„Wir haben versucht, die alten Strukturen in die Neuzeit zu bringen“
Warum haben Sie sich für eine Praxisübernahme entschieden?
Dr. Alexander Sieprath: Wir haben direkt eine bestehende Praxis gesucht, die in möglichst vielen Aspekten unseren Vorstellungen entspricht. Das heißt, neben dem Standort war uns ein vergleichbares Behandlungsspektrum nach unseren Tätigkeitsschwerpunkten wichtig. Und ganz ehrlich, in Zeiten von Fachkräftemangel auch, dass wir bereits ein Team in der Praxis haben. Das im Kölner Zentrum neu zu akquirieren ist denkbar schwierig, zumal wir niemals von Kollegen abwerben wollten. Die Praxismanagerin zum Beispiel ist seit 40 Jahren hier. Patienten kennen sie als „die gute Seele“ der alten Praxis. Ebenso wie viele der anderen Mitarbeiterinnen und nicht zuletzt auch einen der Ex-Praxischefs. Das hilft enorm, wenn man sich als neue Behandler vorstellt und baut Skepsis ab.
Auch die Mitnahme des Patientenstamms ist ein klarer Vorteil gegenüber einer Neugründung. Wir haben vor gut drei Jahren angefangen uns umzuschauen. Da wir beide zufrieden waren in unserer Anstellung, hatten wir keinen inneren Druck, auch nicht monetär. Aber wir hatten auch beide seit dem Studium die Vision, irgendwann mal unser eigenes Ding zu machen – mit der Gestaltung und der Behandlungsstruktur nach unseren Vorstellungen, fernab von Vorgaben wie das Füllmaterial im Kleinen oder die Durchführung komplexerer Implantationen im Großen. Das war in der Anstellung eben vorgeben.
Das sind also die Vorteile Ihrer Übernahme. Was sind denn die Nachteile gewesen?
Hendrik Laber: Uns war bewusst, wenn wir das Team und auch die Patienten mitnehmen wollen, dürfen wir sie nicht mit zu drastischen Veränderungen verschrecken. Die Renovierung lief also langsam Step by Step und hat somit schon auch störend im laufenden Betrieb gewirkt. Das war uns vorher nicht klar. Außerdem mussten wir die Digitalisierung der Praxis massiv aufrüsten. Nicht jedem im Team fiel das so leicht. Wir haben erstmal PCs in die Behandlungszimmer gestellt. Vorher gab es nur Karteikarten.
Was hat dazu beigetragen, dass die Übernahme so gut gelingen konnte?
Sieprath: Beide Seiten waren von Beginn an sehr transparent und klar. Wir mit dem, was wir suchen, und die Abgeber mit der wirtschaftlichen Situation der Praxis. Wir haben Einblicke in die BWA und sogar in die Bestellbücher bekommen. Somit konnten wir ein Gefühl dafür entwickeln, was wir da übernehmen und mussten nicht „die Katze im Sack“ kaufen. Das kann passieren, wenn keine Klarheit herrscht und Erwartungen dann in der Realität zerschellen. In unserem Fall war es möglich, relativ authentisch zu kalkulieren, da wir die bestehenden Größen kannten. Letztendlich war es aber auch einfach ein glücklicher Zufall.
Laber: Hilfreich war auch, dass der eine der Praxisbetreiber noch bei uns arbeitet. So haben die Stammpatienten auch noch ein bekanntes Gesicht. Er ist sozusagen unser „Patientenbinder“. Das unterstützt die Akzeptanz und gibt Sicherheit bei all den Veränderungen. Außerdem hatten beide Seiten keine Vorbehalte einander gegenüber.
Was würden Sie anderen Übernehmern raten?
Sieprath: Schaut in die Bücher und versucht einen möglichst transparenten Einblick in die wirtschaftliche Lage der Praxis zu erhalten. So kann realistischer kalkuliert werden. Professionelle Unterstützung bieten ein Anwalt und ein Steuerberater. Wir raten hier zu Profis. Klärt ab, ob und inwieweit das Behandlungsspektrum der Vorgänger mit eurem eigenen übereinstimmt, damit möglichst viele Patienten aus dem Stamm weiter umfassend versorgt werden können. Dann müssen sie nicht weggeschickt werden. Kurz: Was könnte und wollt ihr bedienen in dieser Praxis?
Laber: Sobald das Übernahme-Szenario konkreter wird, würden wir auf jeden Fall empfehlen, bald das Team kennenzulernen. Wir haben jeden im Einzelgespräch getroffen, ihm versichert, dass er zu den bestehenden Konditionen weiterarbeiten kann und dass wir in der Struktur nicht viel verändern wollen. Das nimmt die Unsicherheit und baut falsche Vorstellungen ab, die mit einer neuen Führung oftmals ins Haus wehen. Plant Veränderungen nach und nach, damit alle mitkommen können.
Welche Dinge haben Sie erst hinterher erkannt?
Sieprath: Der Anfang ist sehr intensiv. Es hat dann doch ein Jahr gedauert mit viel investierter Zeit, bis alles so lief wie gewünscht. Das hatte ich unterschätzt oder keine Vorstellung. Man bewegt sich zwischen der eigenen Vision und den begrenzten Möglichkeiten der Umsetzung. Wir haben versucht, die alten Strukturen in die Neuzeit zu bringen, ohne dass etwas hintenüber gefallen ist.
Laber: Wir sind Chefs geworden und kennen nun auch die andere Perspektive: Mitarbeiter kommen mit ihren Wünschen und Problemen nun auf uns zu. Jedem gerecht zu werden, ist mitunter eine Herausforderung, in die man hineinwachsen muss.
Das Gespräch führte Laura Langer.