Sauklaue kann Arzt teuer zu stehen kommen
Das Sozialgericht Stuttgart hat klargestellt, dass hohe Anforderungen an die Dokumentation des Arztes zu stellen sind: Die vom Vertragsarzt nach § 57 Bundesmantelvertrag-Ärzte vorzunehmende Dokumentation seiner ärztlichen Leistungen muss vollständig, in sich widerspruchsfrei und lesbar sein. Eine völlig unleserliche Handschrift - nach Angabe des Klägers eine geradezu typische „Doktorschrift“ - genügt diesen hohen Anforderungen nicht.
Eine "Doktorschrift" genügt den Anforderungen nicht
Die KV hatte die vom Kläger, einem HNO-Arzt, gestellten Honorarabrechnungen für mehrere Quartale im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106a SGB V aF gekürzt, da sie seine handschriftliche Dokumentation nicht lesen und so nicht überprüfen konnte, ob der Inhalt der abgerechneten Gebührenziffern vollständig erbracht worden war. Der Arzt klagte gegen die Richtigstellung.
Das Sozialgericht Stuttgart wies die Klage ab, weil auch den Richtern nicht einmal unter Zuhilfenahme einer vom Arzt später erstellten maschinenschriftlichen Abschrift eine ansatzweise Entzifferung der Handschrift möglich war.
Da im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit die Dokumentation Voraussetzung für die Nachprüfung korrekter Diagnostik, Therapie und Abrechnung sei, berechtige eine fehlende oder unvollständige Dokumentation zur sachlich-rechnerischen Berichtigung durch die KV.
Praxisanmerkung
Obgleich immer mehr Ärzte digitale Dokumentationssysteme einsetzen, bleibt die handschriftliche Erfassung bedeutsam. So werden zum Beispiel auf Aufklärungsbögen handschriftliche Vermerke aufgenommen, die im Arzthaftungsprozess von erheblicher Bedeutung sind. Auch werden viele Rezepte immer noch handschriftlich erstellt - ist dann die Schrift unleserlich, kann ein Patient statt dem verordneten Mevinacor schon einmal vom Apotheker Marcumar ausgehändigt bekommen.
Es hilft schon, wenn der Arzt etwas langsamer schreibt.
Wichtige Fachbegriffe sollten in Druckbuchstaben geschrieben werden. Abkürzungen sind erlaubt, solange sie gebräuchlich sind. Wer nicht handschriftlich, sondern überwiegend elektronisch dokumentiert, sollte beachten, dass eine spurlos veränderbare elektronische Dokumentation im Zweifel keinen Beweiswert hat. Ist die Dokumentation unleserlich oder nicht vorhanden, kann dies dem Arzt erhebliche Beweisnachteile bringen, sei es nun im Arzthaftungsprozess oder - wie hier - im Streit um ärztliche Honorare.
Sozialgericht StuttgartAz.: S 24 KA 235/14).Urteil vom 14.9.2016 (veröffentlicht am 22.8.2017)
Quelle: Rechtsanwalt Philip Christmann, Fachanwalt für Medizinrecht, Berlin/Heidelberg,www.christmann-law.de