Repetitorium

Prädiabetes – Diabetes

Die Zahl der Menschen mit einem Typ 2-Diabetes nimmt in der Bevölkerung stetig zu. Sie wird auch künftig weiter steigen, da es eine enorm große Zahl an Menschen in einem prädiabetischen Zustand gibt. Den meisten ist die gesundheitliche Gefahr, in der sie leben und die vor allem durch die hohe Gefährdung im Hinblick auf Herz- und Gefäßerkrankungen bedingt ist, nicht bewusst.

Beim Diabetes werden der Typ 1-Diabetes, der meist in jungen Jahren auftritt, und bei dem Autoimmunphänomene als Grundlage vermutet werden, und der in seiner Inzidenz stetig steigende Typ 2-Diabetes unterschieden. Der Typ 2-Diabetes geht zurück auf das Zusammenspiel von genetischen und Umweltfaktoren. Wesentliches Merkmal dieser Erkrankung, die früher auch als Altersdiabetes bezeichnet wurde und an der zunehmend jüngere Menschen und sogar Kinder und Jugendliche erkranken, ist eine zunehmende Insulinunempfindlichkeit, eine Insulinresistenz.

Während am Typ 1-Diabetes rund fünf bis zehn Prozent der Diabetiker leiden, sind heute rund 90 Prozent von dem Typ 2-Diabetes betroffen. Daneben gibt es verschiedene Sonderformen, die jedoch vergleichsweise selten auftreten.

Die Prävalenz wird weiter steigen

Derzeit wird die Zahl der Menschen mit Typ 2-Diabetes in Deutschland auf rund fünf Millionen geschätzt. Sie dürfte sich in wenigen Jahren verdoppeln. Schon für das Jahr 2010 rechnen die Diabetologen mit zehn Millionen Diabetes-Patienten in Deutschland. Bereits heute aber müssen für die Diabetes- Behandlung jährlich laut AOK-Daten mindestens 23,5 Milliarden Euro aufgewandt werden. Der Diabetes wird die Gesundheitssysteme deshalb – unabhängig von den persönlichen Belastungen der Erkrankten – aus rein ökonomischen Gründen schon in wenigen Jahren vor enorme Herausforderungen stellen, so hieß es kürzlich beim 1. Internationalen Prädiabetes- Symposium in Berlin.

Der Manifestation des Typ 2-Diabetes gehen Jahre eines prädiabetischen Stadiums voraus. In dieser Zeit sind die in den Arztpraxen üblicherweise zur Abklärung eines Diabetes ermittelten Nüchtern-Glukosewerte meist noch weitgehend normal. Es kommt jedoch bei den Betroffenen postprandial zu einer Störung der Glukoseverwertung und zum Ansteigen der Glukose im Blut (Hyperglykämie) über das übliche Maß hinaus. Da die postprandialen Blutzuckerwerte in der Regel nicht bestimmt werden, bleibt das prädiabetische Stadium häufig lange Zeit unentdeckt.

Hohe Dunkelziffer

Dass zu den geschätzten Prävalenzzahlen eine hohe Dunkelziffer hinzu kommt, hat vor einigen Jahren eine Erhebung im Augsburger Raum (KORA-Studie) ergeben. In der untersuchten Gruppe der 55- bis 74- Jährigen wurde eine Diabetesrate von 8,7 Prozent registriert. Auf jeden bekannten Diabetes kam praktisch ein neu diagnostizierter Diabetes (8,2 Prozent), so dass die tatsächliche Diabetesrate offenbar in dieser Altersgruppe deutlich über 16 Prozent liegt. Bei weiteren 16 Prozent der untersuchten Probanden lag zudem eine frühe Störung des Glukosestoffwechsels mit erhöhtem Nüchtern- oder erhöhtem postprandialen Blutzucker vor. Damit weisen fast 40 Prozent aller Menschen im Alter zwischen 55 und 75 Jahren Störungen im Blutzuckerhaushalt auf.

Das deckt sich mit amerikanischen Erhebungen, die ergaben, dass etwa jeder dritte Mensch im höheren Lebensalter einen Diabetes mellitus entwickeln wird.

Altersdiabetes schon bei Kindern

Die Zahl der betroffenen Kinder steigt stetig an. Fast immer handelt es sich um übergewichtige oder sogar adipöse Kinder, so Professor Dr. Thomas Danne aus Hannover beim diesjährigen Jahreskongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Berlin. Nach seinen Worten leiden heute vier bis acht Prozent der Schulkinder unter Adipositas. Sieben Prozent dieser Kinder und Jugendlichen haben eine gestörte Glukosetoleranz und 1,6 Prozent einen manifesten Typ 2- Diabetes.

Postprandiale Hyperglykämie

Vor allem die postprandiale Hyperglykämie, die meist in Verbindungen mit diversen anderen Risikofaktoren auftritt, wird von den Diabetologen als Merkmal einer drohenden Diabetes-Erkrankungen angesehen. Sie gilt seit einigen Jahren außerdem als eigenständiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Komplikationen, nachdem in epidemiologischen Studien ein mit den postprandialen Blutzuckerwerten praktisch linear steigendes kardiovaskuläres Risiko festgestellt wurde.

