Hilfseinsatz in Madagaskar

Zum Glück habe ich mich doch getraut!

Vronika Mayr
GesellschaftSoziales Engagement
Großartig, welche Hilfe man als Zahnarzt leisten kann. Das würde ich auch gerne machen. Aber für mich kommt das nicht infrage. Das traue ich mir nicht zu. Mit den Gedanken werfe ich den Artikel über "Planet Action - helfende Hände e.V." in den Müll.

Doch die Idee, an einem zahnärztlichen Hilfseinsatz in einem afrikanischen Land teilzunehmen, lässt mich tagelang nicht mehr los. Es beschäftigt mich so sehr, bis ich die Zeitung wieder hervorkrame, die Kontaktdaten heraussuche und eine E-mail an die Organisation sende. Der erste und wahrscheinlich schwierigste Schritt war somit getan. Nach einem sehr netten Telefonat mit der Vorsitzenden stand fest: Ich mache mit!

Ziemlich schnell füllten sich die freien Plätze im Projekt "Madagaskar Mai 2018" und im Februar waren wir komplett - die Zahnärzte Dr. Therese Nordmann, Dr. Stefan Scheinert, ZA Christian Weber und ich, sowie die ZFAs Stefanie Wagner und Elena Kieserling.

Vor unserem großen Abenteuer gab es einiges zu organisieren: Flug buchen, sich um eine Unterkunft kümmern, Visum beantragen, Arbeitserlaubnis einholen, Impfungen tätigen und so weiter. Dabei konnten wir uns an einem Einsatzleitfaden von Planet Action orientieren - das erleichterte vieles. Auch Spenden mussten eingeholt werden, da jeder Einsatz auf Basis von Spendengeldern oder Sachspenden finanziert wird. Erfreulicherweise war die Bereitschaft, Gutes zu tun, von allen Seiten riesengroß und wir konnten die Reise mit gut gefüllter Kasse und schwer beladenen Koffern antreten.

Madagaskar ist ein Land mit einzigartiger, wunderschöner Flora und Fauna. Wo sich bergiges Hochland in der Landesmitte an den Küsten in Traumstrände verwandelt. Aber auch ein Land, in dem große Armut vorherrscht. Wo sich Menschen weder einen Besuch beim Zahnarzt noch eine Zahnbürste leisten können. Und genau hier sollte unsere Hilfe ansetzen.

Unser erster Einsatzort ist in Ivato, einem Stadtteil der Hauptstadt Antananrivo. Unsere Transporte hatten wir vorher schon geplant, deswegen wurden wir von einem Kleinbus vom Flughafen abgeholt und in die Ausbildungsstätte "Soltec" gebracht, wo wir für eine Woche wohnen und arbeiten sollten. Dort bekommen benachteiligte Jugendliche die Chance auf eine Berufsausbildung und können zum Beispiel Koch, Automechaniker, Näher oder Schreiner werden.

Soltec wird von dem Deutsch-Madagassischen Verein aus Esslingen geführt und finanziert. Hier befindet sich auch ein Material- und Instrumentenlager mit mobiler Behandlungseinheit von Planet Action.

Steri auf dem Gasherd

Einen Tag hatten wir Zeit, um alles vorzubereiten. Die Instrumente für die Patientenbehandlung wurden von uns im Drucktopf auf dem Gasherd sterilisiert, die tragbare Einheit in Gang gebracht und Füllungsmaterial sortiert. Desinfektionslösungen und Anästhesie sowie Kanülen und Tupfer brachten wir mit. In unserem Praxisraum befanden sich drei Liegen, die eher an veraltete Krankenbetten erinnerten als an einen Patientenstuhl wie es ihn bei uns gibt.

Der erste Behandlungstag konnte beginnen und er hat uns alle herausgefordert, da man sich vorher nicht vorstellen konnte, wie es in den madagassischen Mündern aussieht. Schon die kleinsten Patienten hatten karieszerfressene Zähne, die man nur noch extrahieren konnte. Das war schon eine Umstellung, wo doch in Deutschland die Zahnentfernung die letzte Lösung darstellt und nicht immer unbedingt zum Alltagsgeschäft gehört.

