Bilanz mit Blick in die Zukunft
zm:Die IDS vermeldet wieder Rekorde. Mehr Hallen und mehr Aussteller deuten auf ,Goldene Zeiten’? Wir wissen, Gold ist teuer. Kann das Zahnarzt-Portemonnaie angesichts der Angebote noch mithalten?
Weitkamp:Mit dem ,Kann’ wäre ich sehr vorsichtig. Wir Zahnärzte haben ja in den vergangen Jahren bewiesen, dass wir nicht nur innovations-, sondern auch sehr investierfreudig sind. Wir sprechen von der ‘Jobmaschine freiberufliche Praxis’. Mit unseren Patienten würde das alles wunderbar funktionieren, wenn nicht die Politik statt Rahmen zu setzen mit jeder neuen Gesetzgebung versuchte, mit sehr rigiden Strukturen unsere Freiberuflichkeit zu erdrosseln.
Ich bin ganz sicher, dass die zahnärztlichen Kollegen innovationsfreudig bleiben. Ich bin aber auch sicher, dass sie bei den Investitionen sehr genau schauen werden, viel mehr auf Wirtschaftlichkeit und schnelles Amortisieren achten werden. Wirtschaftlich wird die Luft in den Praxen immer dünner.
zm:Die Liberalisierung, die Ulla Schmidt als neue Freiheit verspricht, hat ihre Ecken und Kanten. Ist die jüngste Reform Fluch oder Segen für die Praxen der Zahnärzte?
Fedderwitz:Die Politik redet vom Wettbewerb, wir haben immer für den Wettbewerb geworben. Die Politik redet von Liberalisierung und das war immer eine Forderung von uns. Rausgekommen ist in der Tat viel – aber ist das Wettbewerb, ist das Liberalisierung? Aber das alles in den alten Gatterzäunen. Wir haben nach wie vor Budgets, wir haben Honorarverteilungsmaßstäbe. Und die passen nicht mit den jetzigen Freiheiten zusammen. Es passt nicht zusammen, dass wir Liberalisierung und Wettbewerb das Wort reden, dass wir hier Kettenpraxen theoretisch installieren und gleichzeitig nicht wissen, wie wir beispielsweise im Konsbereich angesichts überschießender Budgets die Honorarverteilung so gerecht vornehmen können, dass letztlich der ,kleine’ Zahnarzt mit seiner Einzelpraxis in diesem Land – er ist immer noch der Hauptversorgungsleistende – nicht ,über die Wupper geht’. Da liegen Anspruch und Wirklichkeit sehr auseinander.
zm:Es zeichnet sich ab, dass es hier um eine erkennbare Wandlung des Berufsstandes geht. Macht Ihnen die Erhaltung der Freiberuflichkeit Sorgen?
Weitkamp:Es gibt für mich keine größere Sorge als die um die freiberufliche Tätigkeit bei der Erbringung ambulanter Leistungen. Bisher konnte an keiner Stelle dieser Welt bewiesen werden, dass ambulante Leistungen wirtschaftlicher, patientenfreundlicher und qualitätsvoller zu erbringen sind als durch freiberuflich tätige Ärzte und Zahnärzte. Ich möchte keine Verhältnisse, wie wir sie in England haben, wo heute eben 51 Prozent der Patienten im Zahn-, Mund- und Kieferbereich darauf verzichten, die Wohltaten des National-Health-Service in Anspruch zu nehmen und sich über Privatversicherung und durch privates Zahlen gute und qualitätsvolle Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde holen. Das ist doch Zweiklassen-Medizin. Wir müssen den Politikern klarmachen: Freiberufliche Tätigkeit im ambulanten Bereich ist die einzige Möglichkeit, sinnvoll Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde auszuüben.
zm:Ulla Schmidt droht mit dem Schluss für die Freiberuflichkeit und meint damit auch die zahnärztliche Selbstverwaltung. Haben sich herkömmliche Strukturen überlebt?
