Zur Zahngesundheit asthmakranker Kinder und Jugendlicher
Tatsächlich kann die Zahngesundheit asthmakranker Patienten durch systemische und lokale Begleitwirkungen der antiasthmatischen medikamentösen Therapie beeinträchtigt werden. So können Antiasthmatika, wie â2-Sympathomimetika, Cromoglicinsäure, Ipratropiumbromid und Steroide, die Speichelzusammensetzung beeinflussen und die Speichelfließrate reduzieren [7, 8, 15, 16]. Damit werden sowohl die Entstehung von Karies als auch die Entstehung von nicht kariesbedingten Zahnhartsubstanzdefekten gefördert. Ferner führen als Bronchodilatatoren wirksame â2-Sympathomimetika gegebenenfalls zu einer Entspannung der Muskulatur des Ösophagus und in der Folge zu gastro-ösophagealem Reflux. Daraus ergibt sich ein zusätzlicher ätiologischer Faktor für Erosionen der Zahnhartsubstanzen [14, 17].
Eine weitere mögliche Ursache für erosive Veränderungen an der Zahnhartsubstanz ist der pH-Wert der Antiasthmatika. So haben nahezu alle gebräuchlichen Pulverinhalte einen niedrigeren pH-Wert als entsprechende Aerosolzubereitungen (Tab. 1). Außerdem enthalten eine Reihe dieser Pulverinhalte Laktose. Bei längerer Verweildauer dieser Medikamente im Oropharynx kann in Verbindung mit reduziertem Speichelfluss daraus eine erhöhte Kariesgefährdung resultieren.
Schließlich werden auch sekundäre Effekte der medikamentös bedingten Reduktion des Speichelflusses bei Asthmapatienten diskutiert. Um der Mundtrockenheit zu begegnen, ist es denkbar, dass diese Patienten gehäuft Getränke mit niedrigem pH-Wert konsumieren.
Studien zum Nachweis einer erhöhten Gefährdung der Zahngesundheit asthmakranker Patienten im Vergleich zu gesunden Probanden zeigten uneinheitliche Ergebnisse. Während einige Autoren auf ein erhöhtes Kariesrisiko [1, 6, 9, 10, 15, 16] beziehungsweise auf ein erhöhtes Risiko für nicht kariesbedingte Zahnhartsubstanzverluste bei Asthmatikern hinweisen [9, 17, 18], ließen sich in anderen Studien Zusammenhänge zwischen Asthmaerkrankung und erhöhtem Kariesrisiko nicht bestätigen [2, 4, 8, 11, 19].
Ziel unserer prospektiven Studie war deshalb, Kariesbefall sowie Erosionen, Abrasionen und Attritionen bei asthmakranken Kindern und Jugendlichen zu erfassen und mit entsprechenden Befunden bei gesunden Probanden zu vergleichen [3].
Probanden und Untersuchungsmethoden
Aus den Patientenkarteien der Asthmaambulanz der Kinderklinik des Universitätsklinikums Dresden und einer kinderpulmologischen Praxis in Dresden wurden randomisiert 350 Patienten ausgewählt, die zu diesem Zeitpunkt seit mindestens einem Jahr eine tägliche antiasthmatische inhalative Therapie erhielten.
Der Einladung zur Basisuntersuchung (U1) im ersten Quartal 1999 folgen 173 Patienten im Alter von drei bis 20 Jahren. Nach 18 Monaten (U2) konnten 89 Patienten ein zweites Mal untersucht werden. Nur die Daten dieser 89 Patienten wurden in die weitere Auswertung einbezogen. Zur U1 wurden zum Vergleich des Kariesbefalls zwischen Asthmatikern und Gesunden die Daten der jährlichen zahnärztlichen Reihenuntersuchungen der Stadt Dresden aus dem Jahre 1998 (n = 57 608 Kinder und Jugendliche) herangezogen. Die Kontrollgruppe zur U2 rekrutierte sich aus 89 gesunden Kindern und Jugendlichen gleicher Alters- und Geschlechtsverteilung, die im gleichen Zeitraum die Abteilung Kinderzahnheilkunde des Universitätsklinikums aufsuchten.
Alle Patienten beziehungsweise deren Eltern wurden zu Art, Dauer und Dosierung der antiasthmatischen Medikation sowie zu Mundhygiene- und Ernährungsgewohnheiten befragt. Anschließend erfolgte eine klinische Untersuchung hinsichtlich des Kariesbefalls (dft- beziehungsweise DMFTIndex) und nicht kariesbedingter Zahnhartsubstanzverluste entsprechend den Kriterien der „Dritten Deutschen Mundgesundheitsstudie“ [12]. Außerdem wurden bei jedem Patienten Speichelfließrate und Pufferkapazität des stimulierten Speichels bestimmt (Dentobuff® Strip, Vivadent).
Ergebnisse
Zu beiden Untersuchungszeitpunkten bestanden weder im Milchgebiss noch im bleibenden Gebiss signifikante Unterschiede im Kariesbefall zwischen Asthmapatienten und gesunden Kindern und Jugendlichen (Abb. 1 und 2). Erosionen fanden sich zur U1 an Labial- und Oralflächen der Zähne bei zwei Patienten und zur U2 bei fünf Patienten und vier gesunden Probanden. Es waren jeweils nur bleibende Zähne betroffen.
