Studien: Registrierung für Transparenz

Einheitlichkeit gefragt

Studiengeschehen müssen transparent sein. Diese internationale Forderung nach aktuellen und miteinander vergleichbaren Informationen aus medizinischen Studien ist und bleibt aktuell. Das Einzelwissen der Konzerne oder Auftraggeber sei bisweilen lebensgefährlich, monierten Kritiker die verzögerte und teilweise willkürliche Freigabe der Daten. Und sie bewegten etwas.

Den Stein ins Rollen brachte der Prozess letzten Sommer gegen GlaxoSmithKline in New York. Der Vorwurf: Der Konzern habe zu dem Antidepressivum Paroxetin nur eine von fünf Studien veröffentlicht und Erkenntnisse zurückgehalten, dass es bei depressiven Kindern und Jugendlichen die Suizidgefahr erhöhe. Insider monierten die beliebte Unterdrückung oder zumindest Verzögerungstaktik der Publikation bei jenen Studien, die unliebsame Ergebnisse lieferten. Doch nach dem Prozess in New York mehrten sich die Stimmen nach einem besseren Zugang zu den Daten. Von einer Million Studien seit 1948 ist nicht einmal jede zweite veröffentlicht worden, erinnert die Medizinerin Dr. Trude Butterfaß-Bahloul, Koordinierungszentrum für Klinische Studien Münster.

Die Macht der Medien

Die Herausgeber von elf Zeitschriften, darunter Lancet und JAMA, haben im September 2004 die Anmeldung kontrollierter klinischer Studien vor „Rekrutierung“ in einem öffentlichen Register zur Bedingung für ein Review in spe gemacht. Mit strengen Vorgaben für den Stichtag: für neue Studien der 1. Juli, für laufende der 13. September 2005, für abgeschlossene der erste Jahrestag der Marktreife. Das brachte die Bosse einiger Pharmafirmen offenbar ins Schwitzen. Nur hat transpirieren wenig mit Transparenz zu tun. Die aber musste dringend her.

Die Industrie legte ergo nach: Im Januar dieses Jahres empfahl der Internationale Pharmaverband (IFPMA) seinen Mitgliedern in Europa, Amerika und Japan, die Resultate künftig zu registrieren und zu publizieren. Viele Firmen haben der Empfehlung zur Registrierung – zum Beispiel in Clinical- Traials.gov oder in frei zugänglichen firmeneigenen Datenbanken – bereits entsprochen. Andere, zum Beispiel Actelion, geben an: „Registrierungsdatenbank in Vorbereitung; wird für nächste Studie zur Verfügung stehen“ oder BerlinChemie: „Datenbank wird vor Beginn der nächsten neuen Studie bekanntgegeben.“ Der VFA betont auf seiner Homepage: „Schon bisher haben die Arzneimittelhersteller alle Arzneimittelstudien in einer behördlichen Datenbank registriert und sämtliche Studienergebnisse den Arzneimittelbehörden mitgeteilt. Arzneimittelzulassungen und die Sicherheitsbewertung zugelassener Arzneimittel durch staatliche Einrichtungen erfolgten also stets auf lückenloser Datengrundlage.“

In kostenfreien, öffentlich zugänglichen Datenbanken im Internet soll jeder Wissbegierige über die Arzneimittelstudien mit Patienten in Kliniken und Praxen kundig werden können. „Die lückenlose Publikation aller Studienergebnisse soll dazu beitragen, dass sich Ärzte bei der Behandlung ihrer Patienten …“, – so der Originalwortlaut des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) – „stets auf den gesamten Wissensstand zu einem Medikament stützen können“. Dessen Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer, die ihrem Verband diesen Fortschritt auf die Fahne schreibt, frohlockte: „Ein bedeutender Schritt zu mehr Transparenz“ sei getan.

Die Vorgaben klingen viel versprechend. Die Hersteller sollen in der Datenbank auch Konzepte und Orte der Durchführung für ihre laufenden Projekte publizieren. So könnten interessierte Patienten sich zeitnah informieren, meinte Yzer.