Buchholz:Ich frage mich, was für ein Gedanke hinter Ulla Schmidts Forderung steht. Vielleicht ist es der, Modelle, die es in den östlichen Teilen unserer Republik bis 1989 gab, wieder einzuführen. Wieso man auf so ein System setzt und die Freiberuflichkeit, die eigentlich die freie Entscheidung zwischen Arzt und Patient sichert, aufgeben will, erschließt sich mir nicht. Ich kann nur sagen, dass wir zusammen daran arbeiten, die Freiberuflichkeit für den einzelnen Zahnarzt, auch wenn es künftig in anderen Strukturen sein wird, zu erhalten.
Wenn wir ein immer mehr staatlich reguliertes System haben, dann brauchen wir eine möglichst starke Selbstverwaltung, damit der Zahnarzt nicht alleine diesem staatlichen System gegenübersteht. Das müssen nicht unbedingt die KZVen, die KZBV sein, das ist die Bundeszahnärztekammer, das sind berufsständische Verbände, die die Interessen vertreten, jeder an seiner Stelle, aber möglichst bitte zusammen. Nur dann werden wir was erreichen.
zm:In diesem Jahr geht es darum, den Bundesmanteltarif neu zu interpretieren und auszugestalten. Schon heute bereiten sich Gruppierungen vor, die Strukturen gewaltig zu verändern. Gibt es noch eine Chance für Waffengleichheit zwischen herkömmlichen Praxen und McZahn oder dessen mögliche Nachfolger?
Fedderwitz:Gehen wir mal davon aus, dass es in einzelnen Bereichen Versuche geben wird, mithilfe von Fremdinvestoren Zahnarztketten an den Markt zu bringen. Auch Franchising wird es geben. Dazu kommt das Thema ‘ÜBAG’ – Überregionale Berufsausübungsgesellschaften. Was für einen Sinn soll es da machen, wenn ich als Zahnarzt in Flensburg eine überregionale Berufsausübungsgemeinschaft gründen kann und mich mit einem Zahnarzt in Berchtesgaden zusammentue? Das sind so Sachen, wo man aufpassen muss, dass sich kein Wildwuchs zum Vorteil desjenigen, der sich die Rosinen herausgepickt hat und zum Nachteil der gesamten übrigen Zahnärzteschaft entwickelt. Hier muss Waffengleichheit innerhalb dieses Berufsstandes erreicht werden. Schon in der Vergangenheit konnte man sich nicht wildwuchsmäßig mit mehreren Praxen mit angestellten Ärzten und Zahnärzten ausbreiten. Da gab es berufsrechtlich sehr vernünftige, am Versorgungsauftrag, letztlich auch am Hippokratischen Eid ausgerichtete Bremsen. Die sind nach wie vor zu bedenken und in Einklang zu bringen mit dem, was vielleicht der Gesetzgeber will. Eine gewisse Spannung liegt da schon. Aber es liegt auch an uns, hier keine Eigentore zu schießen.
Engel:Ich glaube, dass wir im Zuge der Zeit umdenken müssen. Wir werden die feine, kleine Einzelpraxis in der Zukunft nicht mehr vorfinden, weil wir aufgrund verschiedener Parameter dazu übergehen müssen, betriebswirtschaftliches Denken mit in den Vordergrund zu stellen. Man muss nur aufpassen, dass man nicht mit den ethischen Grundsätzen, die wir nach wie vor haben, in eine Situation gedrängt wird, die einem gewerblichen Treiben gleichkommt. Hier ist die Grenze zu ziehen.