Pathologische Glukosetoleranz

Die Verbindung zwischen Diabetes und Herz- und Gefäßerkrankungen ist dabei enger als bislang vermutet wurde. Zwar ist schon länger bekannt, dass die Mehrzahl der Typ 2-Diabetiker letztlich durch eine kardiovaskuläre Komplikation verstirbt, erst kürzlich aber wurde die „common soil-Hypothese“ aufgestellt. Demnach ist eine Glukoseverwertungsstörung, konkret eine pathologische Glukosetoleranz, die Grundlage für beide Erkrankungen, also für den Diabetes und auch für kardiovaskuläre Erkrankungen.

Prävention als oberstes Gebot

Vor dem Hintergrund der geschilderten Entwicklung hat sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft die Bemühungen um eine effektive Prävention des Diabetes als oberstes Gebot auf die Fahne geschrieben. „Denn die Prävention ist die einzige Möglichkeit, die drohende Diabetes-Lawine zu stoppen“, erklärte in Berlin Professor Dr. Hans Hauner aus München.

Es muss einerseits darum gehen, Typ 2-Diabetiker frühzeitiger zu erkennen und durch eine adäquate Behandlung die Gefahr von Folgekomplikationen abzuwenden, was jedoch eine von Anfang an konsequente Stoffwechseleinstellung voraussetzt. Es gilt darüber hinaus, in Risikopopulationen nach einem beginnenden Diabetes zu fahnden und zugleich Patienten mit Prädiabetes zu identifizieren. Bei ihnen kann möglicherweise durch ein intensives präventives Engagement die Manifestation des Typ 2-Diabetes abgewendet werden.

Sowohl bei Diabetikern wie auch Prädiabetikern ist nach Professor Dr. Jaako Tuomilehto, Kupio, eine Lebensstiländerung das A und O. Da vor allem die Adipositas pathogenetische Bedeutung hat, muss primär versucht werden, Übergewicht abzubauen. Goldstandard zur Beurteilung des Übergewichtes war bislang der Body-Mass-Index (BMI). In den vergangenen Jahren wurde außerdem vermehrt das Verhältnis zwischen Taillen- und Hüftumfang zur Bewertung des Übergewichtes herangezogen.

Inzwischen ist jedoch gut dokumentiert, dass in erster Linie das viszerale Fettgewebe für die Risikosteigerung verantwortlich ist. Es ist nur durch aufwändige Verfahren zu messen, gute Anhaltspunkte für das Vorliegen einer abdominellen Adipositas gibt aber der Bauchumfang des Patienten, der in direkter Korrelation zum Ausmaß des viszeralen Fettes und damit auch zum kardiovaskulären Risiko des Patienten steht. Erhöht gefährdet sind, so wurde beim 1. Internationalen Prädiabetes Kongress erarbeitet, Menschen ab einem Bauchumfang von 94 Zentimetern (Männer) und Frauen mit einem Taillenumfang über 80 Zentimetern.

„Die kardiovaskuläre Gefährdung kann dabei schon drastisch gesenkt werden, wenn die Patienten nur fünf Prozent ihres Körpergewichtes abnehmen“, so Tuomilehto. Dies höre sich zwar wenig an, habe aber hinsichtlich des kardialen Risikos einen enormen Effekt, betonte der Wissenschaftler und rechnete die Zusammenhänge an einem Beispiel vor: Wiegt ein Patient 100 Kilogramm, so hat er gegenüber den noch als normal anzusehenden 80 Kilogramm ein Übergewicht von 20 Kilogramm. Schafft er es, sein Körpergewicht um fünf Kilogramm zu reduzieren, so senkt er sein Übergewicht damit um 25 Prozent, das viszerale Fett geht sogar um 40 Prozent zurück.

Dass es sich bei der Prävention durch eine Lebensstilmodifikation um ein durchaus realistisches Ziel handelt, hat nach Angaben des Mediziners die finnische Präventionsstudie ergeben. In dieser Untersuchung wurden 522 Personen mit einem gestörten Glukosebelastungstest und somit einem hohen Diabetesrisiko zufällig einer Interventions- und einer Kontrollgruppe zugeteilt. Die Kontrollgruppe bekam allgemeine Empfehlungen für eine gesunde Ernährung und vermehrte körperliche Aktivität. Dieses Vorgehen wurde eingangs einmal jährlich wiederholt. Deutlich intensiver wurde die Interventionsgruppe betreut, wobei eine Gewichtsabnahme von mindestens fünf Prozent durch fettarme und ballaststoffreiche Kost angestrebt wurde. Zusätzlich wurden die Studienteilnehmer durch häufige Gespräche motiviert, sich täglich mindestens 30 Minuten lang körperlich zu belasten.

