Aus der Praxis für die Praxis

Fokale Actinomycose ... einmal anders beleuchtet

Ein interessanter Erfahrungsbericht eines Lesers erreichte die Redaktion. Eigentlich ist es ein Leserbrief zu dem Artikel in ZM 94, Nr. 2, 16. 1. 2004 (134), aber auch ein Fallbericht. Hier die Ausführungen von Dr. Dieter Kolb aus Scheidt bei Saarbrücken.

1974 im Frühjahr wurde ich im Saarbrücker Zoo von einem Esel in meinen rechten Zeigefinger gebissen. Daraus ergab sich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Zoo. An meinem freien Mittwoch nachmittag wurden mir im Keller meiner Praxis immer wieder Zootiere mit „Zahnproblemen“ vorgeführt, die ich dann versorgte.

Eines Tages vor etwa 20 Jahren erschienen drei Tierpfleger mit einem sedierten Känguru und baten mich, den für die Schwellung des Kiefers ursächlichen Zahn zu entfernen, da das Tier jegliche Nahrungsaufnahme wegen Schmerzen verweigern würde.

Bei der Inspektion der Mundhöhle konnte ich aber weder einen befallenen Zahn, noch irgend eine Lässion der Mundschleimhaut entdecken.

Nach der Palpation – bretthart versteiftes Gewebe, ohne Fluktuation – versuchte ich alle möglichen Ursachen der Schwellung zu finden – oder auszuschließen.

Wir brachten das Tier in sterile Tücher gewickelt in das Röntgenzimmer und ich machte eine extraorale Seitenaufnahme des befallenen Kiefers.

Die Zähne waren alle o.b. – allerdings imponierte eine massive Verdichtung im UK.

Verdachtsdiagnose

Meine Verdachtsdiagnose lautete: Actinomycose.

Dieses Krankheitsbild gab es nach dem Zweiten Weltkrieg fast nicht mehr bei Menschen in unserer Region.

Früher war diese Krankheit noch weit verbreitet. Landwirte litten häufig darunter, da sie gewohnheitsmäßig Grashalme abrupften und dann darauf herumkauten.

Durch Mikroverletzungen in der Mundschleimhaut infizierten sie sich. Ich erinnere mich noch, dass mir meine Mutter als Kind verboten hat, Grashalme auszureißen und darauf rum zu kauen.

Mein ehemaliger Prof. Dr. mult. Ritter zeigte uns mal – etwa 1967 – in der Vorlesung ein Schwarz-weiß-Dia von einem Patienten mit Actinomycose! Er sagte damals: „Das gibt´s heute kaum noch, aber merkt´s euch!“

Situation des Kängurus

Auf Befragen gaben die Pfleger des Zoos an, dass die Kängurus schon lange Zeit auf demselben Gelände gehalten würden und schon einige Kängurus dort verendet wären.

Endlich fragte ich nach dem Wert des Tieres und erfuhr: „Ein Bennet Känguru kostet etwa 200 bis 400 DM“.

Ich schlug vor, das Tier zu töten und den Kopf in der Pathologie untersuchen zu lassen wegen Verdachts auf Actinomycose. Das war alles, was ich den Pflegern vom Zoo sagen konnte. Allerdings habe ich ihnen noch vorgeschlagen, die übrigen Tiere auf ein anderes Gelände zu bringen, denn das derzeitige Gehege war wohl total verseucht. Nachdem das geschehen ist, gab es keine Probleme mehr.

Pathologische Untersuchung

Etwa drei Wochen später erfuhr ich von Professor Mitschke, Chefpathologe in Homburg, dass meine Vermutung richtig war. Mit diesem Känguru wurde ich viele Jahre später dann zufälligerweise noch einmal konfrontiert:

Etwa zwei Jahre später war ich bei einer Fortbildung in meiner „alten“ Klinik. Dort wurde über den Befall der Wunden von operativ entfernten Weisheitszähnen mit Actinomyces Keimen referiert.

Der Kollege hatte sich für seine Dissertation viel Mühe gemacht!

Und das Referenzserum war von „meinem" Känguru.

Dr. med dent. Dieter H. KolbKaiserstraße 83 (Scheidt),66133 SaarbrückenE-Mail:d.kolb@mx.uni-saarland.de.www.dr-kolb.de

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