Leberkrebs
Auf rund 500 000 bis eine Million weltweit wird die Zahl der Menschen geschätzt, bei denen pro Jahr die Diagnose „Leberkrebs“ gestellt wird. Damit nimmt dieser Tumor die fünfte Stelle unter den häufigsten bösartigen Erkrankungen ein. Besonders oft wird er Leberkrebs in Afrika diagnostiziert. Dort leiden 35 bis 150 von 100 000 Einwohnern an dieser Erkrankung.
Zunehmende Häufigkeit
Die Tatsache, dass der Leberkrebs hierzulande mit einem Anteil von drei Prozent an allen Krebserkrankungen als selten gilt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass durchaus eine reale Gefahr besteht. Denn die Häufigkeit nimmt auch in Deutschland zu: In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Neuerkrankungen sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen verdoppelt. Die Häufigkeit ist bei den beiden Geschlechtern unterschiedlich verteilt: Es erkranken zwei- bis dreimal mehr Männer als Frauen.
Die maligne Neubildung kann dabei im Falle eines cholangiozellulären Karzinoms von den Gallengängen ausgehen, im Falle eines Angiosarkoms von den Blutgefäßen oder wie es üblicherweise der Fall ist, in Form des hepatozellulären Karzinoms (HCC) von den Leberzellen.
Wie schlecht sich die Prognose in aller Regel darstellt, zeigt sich daran, dass der Leberkrebs immerhin die dritthäufigste tumorbedingte Todesursache ist. Denn sieben von zehn Krankheitsfälle werden erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Der Tumor bleibt dabei oft nicht auf die Leber beschränkt. Er kann mit zunehmendem Wachstum die Bindegewebskapsel der Leber durchbrechen und auf das Bauchfell und auf die Lymphknoten übergehen. Es kann im fortgeschrittenen Stadium zur Metastasierung kommen, wobei sich die Tochtergeschwülste vorwiegend in der Lunge, den Nebennieren, den Knochen und im Gehirn ansiedeln.
In Deutschland ist den vorliegenden Daten zufolge von rund 3 200 Todesfällen bei Männern und knapp 2 100 Todesfällen bei Frauen durch Leberkrebs pro Jahr auszugehen.
Chronische Hepatitis – Leberzirrhose – Leberkrebs
In 80 bis 90 Prozent der Fälle entsteht der Leberkrebs auf dem Boden einer Leberzirrhose. Dabei liegt die jährliche Inzidenz für den Übergang von Zirrhose in ein hepatozelluläres Karzinom bei etwa drei Prozent. Ursache der Entstehung der Leberzirrhose können angeborene Störungen des Eisenstoffwechsels sein sowie Toxine, beispielsweise die Aflatoxine. Sie können Leberschädigungen hervorrufen und damit dem Leberkrebs den Weg bahnen. Weit häufiger geht die maligne Transformation jedoch auf eine chronische Virus-Hepatitis zurück. Das ist vor allem in Ländern der Dritten Welt der Fall, wo die chronische Hepatitis B als Krankheitsursache vorherrscht. In den USA, Japan und Europa entfallen die meisten Krankheitsfälle dagegen auf die Hepatitis C. Generell gilt, dass eine Hepatitis B bei etwa zehn Prozent der Infizierten und die Hepatitis C sogar bei rund 50 Prozent einen chronischen Verlauf nimmt. Mit einer Latenzzeit von 20 bis 30 Jahren können sich auf dem Boden der chronischen Entzündung zunächst die Leberzirrhose und schließlich das hepatozelluläre Karzinom entwickeln.
Neben den Hepatitiden ist ein chronischer Alhokol-Abusus ein wichtiger Risikofaktor für das Leberzellkarzinom (ASH= alkoholische Steatohepatitis). Auch bei dieser Erkrankung führt der Weg über die Leberzirrhose ebenso wie bei NASH (nicht alkoholischen Steatohepatitis). Diese bildet sich auf dem Boden einer Fettleber, welche ihrerseits überproportional häufig bei stark übergewichtigen und adipösen Menschen anzutreffen ist, sowie bei Diabetikern.
