Sozialer Frieden in Gefahr
„Das deutsche Gesundheitswesen ist in Lebensgefahr“, warnte Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe auf der Pressekonferenz des „Bündnis Gesundheit 2000“. Kurz bevor die Kostendämpfung im Bundestag zur beschlossenen Sache gemacht werden sollte, machte der Präsident der Bundesärztekammer seinem Ärger Luft: Wer die Ärzte angesichts von Vorschaltgesetz und „Nullrunde“ des Jammerns bezichtige, beschimpfe in Wirklichkeit die Kranken. „Qualitätseinbrüche, Unterversorgung und Zuteilungsmedizin sind der Preis, den die Patienten zu zahlen haben, wenn die Sparpläne der Regierung Realität werden.“
Einige Praxen stünden bereits jetzt am wirtschaftlichen Abgrund. „Im Frühjahr werden zahlreiche niedergelassene Mediziner ihre Praxen immer wieder wochenweise schließen müssen, weil sie ihr Budget ausgeschöpft haben und die finanziellen Belastungen, die sich aus der Nullrunde und der Rentenanpassung ergeben, nicht mehr verkraften können“, prophezeite Hoppe.
Die finanziellen Mittel werden entzogen
Eine andere Konsequenz trifft das Praxispersonal: Tarifgehälter für Arzt- und Zahnarzthelferinnen könnten nicht mehr bezahlt werden. „Worüber sollen wir verhandeln, wenn unseren Tarifpartnern die finanziellen Mittel immer mehr entzogen werden? Und was wird dann aus dem sozialen Frieden?“, fragte Sabine Rothe vom Berufsverband der Arzt-, Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen.
Schon jetzt leisteten die Praxismitarbeiterinnen Beachtliches für das Wohl der Patienten – und das im Osten für einen durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von 7,36 Euro; im Westen für 11,36 Euro. „Damit gehört unsere Berufsgruppe zu den Niedriglohnverdienerinnen“, konstatierte Rothe. Es sei mehr als enttäuschend, wie wenig die Gesellschaft diese Arbeit schätze. Als eine Katastrophe bezeichnet die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) die geplante „Null-Runde“. Denn der Null-Prozent-Steigerung stehen jährliche Personalkostenerhöhungen von fünf Prozent gegenüber. Es klafft dadurch eine Finanzlücke von 1,7 Milliarden Euro.
Die Patienten tragen die Konsequenzen
Das lässt sich ohne Entlassungen nicht mehr verkraften“, empört sich DKG-Präsident Dr. Burghard Rocke. Er prognostiziert unzureichende Personalausstattung und erhöhte Arbeitsbelastung. Die Konsequenzen hätten auch hier letztlich die Patienten zu tragen: Es drohten Leistungskürzungen und sogar Wartelisten für Operationen.
Die Sparpläne der Bundesregierung lassen auch die Apotheker um ihre Existenz bangen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) befürchtet eine Minderung des zu versteuernden Einkommens von durchschnittlich 50 000 Euro pro Apotheke.
„Wir werden unsere Patienten trotz allem nicht im Regen stehen lassen“, verspricht Bundesärztekammerpräsident Hoppe. Doch es werde künftig deutliche Signale an die Politik geben und Aktionen wie die Demonstration vor dem Brandenburger Tor. „Wenn diese Regierung den Sozialfrieden kündigt und die Konfrontation sucht, dann wird sie die auch finden.“
Ute BurtkeHardenbergplatz 210623 Berlin