Die Arzneimittelkommission der BZÄK/KZBV informiert

Nebenwirkungsmeldungen im Jahr 2002

224081-flexible-1900
Die Entdeckung und Bewertung unerwünschter Wirkungen (UAW) von Arzneimitteln ist oft erst nach der Zulassung eines Medikaments – wenn ausreichend Anwendungserfahrung vorliegt – möglich. Es ist daher notwendig, Einzelberichte zu Verdachtsfällen von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Wechselwirkungen, die im Zusammenhang mit der Anwendung in der klinischen Praxis bekannt werden, von zentraler Stelle systematisch zu erfassen und auszuwerten. Für den zahnärztlichen Bereich ist dafür die Arzneimittelkommission der Bundeszahnärztekammer zuständig. Der vorliegende Beitrag fasst die Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen des Jahres 2002 zusammen.

Nach dem so genannten Stufenplanverfahren sind die Arzneimittelkommissionen der Heilberufe – so auch die Zahnärzte der BZÄK und der KZBV – aufgerufen, Nebenwirkungsmeldungen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weiterzuleiten, um so eine Risikominimierung beziehungsweise ein Höchstmaß an Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten. Im Rahmen dieser Anforderungen bietet die Arzneimittelkommission der BZÄK und der KZBV seit langem allen Zahnärzten in Klinik und Praxis einen fachspezifischen Beratungsdienst an, welcher auch eine interne Sammlung und Auswertung der gemeldeten UAWs beinhaltet. Wie bereits in den Vorjahren geschehen, wird im Folgenden eine Zusammenstellung aller im Jahr 2002 an die AK-BZÄK/KZBV von zumeist niedergelassenen Zahnärzten gemeldeten Fälle zu beobachteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen gegeben.

Nebenwirkungsvergleich 1995 bis 2002

Im Jahr 2002 gingen 71 Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen ein. Insgesamt wurden 88 Präparate gemeldet. Teilweise wurden als mögliche Ursachen der beobachteten Nebenwirkung mehrere Arzneimittel angegeben. Betrachtet man den Zeitraum der letzten vier Jahre von 1999 bis 2002, so werden jährlich von Zahnärzten durchschnittlich 71 Meldungen zu UAWs abgegeben (Abbildung 1).

Der Anteil der Meldungen zu unerwünschten Wirkungen von Antibiotika ist im Vergleich zu den Vorjahren auf 45 Prozent angestiegen und macht damit inzwischen fast die Hälfte der insgesamt bundesweit abgegebenen Nebenwirkungsmeldungen von Zahnärzten aus. Positiv hingegen ist das kontinuierliche Sinken der Anzahl der Meldungen zu Lokalanästhetika zu verzeichnen (Abbildung 2). Mit nur 21 Prozent gemeldeten Nebenwirkungen gegenüber 28 Prozent im Jahr 2001 und 33 Prozent im Jahr 2000 ist hier im Vergleich zu den Vorjahren ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Die Anzahl der Meldungen zu Analgetika (sechs Prozent gegenüber fünf Prozent im Vorjahr) ist in etwa gleich geblieben. Das Gleiche gilt für den Anteil der Meldungen in der Gruppe "Sonstige" (28 Prozent gegenüber 30 Prozent im Vorjahr). In dieser inhomogenen Gruppe sind vor allem Antihypertensiva, Mundspüllösungen und Präparate zum Dentinschutz enthalten (Tab. 1). Häufig handelt es sich aber vor allem auch um Präparate, die nicht vom Zahnarzt verordnet wurden. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass eine vom Zahnarzt beobachtete Nebenwirkung nicht immer eindeutig dem vom Zahnarzt applizierten Präparat zuzuordnen ist und daher die vom Haus- oder Facharzt verschriebene Medikation ebenfalls gemeldet wird.

In der Gruppe der Lokalanästhetika war 2002 der Anteil von Articain (83 Prozent) wie auch schon in den Vorjahren hoch, was sicher auf die breite Anwendung des Präparates zurückzuführen ist (Tabelle 1). In der Gruppe der Antibiotika ist die Anzahl der gemeldeten Nebenwirkungen für die Gruppe der Penicilline auf 18 Prozent gegenüber 30 Prozent im Vorjahr weiter abgesunken. Die Anzahl der Meldungen zu Clindamycin hingegen liegt auch weiterhin auf dem hohen Niveau von 2001:

2002: 70 Prozent

(23 von 33 Meldungen zu Antibiotika)

2001: 71 Prozent

(17 von 24 Meldungen zu Antibiotika)

2000: 39 Prozent

(7 von 18 Meldungen zu Antibiotika)

1999: 33 Prozent

(10 von 30 Meldungen zu Antibiotika)