Buchholz:Wir haben früher unsere Praxen aufgemacht und hatten kein betriebswirtschaftliches Basiswissen. Wir haben Fehler gemacht in unseren Investitionen, die ließen sich teilweise durch Umsatzsteigerungen wieder kompensieren. Das wird in Zukunft nicht mehr so sein. Man muss ganz deutlich den Aspekt an die Zahnärzteschaft vermitteln, sich um die Betriebswirtschaft der Praxis zu kümmern, damit man diese wirtschaftlichen Zwänge ein Stück weit geregelt hat, um mehr Freiheit für die Behandlung zu bekommen. Wenn wir das nicht tun, dann werden wir in Situationen hineinschliddern, die nahe an oder in die Insolvenz führen. Betriebswirtschaft muss ein Bestandteil in der Ausbildung und berufsbegleitend werden. Das hat sich in den letzten zehn Jahren grundlegend geändert.
zm:Die GOZ-Grundlagen wurden in den 60ern gelegt, in den 80ern zuletzt modifiziert. Man hat von Seiten der Zahnärzte lange gewartet, in der Hoffnung, dass sich etwas ändert. Zu Beginn des Jahres hat die Bundeszahnärztekammer die Honorarordnung der Zahnärzte verabschiedet. Hat das Bundesgesundheitsministerium darauf gewartet? Wie geht das jetzt weiter?
Weitkamp:Nehmen wir mal an, das BMG habe auf was Vernünftiges gewartet. Dann haben sie es genau richtig gemacht, den Februar abzuwarten, bis wir unsere HOZ vorgelegt haben. Wir müssen aber festhalten: Das Ministerium ist Verordnungsgeber und kann uns eine GOZ diktieren. Es braucht nur die Zustimmung der Länder. Was macht man, wenn man nicht Player ist, sondern qua Grundgesetz nur Betrachter am Rande? Man zeigt der Politik, wie eine GOZ aussehen müsste – und zwar aus Sicht der Zahnärzte und der Patienten. Wir haben mit der Wissenschaft die gesamte Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde neu präventionsorientiert beschrieben. Aus diesem 1 000-Seiten-Werk haben wir eine Leistungsbeschreibung all dessen herausgefiltert, was wir unseren Patienten angedeihen lassen können. Dann haben wir das alles von einem wissenschaftlich neutralen Institut bewerten lassen. Dazu hat erstens unser IDZ beigetragen, das exzellente Zeitmessund Belastungsstudien vorgenommen hat. Das zweite war, für eine Durchschnittspraxis in Deutschland auszurechnen, wie viel eine einzelne Minute in der Praxis kosten würde. Dieses ganze Werk haben wir vollendet und es so gut wie einstimmig durch die Bundesversammlung verabschiedet
Nun hätte man sich vorstellen können, nachdem da tatsächlich eine nicht unerhebliche Erhöhung der Gebühr drinsteckt, es gibt ein wahnsinniges Kontra von Seiten der Öffentlichkeit, der Versicherer, des Ministeriums. Nichts da! Aber trotzdem muss ich leider aus den frustrierenden Erfahrungen der Vergangenheit jetzt schon sagen: Die HOZ wird nicht „in allen Teilen” durch das Ministerium übernommen.
Engel:Ich würde jedem Gesundheitspolitiker wünschen, dass er diese IDS besucht. Er bekommt dann einen Eindruck, was Zahnmedizin zu leisten im Stande ist und welche Innovationen auf dem Markt sind. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Technik, die hier zu sehen ist, nicht den Zahnarzt beherrscht oder ersetzt, sondern hier im Gegenteil hohes Können, eine hohe Erfahrung vorhanden sein müssen, um diese Technik zu beherrschen. Auf gesundheitspolitischer Seite findet aber eine Nivellierung nach unten statt. Der Patient wird sogar zum effizienzstörenden Faktor und mehr oder weniger aufgrund der mangelnden Ressourcen von Fortschritt und Innovationen ausgeschlossen. Das ist auch bei den GOZ-Verhandlungen deutlich zu Tage getreten, die nicht sachbezogen zahnärztlich ausgerichtet sind, sondern nur vor dem Hintergrund der mangelnden Ressourcen die Kontrolle des Zahnarztes im Auge haben. Sicherlich ist von Seiten des BMG angedacht, hier eine GOZ zu schaffen, die auf den BEMA aufbaut. Das Erstaunliche daran ist, das die PKV, ein auf dem freien Markt wirtschaftlicher Unternehmensverband mit am Tisch sitzt und tatenlos zuschaut, anstatt sich mit den Zahnärzten zusammenzusetzen und einen Katalog zu entwerfen, der dann dem BMG vorgelegt werden kann.
