Alles im Fluss
Die Situation ist beinahe alltäglich: nach mehr oder weniger intensiven Gesprächen und Verhandlungen einigen sich Bank und Zahnarzt auf die Einzelheiten eines Kreditvertrages. Den erhält der Kunde einige Tage später mit der Bitte um Unterschrift. Der Zahnarzt wirft meist einen kurzen Blick auf die wesentlichen Details des Vertrages, wie Kredithöhe, Laufzeit und Effektivzins, unterschreibt das Formular und schickt‘s zurück. Steht das Darlehen kurz danach auf dem Geschäftskonto des Zahnarztes zur Verfügung, ist das Thema für ihn meist erledigt: Zins- und Rückzahlungsraten erfolgen ja gemäß den vereinbarten Bedingungen. Für die Bank aber noch lange nicht.
Die „Hintermänner“
Die Kreditakte landet nämlich keineswegs in der Ablage. Sie wird vielmehr, sobald der Kredit läuft, im Rahmen des „Kreditmanagements“ nach allen Regeln der Technik bearbeitet. Dazu gehört im Wesentlichen, sowohl die Bonität des Kunden regelmäßig zu prüfen als auch zu beobachten, wie sich die Praxis wirtschaftlich entwickelt. Entscheidender Faktor: Hierbei sind nicht die ursprünglichen Berater der Kunden, sondern Kreditsachbearbeiter am Werk. Sie beurteilen den Kunden weitgehend unbeeinflusst von der – meist persönlicheren – Bindung des Beraters zum jeweiligen Kunden. So beurteilt der Bearbeiter einzelne Sachverhalte je nach Situation mitunter weit ungünstiger als der jeweils für den Kunden unmittelbar verantwortliche Kundenberater, der eine möglichst langfristige, geschäftsintensive Kundenbeziehung naturgemäß über die Anwendung der Kriterien der Kreditüberwachung stellt. Differenzen in der jeweiligen Einschätzung der Bonität des Kreditnehmers beider Bankmitarbeiter sind daher an der Tagesordnung.
Betriebswirtschaftlich denkende Praxischefs berücksichtigen diesen Umstand und sprechen ihren Kundenberater gezielt auf die Einschätzung seines Kollegen an. Denn Meinungsunterschiede liegen häufig dann vor, wenn beispielsweise zusätzliche Sicherheiten gefordert werden oder wenn sich die Zeiträume zur regelmäßigen Offenlegung der wirtschaftliche Lage der Praxis plötzlich verkürzen. Statt Diskretion oder Zurückhaltung zu wahren, sollte der Kunde in solchen Situationen vielmehr „offensiv“ um ein kurzfristiges Gespräch zwischen Kundenberater, Kreditsachbearbeiter und ihm als Kunden bitten, um die Lage gemeinsam zu erörtern und eine möglichst einvernehmliche Lösung zu erzielen. Mit einer solchen Dreierrunde holt er den Sachbearbeiter aus dessen Anonymität heraus und baut auch zu ihm eine persönliche Gesprächsebene auf.
Wesentliche Gesichtspunkte zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Kunden ergeben sich, neben den Inhalten der eigentlichen Bonitätsprüfung, auch aus der Kontoführung des Kunden wie des damit verbundenen Umfanges der über das jeweilige Geschäftskonto abgewickelten Geschäftsumsätze. Die Bank vergleicht diese Zahlen mit den in Bilanzen, Einnahme-Überschuss-Rechnungen oder in betriebswirtschaftlichen Auswertungen ausgewiesenen Angaben und kann somit ihren Anteil am Gesamtumsatz des Kunden ermitteln. Negative oder positive nachhaltige Abweichungen, etwa zum jeweiligen Vorjahr, sind vom Kunden regelmäßig zu kommentieren und gegebenenfalls zu verändern. Hier greifen dann Vereinbarungen des Darlehensvertrages über einen entsprechend hohen Umsatz via Konten der Kredit gebenden Bank. Der Grad der Ausnutzung der Kreditlinie auf dem Geschäftskonto des Praxisinhabers lässt Rückschlüsse auf die Geschäftsentwicklung und damit direkt auf die Kreditwürdigkeit zu: Erklärungsbedarf entsteht vor allem bei permanenter Ausreizung sowie bei wiederholten Überziehungen. Das gilt ebenso für erkennbare Tendenzen bei Überziehungen: nehmen sie im Jahresverlauf zu und werden sie so zur Regel, wird von der Bank meist um ein Gespräch gebeten.
Erkennt ein Kunde nahenden Informationsbedarf seitens der Bank, sollte er von sich aus das kurzfristige Gespräch mit seinem Kundenberater suchen. Seine Eigeninitiative kann durchaus mögliche Eskalationen vermeiden. Das gilt auch für kurzfristig erforderliche Krediterhöhungen auf dem Praxiskonto, die der Zahnarzt frühzeitig beantragt.
Zuviel bleibt zuviel
In der Regel werden Kontoüberziehungen zwar auch ohne ausdrückliche Absprache vorübergehend zugelassen. Aber auf diese Kulanz ist kein Verlass: Immer wieder löst die kontoführende Bank beispielsweise Lastschriften überraschend nicht ein – um den Kunden an die vereinbarte Kontoführung zu erinnern. Diese Erinnerung kann schmerzhaft sein, wenn seine Geschäftspartner seine Bonität anzweifeln. Nicht eingelöste Lastschriften können Geschäftsverbindungen bekanntlich sehr schnell beenden. Zudem sind geduldete Kontoüberziehungen teuer. Unnötig teuer. Fragen zu den Details des Unternehmensratings als wesentlichem Kriterium zur Ermittlung der Kreditwürdigkeit oder Bonität des Kunden können Mitarbeiter des Kreditmanagements ausführlich beantworten. Da dieses Rating großen Einfluss auf die Zinskonditionen hat, sollte sich jeder interessierte Kunde bei seinem Kundenberater um regelmäßige Hintergrundinformationen zu den Faktoren des Ratings bemühen. Ziel dieser Infogespräche: schrittweise das Rating zu verbessern, gleichzeitig die Chancen auf niedrige Kreditzinsen mehren.
Je detaillierter Kundenberater und Kreditsachbearbeiter die Ratingbestandteile und deren Gewichtung innerhalb der Bewertung darstellen, umso mehr Akzeptanz kann die Bank als Kreditgeber in der Regel auch für wenig populäre Maßnahmen, wie einer zusätzlichen Bereitstellung von Kreditsicherheiten, erwarten. Vorausgesetzt, die Bankmitarbeiter sind fähig, die Entwicklungsschritte des jeweiligen Ratings konkret darzustellen und zu erläutern. Vor allem die erwähnte Gewichtung der sogenannten „weichen“ und „harten“ Faktoren, bei denen es vor allem einerseits um unternehmerische Fähigkeiten des Zahnarztes und andererseits um betriebswirtschaftliche Kennzahlen geht, ist hier von großer Bedeutung.
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