1998: 15 Prozent

(3 von 20 Meldungen zu Antibiotika)

1997: 33 Prozent

(8 von 24 Meldungen zu Antibiotika)

Diese Fälle von unerwünschten Wirkungen zu Clindamycin umfassten Symptome des Gastrointestinaltraktes (Übelkeit, Erbrechen, blutige Diarrhoe, pseudomembranöse Colitis) sowie der Haut und Schleimhaut (Exanthem, Urtikaria, Hautrötung). Dieser Anstieg ist höchstwahrscheinlich dadurch zu erklären, dass Clindamycin auf Grund seines breiteren Spektrums im anaeroben Bereich auch von Zahnärzten zunehmend häufiger verordnet wird. Über diesen beobachteten Anstieg der Nebenwirkungsmeldungen zu Clindamycin hatten wir bereits gesondert in den zm berichtet [1].

Ein besonders interessanter möglicher Zusammenhang zwischen Penicillintherapie und der seltenen aber bekannten Nebenwirkung einer durch Fluorochinolontherapie induzierten Tendinitis ergab sich aus einer Meldung zur Therapie mit Phenoxymethylpenicillin: Eine 65-jährige Patientin hatte zunächst nach zehntägiger Therapie mit Levofloxacin als Nebenwirkung eine schmerzhaft entzündliche Tendinitis der rechten Achillessehne entwickelt, die nach dreiwöchiger Immobilisation folgenlos ausheilte. Etwa drei Monate später erhielt die Patientin nach einem zahnärztlichen Eingriff Phenoxymethylpenicillin und entwickelte nach Einnahme der zweiten Dosis erneut Symptome einer entzündlichen Tendinitis. Das Penicillin wurde abgesetzt und die antibiotische Therapie wurde für weitere vier Tage mit Clindamycin fortgesetzt. Innerhalb von 48 Stunden besserten sich die Beschwerden der Patientin erheblich und die Sehnenentzündung heilte innerhalb von drei Wochen aus. Dieser Fallbericht deutet auf eine sehr seltene mögliche Nebenwirkung von Penicillin bei prädisponierten Patienten hin [2].

Bei den Analgetika war der Anteil der gemeldeten Fälle 2001 gegenüber 2000 auf etwa die Hälfte gesunken (Abb.2) und hielt sich 2002 mit sechs Prozent etwa auf Vorjahresniveau. Insgesamt lagen nur Meldungen zu vier Präparaten vor (Tab.1).

Organbezogenheit der Nebenwirkungen

Im Jahr 2001 erfolgten noch knapp mehr als die Hälfte (53 Prozent) aller Meldungen zu Nebenwirkungen, welche die Haut und Schleimhaut betrafen und sich in Form von Schleimhautläsionen im Bereich des Mundes beziehungsweise in Form generalisierter Hautausschläge äußerten. Im Jahr 2002 ist der Anteil an Nebenwirkungen auf Haut und Schleimhäute um zwölf Prozent auf 41 Prozent rückläufig. Diese unerwünschten Wirkungen wurden bei allen Stoffgruppen, zu denen Meldungen vorlagen, beobachtet und waren leicht bis mittelgradig ausgeprägt sowie vorübergehend (Tab. 1, Abb. 3). Gravierende Ereignisse von Seiten der Haut und Schleimhäute, zum Beispiel Erythrodermie oder Lyell-Syndrom, wurden nicht registriert. Allergisch bedingte Hautreaktionen sind insbesondere bei der Applikation von Antibiotika (hier vor allem die Gruppe der Penicilline sowie Clindamycin) zu beachten. Das Herz-Kreislaufsystem betreffende Nebenwirkungen wurden wie im Vorjahr nur in 13 Prozent der Fälle beschrieben, wobei meist leichter Schwindel oder Herzrasen gemeldet wurde. Anaphylaktische Reaktionen mit protrahiertem Verlauf wurden nicht gesehen. Der Anteil an gemeldeten gastrointestinalen Störungen hat sich im Vergleich zum Vorjahr von elf Prozent auf 22 Prozent verdoppelt (Tab. 1, Abb. 3). Beeinträchtigungen des Gastrointestinaltraktes wurden fast ausschließlich im Zusammenhang mit Antibiotikatherapie beobachtet. Hierbei bezog sich der Hauptanteil an Meldungen auf das Präparat Clindamycin. Diese waren zumeist leicht bis mittelgradig ausgeprägt. In drei Fällen trat unter der Therapie mit Clindamycin eine pseudomembranöse Colitis auf. Über ZNSStörungen wurde in 13 Prozent der gemeldeten Fälle berichtet, wobei meist Schwindel und Kopfschmerzen nach Articain-Anwendung gesehen wurden.