zm:GOZ, BEMA, Festzuschüsse, immer wieder modifizierte GKV-Maßgaben, ab 2009 der Basistarif der PKV, dazu die andere Schiene der Vereinzelung der Zahnärzteschaft durch ein Rosinenpicken der Kassen. Man kann den Eindruck bekommen, die Tage der koordinierten Zahnärzteschaft seien gezählt. Was wird aus der Verhandlungsmacht der Zahnärzte?
Fedderwitz:Das ist erst mal eine Sache der Zahnärzteschaft, betrifft aber nicht nur die gesetzlichen Krankenkassen, sondern auch den Bereich der privaten Krankenversicherung. Ein Teil der Mitgliedsfirmen der PK hat sicherlich Interesse, die Vollversicherungsstrukturen zu erhalten, weil das ihre Haupteinnahme- und Umsatzquelle ist. Andere, die auf diesem Marktsegment nicht so platziert sind, sich dafür aber in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Zusatzversicherungen eine goldene Nase verdient haben, sehen das Ganze ein bisschen anders. Was bei der Positionierung der PKV rauskommt, weiß ich nicht. Unser Interesse kann nur sein, möglichst gleichartige Start- oder Vertragschancen für alle Zahnärzte zu entwickeln, nicht nur für bestimmte Zielgruppen. Für die Krankenkassen sind nur bestimmte Gruppierungen von Interesse. Wenn die Krankenkassen beispielsweise sagen, wir arbeiten nur mit Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie zusammen, dann ist das nicht das, was ich mir vorstelle. Das kann nicht gut gehen, das man eine bestimmte Gruppierung mit entsprechenden Rosinen ausstaffiert. Es ist unser Geschick und daran müssen wir Berufsverbände, die wir die gesamte Zahnärzteschaft abdecken, arbeiten, dass wir mit attraktiven Angeboten kommen und ein potentieller Vertragspartner sind.
zm:Ein anderes Thema, die elektronische Gesundheitskarte. Wann beginnt das gläserne Zeitalter für Deutschlands Praxen?
Buchholz:Ich wäre Prophet, wenn ich ihnen sagen könnte, wann es beginnt. Es beginnt auf jeden Fall nicht zu der Zeit, die sich das Bundesgesundheitsministerium vorgestellt hat. Der Termin ist vorbei, das war der 1. 1. 2006. Fakt ist, es ist, wie die Ministerin selber sagt, das größte IT-Projekt der Welt, ein gigantisches Projekt, das durchaus auch vernünftige Ansätze hat. Aber dieses Projekt braucht Zeit, bedarf der Entwicklung, bedarf der Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger und auch der Leistungserbringer. Wenn ich eine Prognose abgeben soll, dann startet das – und jetzt benutze ich nicht Ihren Begriff – elektronische Zeitalter für einen größeren Bevölkerungsanteil frühestens im Jahre 2009. Warum habe ich Ihren Begriff ,gläsern’ nicht übernommen? Wir arbeiten sehr kritisch in diesem ganzen Feld mit und wollen, wenn es in das elektronische Zeitalter geht, die Prozesse, die heute in der Praxis ablaufen, in Zukunft elektronisch abbilden. Was wir gerade nicht wollen, ist das gläserne Zeitalter. Die Elektronik soll ein Hilfsmittel sein, kein Instrument, um einen gläsernen Arzt und gläsernen Patienten zu erzeugen. Das darf nicht passieren. Deshalb arbeiten wir so intensiv mit.
zm:Schauen wir noch weiter in die Zukunft. Immer mehr Frauen werden im zahnärztlichen Beruf ihren Platz finden. Hat dieser Trend eigentlich Konsequenzen für das Berufsbildes des Zahnarztes?
