Zum Internationalen „World Brain Day“

Wie Zucker zum „Demenztreiber“ wird

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Gesellschaft
Ein hoher Blutzuckerspiegel schädigt die Hirngefäße, verursacht Ablagerungen an den Gefäßwänden, drosselt die Versorgung der Gehirnzellen und kann letztendlich zu einer vaskulären Demenz führen.

Der „World Brain Day“ am 22. Juli setzt den Fokus auf die Prävention von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Demenz, Schlaganfall oder Migräne: 40 Prozent aller Demenzfälle und 90 Prozent aller Schlaganfälle wären vermeidbar, viele davon stehen in Zusammenhang mit Industriezucker. Der Zuckerkonsum spielt also eine zentrale Rolle. Viel Zucker schädigt der Hirngesundheit. Darauf weisen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Hirnstiftung hin.

Auch Zucker zählt zu den „neurotoxischen“ Substanzen

Zu den wichtigen Präventionsmaßnahmen zur Gesunderhaltung des Gehirns zählen bekanntlich ein gesunder, aktiver Lebensstil mit ausreichend Bewegung und Schlaf sowie die Vermeidung von schädlichen Substanzen wie Alkohol, Nikotin oder anderer Drogen und Schadstoffe, so die DGN. Auch Zucker zählt zu den „neurotoxischen“ Substanzen, und die Deutschen essen zu viel davon.

So lag der Zucker-Pro-Kopf-Verbrauch hier im Land 2021/22 bei 33,2 Kilogramm und damit nahezu doppelt so hoch wie empfohlen. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) sollten maximal zehn Prozent der Energie aus Zucker stammen. Bei 2.000 Kilokalorien (durchschnittlicher Kalorienbedarf pro Tag) sind das 50 Gramm pro Tag, also 18 Kilogramm im Jahr. Dazu zählt nicht nur der zugesetzte Zucker, sondern auch der natürlich enthaltene in Früchten, Honig oder Säften.

Was macht Zucker im Gehirn? Zum einen schädigen hohe Blutzuckerspiegel die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden, die die Gefäße verengen und die Blutzufuhr und damit die Versorgung der Gehirnzellen mit Nährstoffen drosseln. Das kann zu verschiedenen Einschränkungen führen – je nachdem welcher Teil des Gehirns „unterversorgt“ ist – und am Ende sogar eine vaskuläre Demenz nach sich ziehen.

Die vaskuläre Demenz ist nach der Alzheimer-Form die häufigste Ursache einer Demenz. In Deutschland erkranken jährlich etwa 250.000 Menschen an einer Demenz, davon 15 bis 25 Prozent an einer solchen gefäßbedingten Demenz. Das sind allein zwischen 40.000 und 60.000 neu Erkrankte pro Jahr.

Hinzu kommt, dass komplexe Zuckermoleküle im Gehirn, sogenannte Glykosaminoglykane, auch direkt die Kognition einschränken können. Sie beeinträchtigen die Funktion der Synapsen, den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen, und somit die neuronale Plastizität. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit von Nervenzellen und Gehirnarealen, sich anzupassen und bei Bedarf zu erweitern, eine wichtige Eigenschaft für die kognitive Entwicklung und das Lernen. Das zeigten experimentelle Daten, die im letzten Jahr auf dem Kongress der „American Chemical Society“ vorgestellt wurden.

Außerdem gibt es noch eine indirekte hirnschädigende Wirkung von zu hohem Zuckerkonsum auf das Gehirn, via Diabetes mellitus. Seit den 90iger Jahren ist bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko aufweisen, und es wird angenommen, dass der Glukose-Stoffwechsel auch in den Neuronen gestört ist und so zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beiträgt, da auch Insulin bei der Entstehung der Alzheimerplaques eine Rolle spielt.

Warum es selten bei einem Stückchen Schokolade bleibt

Die DGN und die Deutsche Hirnstiftung raten zu einem bewussten, möglichst geringen Zuckerkonsum. Das fällt vielen Menschen schwer und die Gründe dafür sind ebenfalls im Gehirn zu verorten. So konnte man nachweisen, dass schon nach einer kleinen „Dosis“ Zucker der Darm über den Vagusnerv Signale an das Gehirn sendet und dort ein starkes Verlangen nach weiterem Zuckerkonsum auslöst. Daher bleibt es selten bei einem Stückchen Schokolade.

„Außerdem wird bei Zuckerkonsum im Gehirn Dopamin ausgeschüttet, ein ‚Wohlfühlhormon‘, was dazu führt, dass man immer mehr davon haben möchte. „Es ist sinnvoll, durch weitgehenden Verzicht auf Zucker diesem Teufelskreis zu entgehen“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär und Pressesprecher der DGN. „Die Anstrengung lohnt sich, allein 40 Prozent aller Demenzfälle und 90 Prozent aller Schlaganfälle sind vermeidbar und viele von ihnen gehen auf das Konto von Industriezucker.“ Gemeinsam mit der Deutsche Hirnstiftung unterstützt die DGN die Forderung, Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke zu erheben.

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