Resümee

Im Jahr 2002 wurden der BZÄK/KZBV insgesamt 71 Meldungen zu Arzneimitteln mitgeteilt. 45 Prozent der angezeigten Präparate waren Antibiotika, 21 Prozent Lokalanästhetika, sechs Prozent Analgetika und 28 Prozent sonstige Arzneistoffe. Die gemeldeten Nebenwirkungen waren meist leicht bis mittelgradig ausgeprägt.

Dr. med. Christoph SchindlerProf. Dr. med. Dr. med. dent. Wilhelm KirchInstitut für Klinische PharmakologieTechnische Universität DresdenFiedlerstraße 27, 01307 Dresden

\n

Substanz

n

Haut/Schleimhaut

Magen-Darm

Herz-Kreislauf

ZNS

Zähne

Sonstige

\n

Analgetika

Rofecoxib

1

Hypertonie

\n

Diclofenac

2

Zahnschmerzen

\n

Ibuprofen

2

generalisiertes Exanthem

Anaphylaxie,

\n

Atemnot

\n

Paracetamol

1

Übelkeit, Diarrhoe

Geschmacks-irritation, Quincke-Ödem, Atem-not, Waden-krämpfe

\n

\n

Antibiotika

Clindamycin

23

Exanthem, Urtikaria, Brennen, Schwellung, Hautrötung, Juckreiz

Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Magenschmerzen, pseudomembr. Colitis

Kreislaufkollaps, Schwindel, Herzrasen

Kopfschmerzen, Schwindel

Zahnverfärbung

Fieber,

\n

Verlust des

\n

Geschmackssinns

\n

\n

Amoxicillin

4

Exanthem

blutige Diarrhoe

Fieber,

\n

schwarze

\n

Haarzunge

\n

Metronidazol

4

Exanthem

Blut im Stuhl

 

Tinnitus

\n

 

\n

Erythromycin

2

epidermale Nekrolyse

\n

li. Gesicht

\n

 

Muskelpenicillin

\n

Magenschmerzen verspannung

\n

Phenoxymethyl-penicillin

2

Diarrhoe,

\n

Magenschmerzen

\n

Cefuroximaxetil

1

Magenschmerzen

\n

Azithromycin

1

Rötung, Schwellung

\n

im Gesicht

\n

\n

Doxicyclin

1

Diarrhoe, Erbrechen

\n

Propicillin

1

Exanthem

\n

Ofloxacin

1

ulceröse

\n

Schleimhautläsion

\n

Lokalanästhetika

Articain/ Epinephrin

15

Exanthem, Schleimhautläsionen

Schwindel, Hypertonie, Kreislaufprobleme

unscharfes Sehen, kein Tränenfluss, Sprachstörungen, Amnesie, Angst, Exzitation

Atemnot, Broncho-spasmus

\n

Mepivacain

3

labiale Schwellung, Ulcerationen am Gaumen

Herzrasen, Beklemmung,Schwindel

Ohnmacht, Zittern, Schwindel,Kopfschmerz

\n

sonstige

\n

\n

\n

\n

\n

Ethinylestradiol, Levonog.

1

Diarrhoe

\n

Omeprazol

1

lichenoide

\n

Gingivaveränderung

\n

\n

Clopidogrel

1

buccale Desquamation

\n

\n

Methylphenidat

1

Gingivahyperplasie

\n

\n

Acetylcystein

1

Gingivahyperplasie

\n

\n

Alizaprid

1

Melanodontie

\n

\n

Ondansetron

1

\n

Melanodontie

\n

\n

Methotrexat

2

Ulceration

\n

Mundschleimhaut

\n

Melanodontie

Ulceration Bauch, Gesäß

\n

Fluorouracil

1

Melanodontie

\n

Mesna

1

\n

Melanodontie

\n

Phenprocoumon

1

\n

Temperaturempfindlichkeit

\n

Atorvastatin

1

Temperaturempfindlichkeit

\n

 

\n

Carvedilol

1

\n

\n

Temperaturempfindlichkeit

\n

Prednisolon

1

Exanthem, Quaddeln

\n

Hypertonie

\n

Triamcinolon

1

Juckreiz

\n

Gingivahyperplasie

\n

Amlodipin

1

Gingivahyperplasie

\n

\n

L-Thyroxin

1

\n

Temperaturempfindlichkeit

\n

Tyrothrizin

1

\n

Paraaminobenzoat

1

Sodbrennen

\n

Hexetidin

2

Ulcerationen,

\n

Bläschenbildung

\n

Wasserstoffperoxid

1

Exanthem

\n

Aminfluorid

1

Zungenbrennen

\n

Zinnfluorid

1

Zungenbrennen

\n

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