Engel:Wir machen im Moment die Erfahrung, das 60 bis 70 Prozent der Abgänge bei zahnmedizinischen Fakultäten weiblichen Geschlechtes sind. Und nun muss man sich fragen, wie wird das nachher in der Praxis aussehen? Eine Kollegin, die einen Kinderwunsch hat, wird nicht 500 000 Euro in eine Praxis investieren, um dann anschließend ihren Schwangerschaftsurlaub zu vollziehen. Man kann davon ausgehen, dass diese Kolleginnen – sofern sie nicht mit einem Zahnarzt verheiratet sind oder sich nicht mit anderen eine Praxis teilen, dazu neigen werden, im Angestelltenverhältnis tätig zu werden. Wir werden also andere Praxisstrukturen kennenlernen, die auch angestellte Zahnärzte häufiger berücksichtigen. Und zu diesen angestellten Zahnärzten gehört eben sicherlich ein Großteil der Kolleginnen, die Familien- und Kinderwünschen, aber gleichzeitig auch ihrem Beruf nachkommen wollen.
zm:Es ist inzwischen landläufig, dass der Bürokratieaufwand in den Praxen immer größer wird. Kann der Zahnarzt das auf Dauer noch selbst leisten? Oder ist da eine Entwicklung absehbar, dass er betriebwirtschaftliche Unterstützung von außen holt oder gar Outsourcing praktiziert?
Buchholz:Wenn sie die Zahnärztinnen und Zahnärzte fragen, ob sie das alles alleine schaffen, antwortet ein Teil mit ,Ja’, der andere mit ,Nein’. Stellen Sie die Nachfrage, ob sie alle Verordnungen und Fristen noch im Kopf haben, werden Sie ein Problem feststellen: Das, was es alles gibt, Röntgenverordnungen, Hygienerichtlinien und so weiter, das können Sie gar nicht im Kopf halten. Sie müssen es aber. Also reduzieren Sie entweder ihre Behandlungszeit, stellen jemanden ein, sie können sich dafür Fremdfirmen in ihre Praxis hereinholen oder holen sich Unterstützung bei Softwarehäusern. Nein, es ist nicht mehr alleine zu schaffen und sie brauchen professionelle Hilfe.In welchem Maße Sie diese aufbauen, da gibt es Unterschiede. Und ich muss kritisch anmerken: Das sind alles zusätzliche Investitionen, die wir tätigen müssen, für die wir im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht einen Cent mehr bekommen. Das fließt aus der Zahnarztpraxis ab, senkt die Investitionsmöglichkeiten, zum Nachteil des Patienten.
zm:Nichts anderes ist ja in der Entwicklung im Bereich der Qualitätssicherung zu erkennen. Bleibt angesichts dieser angespannten Lage eigentlich noch die Möglichkeit, die hochwertige deutsche Patientenversorgung zu erhalten?
Engel:Es wird sicherlich schwierig werden. Der Trend der Politik geht dahin, mittels Qualitätssicherung die Kontrolle über den Zahnarzt zu bekommen. Vordergründig hat das nichts damit zu tun, wie der Zahnarzt mit dem Patienten umgeht. Wir sind hier in einem Dilemma: Die Kontrolle des Staates über den Behandler erfolgt ohne Berücksichtigung des Patienten. Wir sind der Meinung, dass wir den Patienten in den Mittelpunkt stellen müssen und von daher die Qualitätssicherung und alles was damit zu tun hat, von der Profession selbst bestimmt werden muss. Die Prosperität eines Staates kann nur durch die Eigenverantwortlichkeit der Bürger nach vorne gebracht werden. Aber der Staat tut genau das Gegenteil: Er nimmt die Eigenverantwortlichkeit der Zahnärzte, der Patienten und möchte über Kontrollmechanismen die bedingt vorhandenen Ressourcen schützen. Das nennt man Verstaatlichung.
zm:Öffnen wir mal die Perspektive in Richtung 2020. Was brauchen die Zahnärzte und ihr Team, um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein?