Abrasionen/Attritionen kamen sowohl bei Patienten als auch bei Gesunden häufig vor. Im Milchgebiss hatten 81,6 Prozent (U1) beziehungsweise 84,0 Prozent (U2) der Patienten und 80,0 Prozent (U2) der Gesunden Zähne mit Zeichen von Abrasionen/Attritionen. Bleibende Zähne waren bei 52,8 (U1) beziehungsweise 58,4 Prozent (U2) der Patienten und bei 52,2 Prozent (U2) der gesunden Probanden von Abrasionen/Attritionen betroffen. Während an den bleibenden Zähnen das Dentin durch Abrasion/Attrition nur selten frei gelegt war, war das an den Milchzähnen bei einem Drittel bis zur Hälfte der Probanden der Fall. Während der Kontrollzeit von 18 Monaten kam es bei den Asthmapatienten zu einer geringfügigen Zunahme des Hartsubstanzverlustes. Weder in der Kind-Prävalenz noch in der Zahn-Prävalenz ergaben sich jedoch signifikante Unterschiede im Vorkommen von Abrasionen/ Attritionen zwischen Patienten und Gesunden (Abb. 3).
Die Pufferkapazität und die Sekretionsrate des paraffinstimulierten Speichels, Zahnpflege- und Ernährungsgewohnheiten, das Auftreten eines gastro-ösophagealen Refluxes sowie die Dauer der Anwendung von Pulverinhalatoren wurden unter Berücksichtigung des Lebensalters der Patienten auf mögliche Korrelationen zur Anzahl von Zähnen mit Abrasionen/Attritionen überprüft. Alle geprüften Variablen, einschließlich der Dauer des Gebrauches von Pulverinhalatoren ergaben jeweils keine signifikante Korrelation zur Prävalenz von Abrasionen/Attritionen (Abb. 4 und 5). Bei Patienten mit Erosionen bestand allerdings eine statistisch signifikante positive Korrelation zu häufigem Verzehr (≥ drei mal täglich) azidogener Getränke.
Diskussion
Die vorliegenden Untersuchungen ergaben im Gegensatz zu einer Reihe anderer Studien keine signifikanten Unterschiede in der Kariesprävalenz und in der Prävalenz nicht kariesbedingter Zahnhartsubstanzverluste zwischen Kindern und Jugendlichen mit Asthma bronchiale und Gesunden. Zur Erklärung können sowohl die Inanspruchnahme einer regelmäßigen zahnärztlichen Betreuung als auch zahngesundheitsbezogene Verhaltensweisen der Asthmapatienten herangezogen werden.
In einer vor kurzem publizierten Kohortenstudie an neuseeländischen Jugendlichen ergab sich im Zeitraum zwischen dem 15. bis 18. Lebensjahr ebenfalls kein unterschiedlicher Karieszuwachs zwischen Asthmatikern und asthmafreien Jugendlichen [11]. Auch im Ergebnis des großangelegten „Third National Health and Nutrition Examination Survey“ der USA (1988 bis 1994) zeigte sich, dass asthmakranke Kinder im Alter von vier bis 16 Jahren einen ähnlich niedrigen Kariesbefall hatten wie Nicht- Asthmatiker. Vier- bis Zehnjährige und Elfbis 16-Jährige mit schwerem Asthma hatten sogar niedrigere DMF-Werte als Gesunde [19]. Die Autoren vermuten, dass chronisch kranke Patienten mit Asthma bronchiale zahnmedizinische präventive Maßnahmen konsequent durchführten und mögliche Nebeneffekte der antiasthmatischen Medikation damit kompensiert wurden. Die hier untersuchte Gruppe asthmakranker Patienten hatte einen hohen Kariessanierungsgrad von 80 bis 83 Prozent. Das lässt auf eine regelmäßige kontrollierte zahnärztliche Betreuung schließen.
