig bei allen Patienten erhobenen digitalen Daten und dem E-Learning-System implementiert werden und die Daten aus den Anamnese- und Befundbögen aller Behandelten automatisch für die Lehre verfügbar sein.
die Patienten profitieren von der Visualisierung in 3-D
Wenn in Zukunft bei der kieferorthopädischen Behandlung die oft unangenehmen Abformungen mittels Abdruckmasse durch ein berührungsloses Erfassen der Zahnbögen mit einem Intraoralscanner ersetzt werden, sind die zukünftigen Zahnärztinnen und Zahnärzte darin bereits umfassend geschult. Zugleich hilft es den Behandelten, das Vorgehen besser zu verstehen, da der Verlauf und das Ergebnis einer kieferorthopädischen Behandlung digital in 3-D visualisiert werden.
Ziel ist letztlich, die kieferorthopädische Diagnostik und Therapieplanung zeit- und ortsungebunden zu vertiefen und zu trainieren, auch die entsprechenden Kompetenzen der Studierenden zu verbessern, was sich langfristig auch auf die Qualität der Patientenbetreuung auswirkt.
Gefördert wird das Programm mit 285.000 Euro
Bereits im Sommersemester 2023 sollen – nach einer Pilotphase – die virtuellen kieferorthopädischen Patienten im Zahnmedizinstudium an der Universität Ulm eingesetzt werden. Gefördert wird das Projekt mit insgesamt rund 285.000 Euro über das „Freiraum 2022“-Programm der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.