Weitkamp:Eines ist mit Sicherheit wichtig: Wir dürfen uns nicht pausenlos abhängig machen oder abhängig fühlen von der Politik. Auch unter den neuen Vorzeichen wird es so sein, dass wir – und das tun wir in der Mehrheit allemal – sowohl im Basis- wie im High-End-Bereich gute Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bieten. Wenn wir die Gegebenheiten richtig auskontern, uns jetzt eben in einer Stadt mit ein paar anderen Zahnärzten zusammentun, unsere Spezialisierungen nebeneinanderstellen, die Öffnungszeiten vielleicht sogar innerhalb dieses Netzes organisieren, damit wir der Poliklinik, die zwei Häuser weiter aufgemacht hat, gewachsen sind, dann werden wir in Freiheit und Gestaltungsmöglichkeit überleben.
Aber die schönen Zeiten sind vorbei. Wer sich nicht außerordentlich Mühe gibt, sich wirklich regelmäßig fortzubilden und vergisst, sich mit dem Patienten zu unterhalten und dafür Zeit und auch Geld investiert, wird in den Abgrund schauen. Alle anderen aber nicht, davon bin ich überzeugt. Denn unsere Politiker können keine Zahn-, Mundund Kieferheilkunde ausüben.
Je enger die Fesseln durch die Politik werden, um so mehr müssen wir aus eigenem Impetus unsere Praxis gestalten. Das heißt nicht nur High-End-Dentistry, sondern auch, die Basis der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in der Praxis nicht zu vernachlässigen. Die Geräte alleine machen es nicht, die Persönlichkeit der Zahnärztin und des Zahnarztes sind auch in Zukunft ausschlaggebend.
Fedderwitz:Ich glaube, dass es ganz wichtig wird, sich intensiv auf dem Fortbildungsgebiet zu tummeln. Auch Begriffe, die heute noch misstrauisch beäugt werden, wie internes Qualitätsmanagement oder auch Qualitätssicherungsmaßnahmen werden einen anderen Stellenwert bekommen, der nicht dämonisiert, sondern als ganz normale, individuelle Einrichtung gesehen wird, als Teil der persönlichen Philosophie.
Aber auch etwas anderes ist wichtig: Unter welchem Gesundheitssystem werden wir arbeiten? Das Grundgesetz wird bis dahin nicht so nachhaltig verändert sein, dass wir keinen Sozialstaat mehr haben. Das heißt für mich, dass es immer wieder eine Diskussion darüber geben wird, was aus der GKV an Leistungen aus der Versorgung heraus geht. Ich bin ziemlich sicher, dass bis dahin der Zahnersatz ganz draußen ist. Das wird man sich – auch im europäischen Vergleich – nicht länger leisten können. Darauf müssen wir uns einstellen. Wir sind mit den Festzuschusssystem auf einem guten Wege. Die Krankenkassen haben bei ihrer letzten Analyse beklagt, dass bereits bei Neuversorgungen 60 Prozent GOZ-Anteile sind. Es ist politisch segensreich, dass wir hier nicht mehr in den Fesseln, sondern in der GOZ sind.
Im Bereich der jetzigen Budgetleistungen wird es sicherlich noch einen ausgedünnten Katalog geben, da wird man weiter auf eine Ausdünnung hinarbeiten. Und auch hier wird man Freiräume schaffen, so dass es zumindest heißt: raus aus BEMA- und GKVStrukturen. Es wird an unserer Überzeugungsarbeit liegen, aus HOZ und GOZ beim Verordnungsgeber noch was Gescheites rauszukitzeln.
Das ist das große Problem für die Zukunft, dass dieser Berufsstand den hohen Ansprüchen genügen soll, die die Patientenschaft an ihn stellt. Dafür brauchen wir die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Fundamente. Für den Rest, für Qualität und Fortbildung, sorgen wir von Herzen gern selbst.
zm:Vielen Dank für das Gespräch.
Die Moderation führte zm-Chefredakteur Egbert Maibach-Nagel