Die wichtigsten Vorsätze für 2022
Es gibt ja immer wieder Themen und Anfragen, die sich gleichen. So die Anfragen zur Handhabe während der Corona-Zeit, zu Bewertungsportalen, zu Personalthemen und natürlich zu den Vorsätzen/Empfehlungen für die Zukunft. In diesem Fall möchte ich Ihnen meine Empfehlung für das Jahr 2022 mit Hypothesen herleiten, begründen und zum Mitmachen auffordern.
Nicht ganz unerwartet sollte nun sein, dass ich zentral das Thema Personal in den Mittelpunkt für 2022 stelle. Es soll ja immer etwas aufregend und „neu“ sein, insofern habe ich meine Hypothesen bewusst etwas überspitzt.
Hypothesen zum Arbeitsmarkt in der dentalen Welt 2022:Erste Hypothese:
Wir werden im Jahr 2022 die erste Schließungswelle an Zahnarztpraxen mit der Begründung „Geschlossen. Wir haben kein Personal“ erleben.
Zweite Hypothese:
Die Durchschnittsgehälter der ZFAs werden eine überdurchschnittliche Steigerung erfahren.
Dritte Hypothese:
Die Zeit, die ein Praxisinhaber zur Mitarbeiterführung einer Praxis aufwendet, wird sich um mindestens 25 Prozent erhöhen.
Vierte Hypothese:
Mehr als 90 Prozent der Praxis-Webseiten werden auf Personalgewinnung und nicht mehr auf Patientengewinnung optimiert.
Hypothese 1:
Derzeit verlassen circa 500.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den deutschen Arbeitsmarkt netto pro Jahr. Wir, die Politik und auch kein anderer haben auch nur ansatzweise eine Idee, wie man dieses negative Delta schließen kann. In unserem Bereich bedeutet das, dass einige Tausend Mitarbeiter ohne Ersatz den Markt der Zahnarztpraxen verlassen werden. Die Demografie schlägt hier langsam zu und nimmt in den Jahren 2023 bis 2026 richtig Fahrt auf. Ein 1960 Geborener wird 2025 sein 65. Lebensjahr erreicht und spätestens 2027 aufgehört haben zu arbeiten. Hier ist zu bedenken, dass in Deutschland die starken Babyboomerjahre 1955 anfingen und ihren Höhepunkt im Jahr 1964 (1.357.304 Geburten) erreichten. Sprich 2025 sind die Geburtsjahrgänge 1955–1959 schon raus. Derzeit arbeiten circa 320.000 Angestellte in Zahnarztpraxen. Zum Ende des Jahrzehnts werden es – unterstellt ist ein großer Maßnahmenkatalog mit Ausbildung Fachfremder sowie Zuwanderung – trotzdem vermutlich nicht mehr als 200.000 sein. Jede Zahnarztpraxis muss insofern im Schnitt bis zum Ende des Jahrzehnts auf mindestens 2,5 Mitarbeiter verzichten. Interessante Nebeninfo: Von den Genannten sind nicht einmal traurige zehn Prozent durch eine „curriculanahe“ Fortbildung aufstiegsfortgebildet.
Hypothese 2:
In Zukunft werden die Gehälter nicht mehr daran bemessen, wie die Kostenstruktur in der Praxis zusammenpasst, was das Durchschnittsgehalt gemäß Jahrbuch der KBZV/BZÄK ist und was man glaubt, für Gehaltskosten im Verhältnis zu den Gesamtkosten zu kalkulieren. Vielmehr wird die Opportunität betrachtet werden müssen. Sprich: Es wird kalkuliert, welcher Umsatz wegfällt, wenn man diese Arbeitskraft am Stuhl nicht vorhalten kann, und auf dieser Basis wird berechnet, was sich aus Zahnarztsicht am meisten lohnt: keine Behandlung, da kein Mitarbeiter – oder die Behandlung mit einem „teuren“ Mitarbeiter. Konkret bedeutet das bei einem Tag Umsatzverlust (ähnlich Stuhl kaputt, Absaugeinheit kaputt), dass der verlorene Umsatz beispielsweise 1.000 Euro beträgt – die Opportunitätskosten sind also 1.000 Euro. Wenn man nun aber einem Mitarbeiter im Monat, sagen wir, 2.500 Euro mehr bezahlt (Annahme derzeitiger Verdienst 2.500 Euro), wird dieser Mitarbeiter in Zukunft seine Opportunität, also 5.000 Euro, bei mir verdienen und somit können die Behandlungen durchgeführt werden. In dieser Betrachtung habe ich meinen Umsatz eingefahren und einen Teil meines Unternehmerlohns an den Mitarbeiter weitergegeben. Bereits heute sehe ich, dass sich die Gehaltsspirale kräftig dreht.