Nach einem Jahr und sowie nach zwei Jahren wurde in der Interventionsgruppe eine Gewichtsabnahme von gut vier Kilogramm im Durchschnitt erzielt, während das Körpergewicht in der Kontrollgruppe weiter zugenommen hatte. Die Studie musste bereits bei der ersten Zwischenanalyse abgebrochen werden, da die Zahl der neu aufgetretenen Diabetesfälle in der Interventionsgruppe um 58 Prozent niedriger lag als in der Kontrollgruppe. Eine amerikanische Präventionsstudie hat die Resultate der finnischen Untersuchung voll bestätigt.

Die Gewichtsreduktion ist jedoch nicht das alleinige Ziel. Zur Lebensstiländerung gehört auch der Verzicht auf Nikotinkonsum, eine stetige vermehrte körperliche Aktivität und eine generell gesunde Ernährung mit vitamin- und ballaststoffreicher Kost.

Medikamentöse Prävention

Neben der Lebensstiländerung ist auch eine medikamentöse Prävention möglich, wie die amerikanische Präventionsstudie (Diabetes Prevention Programm) zeigen konnte. Das Probandenklientel bestand aus 3 000 Personen mit Übergewicht und gestörter Glukosetoleranz. Alle erhielten eine intensive Schulung zur Ernährung sowie Sport. Einer zweiten Gruppe wurde das Antidiabetikum Metformin und der Kontrollgruppe Placebo appliziert. Metforminund Placebogruppe wurden basisbezogen ernährungs- sowie bewegungsbezogen aufgeklärt.

Das Risiko, einen Typ 2-Diabetes zu entwickeln, konnte durch die intensive Schulung um 58 Prozent reduziert werden. Eine ausgeprägte Risikominderung um immerhin 31 Prozent wurde zudem unter Metformin gegenüber Placebo gesehen.

Auch durch das Antidiabetikum Acarbose wird die Diabetesgefahr beim Prädiabetes um rund ein Drittel minimiert, wie die Daten der STOP NIDDM-Studie (Study To Prevent Non Insulin Dependend Diabetes Mellitus) ergeben haben. An der Studie nahmen mehr als 1 400 Personen mit gestörter Glukosetoleranz teil und erhielten für dreieinhalb Jahre entweder das Antidiabetikum oder ein Scheinpräparat. Durch die Einnahme der Acarbose, die vor allem den postprandialen Blutzucker senkt, wurde laut Professor Dr. Avraham Karasik, Tel Aviv, das Risiko der Entwicklung eines manifesten Diabetes um 36 Prozent gesenkt.

Auch das kardiovaskuläre Risiko senken

Besonders bemerkenswert war nach Karasik die Tatsache, dass neben der Diabetesrate auch die Rate kardiovaskulärer Ereignisse bei den Studienteilnehmern niedriger war und das um immerhin 49 Prozent. Gleichzeitig wurde seltener das Auftreten eines neuen Hypertonus beobachtet.

Die genannten Medikamente haben aber nicht nur bei Prädiabetikern präventive Bedeutung, sondern auch bei manifestem Diabetes. Das zeigen die Daten der MeRIAStudie (Metaanalysis of Risk Improvement under Acarbose), einer Metaanalyse von sieben Doppelblindstudien zu dieser Fragestellung. Nach dem Ergebnis der Untersuchung senkt Acarbose auch bei Diabetikern das kardiovaskuläre Risiko und das um 35 Prozent.

Wie bedeutsam solche Befunde sind, macht Professor Dr. Paul Zimmet aus Melbourne in Berlin deutlich: Die steigenden Diabeteszahlen werden nach seinen Worten die sozioökonomische Belastung der Gesellschaft quasi explodieren lassen. Schon heute ist der Diabetes nach Zimmet eine kostenträchtige Erkrankung, die wirtschaftlichen Folgen für die Zukunft sind kaum abzuschätzen. „Bemühungen um die Prävention werden in jedem Fall ökonomisch sein“, betonte der australische Epidemiologe. Denn die Kosten der Medikation werden laut Zimmet durch die verhinderten kardiovaskulären Komplikationen und die dadurch vermiedenen Kosten mehr als kompensiert.

Blutzuckereinstellung

Zur Prävention bei manifestem Diabetes gehört außerdem eine möglichst normgerechte Blutzuckereinstellung. Anzustreben ist ein HbA1c-Wert – ein Wert, der die langfristige Qualität der Blutzuckereinstellung widerspiegelt – unter sieben Prozent. Denn oberhalb dieses Wertes steigt die Gefahr von Folgekomplikationen drastisch an. Es droht unter anderem die diabetische Nephropathie, die für die hohe Rate an Patienten, die dialysepflichtig werden, verantwortlich zeichnet. Ebenso drohen die diabetische Retinopathie, mit Erblindungsfolge, sowie die diabetische Neuropathie, die Komplikationen wie dem diabetischen Fuß den Weg bereitet und damit die Gefahr für Amputationen steigert. Einen HbA1c unter sieben Prozent erreichen den Studien zufolge die meisten Patienten hierzulande nicht, so dass auch beim manifesten Diabetes im Hinblick auf die Folgekomplikationen noch ein erhebliches Präventionspotenzial besteht.

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