RSA-Ausgleich

PKV-Versicherte sollen die GKV sanieren

Karl Lauterbach (SPD) will die PKV am Risikostrukturausgleich der Kassen beteiligen. Zehn Milliarden Euro sollen die Privaten pro Jahr dort einbezahlen. Politik und PKV protestieren. Nur Ulla Schmidt hält sich bedeckt. Und nutzt indes die Gunst der Stunde, um durch die kalte Küche ihre Bürgerversicherung einzuführen.

Erst wirft er der PKV vor, sie entzöge den gesetzlichen Kassen mehr als 1,3 Milliarden Euro, weil sie Gutverdiener und Gesunde abwerbe – jetzt legt Lauterbach ein Konzept vor, wie sie diesen Aderlass künftig auszugleichen hat.

Nach einer Studie des Kölner Instituts für Gesundheitsökonomie (IGKE), das Lauterbach leitet, sind die PKV-Beiträge nämlich deshalb so niedrig, weil Privatversicherte über ihre Policen die Beiträge für Geringverdiener, Ehefrauen und Kinder nicht mitbezahlen. Vom GKV-Höchstbetrag strömten hingegen 250 Euro pro Monat in den Sozialausgleich. Ein Unterschied, der ordnungspolitisch nicht zu rechtfertigen sei.

„PKV pickt die Rosinen“

Weil die PKV nicht in den Ausgleich einbezogen wird, richte sie ihre Tarife gezielt auf Gesunde aus. Sie picke sich die Rosinen aus dem Kuchen und verschaffe sich dadurch Marktvorteile. Bei höheren Preisen und mit größerer Ineffizienz könne sie dennoch ausgewählten Versicherten günstigere Konditionen anbieten als die GKV. Das aber widerspreche dem Wettbewerbskonzept. Und darum müsste die PKV für den RSA rund zehn Milliarden Euro pro Jahr auf den Tisch legen. Das würde heißen, rechnet Lauterbach, dass die monatlichen Sätze um 100 Euro pro PKV-Patient nach oben klettern. Selbst wenn die PKV nur auf der Einnahmenseite in den RSA integriert würde, also Versicherte mit geringen und keinen Beiträgen, wie Ehepartner und Kinder, aufnimmt, spüle dies 9,9 Milliarden Euro in die GKV. Eine vollständige Eingliederung der Privaten in den RSA würde dem Institut zufolge noch höhere Transfers auslösen, weil die PKV-Patienten „eher eine unterdurchschnittliche Morbidität aufweisen“.

Bei der PKV stoßen Lauterbachs Pläne auf harte Kritik: „Eine Einbeziehung der privaten Krankenversicherung in den RSA lehnen wir kategorisch ab“, erklärt PKV-Chef Dr. Volker Leienbach. Der RSA sei schon heute ein „bürokratisches Monster“. Lauterbachs Berechnungen seien falsch, seine Vorschläge lösten kein einziges strukturelles Problem der GKV. Erstens hätte er nicht berücksichtigt, dass Beamte – mehr als die Hälfte der PKV-Versicherten – aufgrund der Beihilfe nur anteilig und nicht voll in der PKV versichert sind. Viele davon haben ein Einkommen, das deutlich unter der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Leienbach: „Das sind nicht alles Ministerialdirigenten“.

Sinnloser Vergleich

Zweitens fehle die sachgerechte Berücksichtigung von Angehörigen in der PKV: Sind Frau und Kind in der GKV kostenfrei mitversichert, zahlt in der PKV jeder Versicherte seinen eigenen Anteil. Die Privaten stärkten das Gesundheitssystem durch höhere Honorare jedes Jahr mit 9,5 Milliarden Euro zusätzlich. „Die Forderung nach einer Einbeziehung von PKV-Versicherten in den RSA liegt auf gleicher Linie mit der Forderung nach gleichen Honoraren in GKV und PKV und bedeutet nichts anderes als Bürgerversicherung!“

Auch die Union reagiert schroff: Jens Spahn, für die Union im Gesundheitsausschuss, sagte den Medien, das sei „Quatsch“. Er halte es für sinnlos, ständig die Strukturen von GKV und PKV zu vergleichen, obwohl sie nicht vergleichbar seien.

Bei den Kassen rennt Lauterbach indes offene Türen ein. Und Ulla Schmidt sucht schon lange einen Weg, die PKV bei der Finanzierung der GKV heranzuziehen. Eine Argumentationshilfe erhielt sie jüngst von der SPD-nahen Hans-Böckler-Stiftung. In deren Auftrag berechneten das Internationale Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES), das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) und die Prognos AG die Konsequenzen der Reformideen für die GKV.

Das Ergebnis ist keine Überraschung: Der GKV-Satz sinke, wenn ein „integriertes Krankenversicherungssystem“ geschaffen wird. Die Versicherten müssten offenen Zugang zur gesetzlichen wie privaten Kasse haben und zwischen beiden wechseln können. Die Grundversorgung werde dann per Leistungskatalog für alle abgedeckt. Was darüber hinaus geht, privat versichert. Neben Arbeitern und Angestellten sollen auch Beamte, Pensionäre und Selbstständige, Zivis, Wehrdienstler und Sozialhilfeempfänger zur Finanzierung des Gesundheitswesens herangezogen werden – egal, ob einkommensabhängig oder pauschal. Letzteres koste jeden Erwachsenen monatlich 189 Euro, über Steuern sei eine Spritze von 39 Milliarden Euro pro Jahr von Nöten. Dass dieses Modell eindeutig auf die Bürgerkasse abzielt, dürfte nicht nur Experten auffallen.

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