Hypothese 3:
Bundesweit lag die Zahl der abgebrochenen Ausbildungen laut BZÄK bei 34,2 Prozent. Von den Auszubildenden, die ihre Abschlussprüfung erfolgreich ablegten, gründeten viele nach kurzer Zeit eine Familie oder entschieden sich für einen anderen Beruf. Das heißt, ich als Praxisinhaber sollte in meinem ureigensten Interesse meine angehenden festen Teammitglieder während ihrer Ausbildung nicht als günstige Aushilfsarbeitskräfte sehen und behandeln, sondern sie wertschätzen, ihnen etwas zutrauen, ihnen eigene Projekte übertragen und ein Gefühl dafür entwickeln, Probleme und Unsicherheiten zu erkennen und darauf zu reagieren. Das alles bedeutet natürlich einen erhöhten zeitlichen Aufwand, aber es wird sich lohnen.
Hypothese 4:
Ob nun Azubi, Hochschulabsolvent oder ausgebildete Fachkraft: Immer mehr Menschen suchen einen neuen Job nicht mehr über die Klassiker Wochenendausgabe der Tageszeitung, sondern tummeln sich gefühlt den halben Tag im Internet und besuchen dort über Social-Media-Kanäle gezielt Karriereseiten von Unternehmen oder suchen und finden ihren Arbeitgeber über Facebook oder Instagram. Hier wird es Suchenden/Bewerbern immer leichter gemacht, die Einstiegshürden werden immer niedriger, zum Teil werden nicht mal mehr „Begleitschreiben“ gefordert beziehungsweise gewünscht, Fotos sind ebenfalls inzwischen vielfach obsolet. Stellenanzeigen kann man in Zukunft demzufolge einsparen. Investieren muss man in den Außenauftritt auf der eigenen Webseite und in den sozialen Medien. Der Schwerpunkt dieses Tuns sollte allerdings weniger auf Patientengewinnung als vielmehr auf Mitarbeitergewinnung gelegt werden.
Ihre Vorsätze für 2022 sollten sein:
das Team zu einem Team zu formen,
Mitarbeiter zu Mitdenkern und Mitarbeitern zu machen,
mehr Zeit in die Mitarbeiter und das Team zu investieren,
Geld in die Mitarbeiter zu investieren und
sich selbst klar zu werden, dass dieser Punkt Chefsache ist und nur gelöst werden kann, wenn man mit Akribie und Optimierungsdrang am Thema Personal arbeitet.
Abschied
Mit dieser finalen Ausgabe im Jahr 2021, meinem fünften Jahr als zm-Kolumnist, möchte ich mich von Ihnen – sehr geehrte Leserinnen und Leser – verabschieden. Man sagt, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Ehrlich gesagt, genau das habe ich vor: Wir haben in den Jahren jedes (nicht medizinische) Thema in und um die Zahnarztpraxis behandelt und es wird bis auf ein paar Aktualisierungen sicher auch schwer, in dieser Frequenz das Niveau zu halten. Mein persönliches Format der Zukunft wird der Podcast „Praxisflüsterer“ sein, wo Sie weiter einmal in der Woche von mir hören können (einfach abonnieren auf Spotify, Apple iTunes etc.).
Mein Abschiedsangebot für treue Leserinnen und Leser ist, dass ich fünf Praxen im Jahr 2022 einlade, bei der OPTI Personalchallenge 2022 mitzumachen. Bei 100 Praxen werden wir versuchen, mit einfachen Mitteln echte Teams zu entwickeln und ihnen das Know-how an die Hand zu geben, eine attraktive Arbeitgeberpraxis zu werden. Teilnehmen können je Praxis der/die Inhaber/in und der/die Praxismanager/in. Schreiben Sie mir. Die ersten fünf (netten) Bewerbungen können kostenfrei teilnehmen (ansonsten 1.450 Euro).
Ich wünsche Ihnen guten Jahresabschluss und ein gesundes und vielversprechendes – bewegendes – neues Jahr!