Abrasionen/Attritionen traten in der vorliegenden Untersuchung selbst bei den Asthmapatienten, die regelmäßig und über einen längeren Zeitraum Pulverinhalatoren mit niedrigem pH-Wert verwendeten, nicht in verstärktem Maße auf. Auch der gastroösophageale Reflux konnte aufgrund des seltenen Vorkommens bei den untersuchten Patienten als ätiologischer Faktor für nicht kariesbedingte Zahnhartsubstanzverluste vernachlässigt werden. Etwa die Hälfte der hier untersuchten Patienten hatte bestätigt, unmittelbar nach dem Inhalieren mit Wasser den Mund zu spülen oder sich mit Fluoridzahnpaste die Zähne zu putzen. In einer britischen Studie an 100 asthmakranken Kindern im Alter von vier bis 16 Jahren hatten das nur 22 Prozent der Patienten bestätigt [9]. Bei diesen Patienten ergab sich gegenüber gleichaltrigen Gesunden ein signifikant häufigeres Vorkommen nicht kariesbedingter Zahnhartsubstanzverluste. Es ist anzunehmen, dass durch nachfolgendes Spülen der erosive Effekt der inhalierten Medikamente wenigstens teilweise kompensiert wird, so dass Erosionen bei Asthmatikern nicht gehäuft auftreten müssen. Dagegen könnte durch das Zähneputzen unmittelbar nach dem Inhalieren der Substanzabtrag von Schmelz oder Dentin eher gefördert worden sein. Eine Korrelation zwischen den Zahnpflegegewohnheiten der Asthmapatienten und dem Vorkommen von Abrasionen und Attritionen ergab jedoch keinen Hinweis auf einen derartigen Zusammenhang. Nur in den wenigen Fällen mit typischen Erosionen an den Labial- beziehungsweise Oralflächen der Zähne fand sich eine signifikante Korrelation mit häufigem Verzehr von Getränken mit niedrigem pH-Wert. Vermutlich kommt bei Asthmapatienten im Ursachenkomplex des Zahnhartsubstanzverlustes den Ernährungsgewohnheiten gegenüber der Medikation eine dominierende Rolle zu, so dass sich daraus auch entsprechende Präventionsempfehlungen ableiten lassen.
Schlussfolgerungen
Aus den vorliegenden Unteruchungen ergibt sich, dass bei Kindern und Jugendlichen mit Asthma bronchiale gegenüber Gesunden kein erhöhtes Kariesrisiko besteht, wenn die üblichen Präventionsempfehlungen zur Fluoridanwendung, zur Zahnpflege und zur zahngesundheitsbewussten Ernährung eingehalten werden.
Um langfristig auch nicht kariesbedingten Hartsubstanzverlusten vorzubeugen beziehungsweise deren Progression zu verhindern, sollten Patienten mit Asthma bronchiale unmittelbar nach dem Inhalieren den Mund mit Wasser ausspülen [13]. Mundspülungen können bei diesen Patienten auch dazu beitragen, die regelmäßig benutzten kortikoidhaltigen Medikamente rascher aus der Mundhöhle zu entfernen und damit eine auf das gestörte mikroökologische Gleichgewicht zurückzuführende orale Candidiasis zu verhindern.
Zur Stimulation des Speichelflusses sollten Asthmapatienten außerdem häufig zuckerfreien Kaugummi verwenden. In Übereinstimmung mit generellen Empfehlungen zu Prävention von Erosionen [5] sind diesen Patienten zusätzlich zu den häuslichen Prophylaxemaßnahmen regelmäßige professionell durchgeführte Fluoridapplikationen zu empfehlen.
Prof. Dr. Gisela HetzerAndreas BlumeOÄ Dr. Gabriele ViergutzProf. Dr. Wolfgang LeupoldUrsula RangeUniversitätsklinikum Carl Gustav CarusFetscherstraße 7401307 Dresden
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Präparat
Wirkstoff
Appli-kation
pH-Wert 1 Hub
pH-Wert 2 Hübe
pH-Wert 3 Hübe
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Aarane®
DNCG+Reproterol
Spray
6,52
6,43
6,37
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Aeromax®
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Aeromax®
Salmeterol
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Salmeterol
Spray
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Pulver
6,79
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5,09
6,53
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4,98
6,42
\n
4,94
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Allergospasmin®
DNCG+Reproterol
Spray
5,61
5,72
5,71
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Atrovent® 0,025%*
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Atrovent®
Ipratropiumbromid
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Ipratropiumbromid
Fertig-lösung
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Spray
3,26
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7,66
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7,53
\n
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7,48
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Becloturmant® forte
Beclometason
Spray
7,28
7,27
7,2
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Berotec®
Fenoterol
Spray
5,88
5,36
5,09
\n
Bronchospray®
Salbutamol
Spray
8,92
9,29
9,36
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Ditec®
DNCG+Fenoterol
Spray
7,18
7,09
7,05
\n
Flutide® 125
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Flutide® 250
Fluticason
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Fluticason
Spray
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Pulver
6,07
\n
4,58
5,93
\n
4,32
5,97
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4,21
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Intal® 1%
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Intal®
Cromoglicinsäure Cromoglicinsäure
Fertig-lösung
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Spray
6,11
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6,67
6,59
6,51
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Pulmicort® 125**
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Pulmicort®
Budesonid
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Budesonid
Spray
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Pulver
6,19
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6,63
5,96
\n
6,4
5,85
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6,14
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Salbu® Easyhaler
Salbutamol
Pulver
5,37
5,21
5,1
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Serevent®
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Serevent®
Salmeterol
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Salmeterol
Spray
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Pulver
6,82
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5,46
6,58
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5,33
6,46
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5,19
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Sultanol® 0,5%*
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Sultanol®
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Sultanol® 200
Salbutamol
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Salbutamol
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Salbutamol
Fertig-lösung
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Spray
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Pulver
3,49
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9
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4,6
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8,9
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4,44
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8,78
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4,36
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Tilade®
Nedocromil
Spray
6,09
6,22
6,43
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Viani mite®
Salmeterol+ Fluticason
Pulver
5,51
5,27
5,21
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