Erfreulicherweise konnten wir feststellen, dass die mobile Behandlungseinheit gute Dienste tat und uns auch bei so mancher Osteotomie nicht im Stich ließ. Vor allem konnten wir aber zahlreiche Füllungen legen, was neben den Serienextraktionen auch mal eine willkommene Abwechslung darstellte.

Beim Zähneputzen fehlte die Motorik

In den kommenden Tagen wurde unser Wartezimmer, das sich unter freiem Himmel im Innenhof von Soltec befand, immer voller. Die Madagassen erwiesen sich als sehr geduldig und warteten stundenlang auf ihre Behandlung, die sie dann sehr tapfer ertrugen.

Immer wieder führten wir zwischendurch auch Gruppenprophylaxe bei den Wartenden durch und verteilten an jeden unserer Patienten Zahnbürste und Zahnpasta. Wie nötig die Aufklärungsarbeit auf Madagaskar ist, zeigt sich in der teils fehlenden Motorik beim Durchführen der Mundhygiene.

So vergingen die 5 Arbeitstage wie im Flug und es war Zeit, den Wechsel zum zweiten Einsatzort anzutreten. Die Busfahrt führte uns zum 460 Kilometer südlicher gelegenen Ambalavao, wo wir an einer Schule, die sich in einem katholischen Kloster befindet, untergebracht wurden. Wer afrikanische Straßenverhältnisse kennt, weiß, dass es sich bei dieser Entfernung um eine etwas längere Reise handelt, weswegen wir einen Zwischenstopp mit Übernachtung einlegen mussten.

Hier in Ambalavao mussten wir uns unsere Praxis erst einrichten, von den Nonnen bekamen wir dafür drei Holztische als Behandlungsliegen in einen schlecht beleuchteten kahlen Raum gestellt. Aber dank unserer Stirnlampen wurde auch der dunkelste Mund erhellt. Relativ schnell stellten wir fest, dass es um die Mundgesundheit der Schüler besser bestellt war als in Soltec . Doch auch hier fanden wir in fast jedem Mund kariöse Läsionen oder viel Zahnstein vor.

Prophylaxe für 1.000 Schüler

Der wesentliche Unterschied bestand darin, dass die Zahl der Extraktionen am einzelnen Patienten geringer war, nicht jedoch die Anzahl der Menschen im Wartebereich. Die Prophylaxe wurde praktischerweise in den Klassenzimmern vorgenommen, was bei 1.000 Schülern einen großen Aufwand darstellte, der aber erfolgreich gemeistert wurde.

Wie auch schon in Antananarivo wurden wir hier bestens umsorgt und bekocht, es fehlte an nichts. Wir hatten saubere Schlafplätze und immer Zugang zu sauberem Wasser. Was mir aber am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist die Tatsache, wie man in einem fremden Land mit fünf fremden Menschen so wenig fremd sein kann. Wir haben, mit demselben Ziel vor Augen, als Team wirklich toll zusammengearbeitet und ich habe die Entscheidung, an diesem Hilfseinsatz teilzunehmen, nicht bereut.

Das hat meine Sichtweise auf unsere Welt, wie ich sie vorher nicht kannte, verändert und mein Leben sehr bereichert. Ich kann es jedem, vor allem jüngeren Zahnärzten, nur empfehlen. Es war eine wunderschöne Erfahrung. Wie schön, dass ich nicht nur einen interessanten und vielseitigen Beruf habe, sondern mit meiner Tätigkeit auch noch so viel Gutes tun kann.

Afrikanisches Sprichwort

Unsere Behandlung hatten wir gewissenhaft dokumentiert und am Ende ergab unsere Bilanz: über 1.000 Extraktionen und rund 130 gelegte Füllungen. Sogar drei Frontzahnendos wurden vorgenommen, allerdings mussten die Wurzelfüllungen ohne Röntgenkontrolle vonstattengehen. In den zwei Wochen besuchten uns 525 Patienten und es wären noch mehr gewesen, hätten wir mehr Zeit gehabt.

Vom 26. Mai bis 10. Juni reiste die 34-jährige Zahnärztin Vronika Mayr aus Ampfing (Oberbayern) mit dem Verein "Planet Action" zum Hilfseinsatz nach Madagaskar.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.