Leitartikel

Eine ehrenhafte Aufgabe

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

während die Bundesgesundheitsministerin mit Boykott-Aufforderungen weiterhin Druck auf die Aufklärungsinitiative von Freiem Verband Deutscher Zahnärzte und Hartmannbund ausübt, akzeptiert sie stillschweigend die mit einer Million Euro finanzierte Kampagne von Europas größter Einzelgewerkschaft Ver.di gegen grundlegende Reformen im Gesundheitswesen. Wieder einmal ist es offensichtlich allein der opportune Standpunkt – und nicht Konstruktivität – der in Deutschlands Wahlkampf-Arena den Ausschlag dafür gibt, ob der Daumen der Macht nach oben oder unten zeigt.

Ver.di-Chef Frank Bsirske hat es deshalb auch schwer, kritische Geister davon abzubringen, es gehe ihm einzig und allein um die Unterstützung von Rot-Grün im laufenden Bundestags-Wahlkampf. „Schmusekurs“ ist das übliche Wort der Journalisten für diese Art Taktiererei. Die Parallelen zu den Regierungsplänen sind auch zu offensichtlich: „Erbitterter Widerstand“ gegen eine Aufsplittung des Leistungskatalogs in Vertrags- und Wahlleistungen zur Verhinderung von „Zwei-Klassen-Medizin“, rigoroses Einstimmen in die Forderung nach noch mehr Qualität und Effizienz bei Ärzten und Zahnärzten, mehr Geld zur Unterstützung nicht wettbewerbsfähiger Krankenkassen und – um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen – die Wiedereinführung von Polikliniken nach Muster des DDR-Sozialismus.

Aufhorchen lässt, dass die bisher von Bsirske noch mitgetragene Überlegung zur Anhebung der Pflichtversichertengrenze inzwischen nicht mehr zählt. Kein Wunder, trifft sie doch auch Arbeitsplätze der Angestellten von Privatkrankenkassen, damit einen Teil seiner Gewerkschaftsmitglieder. Letztlich steckt unter dem Deckmantel ideologischer Gesellschaftspolitik also doch nichts anderes als der pure Lobbyismus.

Der Ver.di-Boss, der schon jetzt anders denkenden Politikern gewerkschaftlichen Kampf androht, falls man tatsächlich am überkommenen System rütteln will, sollte eigentlich wissen, dass gerade heute „Zwei-Klassen-Medizin“ herrscht, dass Vertragsund Wahlleistungen der Ausweg sind, um größere soziale Gerechtigkeit zu schaffen, dass sie dazu beitragen können, dass lebensnotwendige medizinische Leistungen auch künftig allen Bürgern zur Verfügung stehen. Er scheint aber eher bereit, für die Erhaltung der geeigneten gesellschaftlichen Passform gewerkschaftlicher Eigeninteressen die Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitswesens endgültig zu opfern. Anwaltschaft für Patienten – und seien es auch nur die aus den eigenen Reihen – ist das mit Sicherheit nicht. Ein schöner Lobbyismus! Also bleibt es Aufgabe der zahnärztlichen Organisationen – letztlich unserer eigenen „Gewerkschaft“ – geschlossen im Sinne unserer Patienten für die überfällige ehrliche Gesundheitsreform einzutreten. Hier geht es nicht um Parteieninteressen, sondern schlicht um die medizinische Aufgabe zur Bewahrung und Wiederherstellung von Gesundheit.

Schon heute führt der übersteigerte Regelungswille staatstragender und -stützender Organe und Institutionen dazu, dass immer weniger Menschen bereit sind, angesichts immer offensichtlicherer Missstände im Gesundheitswesen noch als Arzt oder Zahnarzt zu praktizieren. Wer übersteigerte Qualitätsdiskussionen als Mengen-Steuerungselement für Ärzte oder Zahnärzte missbraucht, muss sich nicht wundern, wenn es eines Tages an motivierten Leistungsträgern in diesem Bereich mangelt.

Bedarfsgerecht steuern kann nur konsequenter, freier Wettbewerb – aber auf allen Ebenen des Gesundheitswesens. Dreh- und Angelpunkt des Systems muss der Patient sein. Nicht der Arzt, erst Recht nicht der Kassenfunktionär, schon gar nicht der Gewerkschaftler. Nur der Patient kann die Verantwortung für seine Zähne, seine Gesundheit – und für seinen Geldbeutel tragen.

Eigenverantwortung und Transparenz in einem durchschaubaren System zum Wohle der Menschen unserer Gesellschaft – das ist der eigentliche Gradmesser, an dem sich unser Gesundheitswesen, ob gewollt oder nicht, ausrichten muss. Und das ist eine wirklich ehrenhafte Aufgabe.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rolf-Jürgen LöfflerVorsitzender der KZBV

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