Differentialdiagnose einer submentalen Weichgewebsschwellung

Submentale Weichgewebsaktinomykose nach Zahnextraktion

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Bei einer 44-jährigen Patientin entwickelte sich im Laufe mehrerer Wochen eine derbe, zirka 3x3 Zentimeter große, leicht druckdolente, nicht fluktuierende, gegen die submentale Muskulatur verschiebliche Raumforderung in der Submentalregion (Abb. 1). Anamnestisch war etwa zehn Wochen zuvor der Zahn 47 entfernt worden. Die lokale Wundheilung war damals ungestört verlaufen.

Unter der Verdachtsdiagnose eines entzündlichen Infiltrates als Spätinfektion wurde durch den vorbehandelnden Zahnarzt für Oralchirurgie probatorisch eine antibiotische Therapie eingeleitet. Es kam zu einer partiellen Rückbildung der Raumforderung, jedoch nicht zur Ausheilung. In der Folge wurden unter Einbeziehung des Hausarztes Ursachen einer Lymphknotenschwellung betrachtet, es ergaben sich aber keine serologischen Hinweise auf typische Erreger wie Toxoplasmose oder EBV (Epstein-Barr-Virus). Die anschließende Magnetresonanztomographie (Abb. 2) zeigte eine solide, unregelmäßig begrenzte Gewebevermehrung im Spatium submentale, ein zystischer Befund im Sinne einer medianen Halszyste lag nicht vor.

Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme war die Schwellung trotz antibiotischer Therapie progredient. Der als annähernd runder Tumor tastbare Befund war allerdings gegen die Haut noch gut verschieblich. Sonographisch (Abb. 3) stellte sich ein unscharf begrenztes, eher einem entzündlichen Infiltrat entsprechendes, inhomogenes Areal submental mit fraglichen minimalen Einschmelzungsherden dar. Unter dem Verdacht auf ein chronisches Infiltrat oder eine Aktinomykose erfolgte daher eine chirurgische Revision und Exstirpation des Befundes in toto. Im Anschnitt des sehr festen Gewebes (Abb. 4) zeigten sich kleine Einschmelzungszonen und Einblutungen eingebettet in ein fibrotisches Narbengewebe. Histologisch ergab sich der Aspekt einer abszedierenden Aktinomykose des Weichgewebes mit typischen Drusenbildungen innerhalb eines granulozytären Infiltrates und multiplen Einschmelzungsherden (Abb. 5).

Diskussion

Die Aktinomykose wird durch Actinomyces israeli hervorgerufen, der physiologisch in der Mundhöhle vorhanden ist, und sich als Schlupfwinkelkeim mithilfe einer obligaten Begleitflora auch in die Umgebungsgewebe ausbreiten kann. Ergibt sich beispielsweise im Rahmen einer Zahnentfernung eine Eintrittspforte, kann sich der obligat anaerobe Keim unter ungünstigen Bedingungen sekundär als Aktinomykose der Weichgewebe, aber auch des Knochens etablieren. Dies geschieht typischerweise mit einer Latenz von einigen Wochen, aber manchmal auch noch viele Monate post extractionem. Gesichert werden kann die Diagnose histopathologisch durch Nachweis grampositiver Fadenbakterien und der charakteristischen Drusenbildung oder mittels mikrobiologischer Kulturverfahren unter anaeroben Bedingungen [Sah SP et al., 2001].

Das klinische Verhalten der zervikofazialen Aktinomykose kann sehr variantenreich sein. Das typische Erscheinungsbild ist durch brettharte Infiltrate und rezidivierende Fistelbildung oft in livide veränderter Haut gekennzeichnet. Die schleichende, klinisch lange Zeit recht unspezifische Symptomatik erfordert mitunter eine Abgrenzung zu neoplastischen Erkrankungen [Lang-Roth et al., 1998]. Auch chronische unspezifische Lymphadenitiden, eine Unterkieferosteomyelitis und andere typischerweise primär chronisch verlaufende Infektionen, wie die Tuberkulose, kommen differentialdiagnostisch in Betracht. Im vorliegenden Fall ergaben sich allerdings weder serologische Hinweise auf Erreger typischer Lymphadenitiden, noch fand sich ein radiologisches Korrelat einer Osteomyelitis. Obwohl Aktinomyces israeli selbst grundsätzlich eine hohe Sensibilität für Penicillin hat, verlangt die immer vorhandene bakterielle Begleitflora einen breiten antibiotischen Therapieansatz in dem vor allem Aminopenicilline (wie Amoxycillin) zum Einsatz kommen. Ausgedehnte, multifokale Abszedierungen und Fistelsysteme erfordern allerdings häufig eine chirurgische Sanierung.

Für die zahnärztliche Praxis soll dieser Fall vor allem noch einmal auf den Stellenwert einer eingehenden Anamnese auch für infektiöse Erkrankungsbilder hinweisen, da die zeitliche Latenz zwischen der meist odontogenen Primärinfektion und der Manifestation klinischer Symptome einer Aktinomykose mitunter viele Monate dauern kann.

Dr. Felix KochPD Dr. Dr. Martin KunkelDr. Christian WalterKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgieder Johannes Gutenberg-Universität MainzAugustusplatz 255131 Mainz

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