Dennoch zeigten sich die Kritiker nicht zufrieden gestellt. Besser sei nicht zwangsläufig gut, „mehr Transparenz“, wie Yzer es genannt hatte, eben keine völlige Transparenz. Die aber will die frisch gegründete „Initiativgruppe Studienregistrierung“ zumindest für alle hierzulande durchgeführten Studien einfordern, auch gegen den Widerstand der Industrie. Hinter der Initiative stehen angesehene Forschungsinstitute, unter anderem das Deutsche Cochrane Zentrum. Die Bemühungen um ein Konzept unterstützen der Wissenschaftsrat, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und andere, wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Der Gesundheitsausschuss hat bereits den Bundestag darauf hingewiesen, dass es derzeit in Deutschland keinen vollständigen Überblick über das Studiengeschehen gebe. Der Tenor: Studienergebnisse sollen zeitnah und vollständig zur Verfügung stehen, damit Forschung und medizinische Praxis darauf aufbauen können.

So gehört laut Professor Dr. Karl Max Einhäupl, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, ein nationales Studienregister zu einer „Kultur klinischer Studien“, wie sie etwa die Niederlande oder Großbritannien pflegen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelt eine Standardisierung für ein Netzwerk nationaler Register, die auf einer eindeutigen, global gültigen Kennung der Projekte aufbaut. Einhäupl monierte, dass der VFA die Mitarbeit an diesem „breiten Bündnis für den Aufbau einer nationalen Registrierung“ mit einer für ihn nicht nachvollziehbaren Argumentation ablehnt.

Letztlich soll es wohl um Wohl und Wehe der Patienten gehen. Wenn weder Patient noch Arzt erfahren, ob und wo eine Studie zu einer vorliegenden Erkrankung (an)läuft, bleiben beide außen vor; der Nutzen der Studie sinkt schon im diesem Stadium. Oder wird er bereits in der Planungsphase reduziert? Weil zum Beispiel zu einem bestimmten Problem bereits eine Studie vorliegt, aber in den Archiven der Auftraggeber wie ein unbeschriebenes Blatt in der Versenkung verschwindet? Tappen Regierung und forschende Organisationen im Dunkeln, fehlt das Fundament, um bedarfsgerecht zu agieren, monierte die „Initiativgruppe Studienregistrierung“.

Weniger bringen mehr

„Warum das Rad neu erfinden, wenn es nur aus der Garage geholt werden muss?“ wehrte Yzer die Forderung nach einem nationalen Studienregister ab. Sie räumte explizit „ein Chaos bei der Studieninformation“ ein, das sie auf den guten Willen vieler veröffentlichungswilliger Institutionen und den Mangel an Einheitlichkeit zurückführt. Und plädierte für wenige, aber ziel(gruppen) gerichtete Register. Der IFPMA wolle zum Beispiel diesen Herbst ein öffentliches Internetportal einrichten, das per Suchfunktion Angaben über laufende und Ergebnisse abgeschlossener Studien zu einem Krankheitsgebiet zusammenführt.

Aus dem EudraCT, der European Clinical Trial Database, wiederum sollen die Pflicht- Einträge jetzt ins öffentliche Register der europäischen Zulassungsagentur übernommen werden, so der VFA.

Butterfaß-Bahloul bestätigte: Register gebe es, sogar viele. Doch jedes mit so ausgeprägten Besonderheiten, dass sie sich weder vergleichen ließen noch ergänzten. Und in Deutschland auch kein nationales. Ursächlich dafür seien laut amerikanischer Untersuchungen unter anderem der Widerstand der Industrie, mangelnde ernsthafte Bemühungen um ein gehaltvolles Ergebnis sowie fehlende Mechanismen für das Vorantreiben eines Registers und einfach das mangelnde Bewusstsein für die Problematik als solche.

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