Da jedoch deren Häufigkeit in der Gesellschaft zunimmt, gehen die Experten von einer zunehmenden NASH-Prävalenz aus. Wenngleich die Ausbildung einer Leberzirrhose bei NASH seltener zu erfolgen scheint als bei der alkoholischen Steatohepatitis, könnte die steigende Prävalenz des Krankheitsbildes künftig einen spürbaren weiteren Anstieg der Häufigkeit von Leberkrebs zur Folge haben.
Symptome und Warnzeichen
Die Symptome des Leberzellkarzinoms sind lange Zeit unspezifisch. Deshalb sollten Warnzeichen wie ein Druckschmerz im Oberbauch und eine tastbare Schwellung unter dem rechten Rippenbogen stets auch an die Möglichkeit eines Lebertumors denken lassen. Das gilt ganz besonders, wenn weitere Alarmsymptome wie Appetitlosigkeit, Übelkeit oder ein ungeklärter Gewichtsverlust hinzukommen sowie Schwäche, eine Leistungsminderung und eine erhöhte Temperatur, deren Ursache nicht dingfest zu machen ist.
Üblicherweise wird das Leberkarzinom als Zufallsbefund bei der Abklärung einer neu diagnostizierten Leberzirrhose oder auch anderer Erkrankungen entdeckt. Dies geschieht nicht selten über den sonographischen Befund, wobei auf diesem Wege in aller Regel nur ausgedehnte und damit fortgeschrittene Tumore zu erkennen sind. Zeigt sich in der Sonographie – zum Beispiel beim HCC-Screening (Hepatozelluläres Karzinom) bei Patienten mit Leberzirrhose – ein auffälliger Befund, so ist eine Untersuchung auf den Tumormarker Alpha 1-Fetoprotein indiziert. Sind bei Routineuntersuchungen zur Früherkennung Sonographie und Alpha 1-Fetoprotein negativ, so gilt ein Tumor als ausgeschlossen.
Bestehen jedoch weiter Auffälligkeiten, so kann diesen mit weiteren bildgebenden Verfahren nachgegangen werden, etwa mit der Computertomographie und der Kernspintomographie. Meist führt dann auch an der Leberbiopsie mit histologischer Untersuchung kein Weg vorbei, da nur so eine zuverlässige Differentialdiagnose möglich ist. Durch die Untersuchung lassen sich gutartige und bösartige Veränderungen differenzieren. Es kann außerdem im Falle einer malignen Veränderung auch festgestellt werden, ob es sich tatsächlich um ein Leberzellkarzinom oder um Metastasen eines anderen Tumors handelt.
Oberste Maxime – Tumorresektion
Welches Verfahren zur Therapie des HCC zum Einsatz kommt, hängt wesentlich vom Tumorstadium, von der Lokalisation und vom Allgemeinzustand des Patienten ab. Wann immer möglich, ist dabei eine chirurgische Tumorentfernung anzustreben. Erste Wahl ist die Resektion insbesondere bei Tumoren unter fünf Zentimetern Durchmesser bei Patienten ohne begleitende Lebererkrankung. Reseziert wird bis in den gesunden Leberbereich, was aber nur sinnvoll ist bei Patienten mit nur gering ausgeprägter Zirrhose.
Ist eine kurative Resektion möglich, so werden Drei- und Fünf-Jahres-Überlebensraten von bis zu 76 und bis zu 68 Prozent berichtet. Rund elf Prozent der Patienten sind nach zehn Jahren noch tumorfrei.
Eine Therapiealternative ist die Lebertransplantation, sofern rechtzeitig ein Spenderorgan verfügbar ist. Allerdings verliefen die ersten Behandlungsversuche mittels der - Organtransplantation enttäuschend, da sich innerhalb von nur zwei Jahren bei mehr als 60 Prozent der Fälle im transplantierten Organ erneut ein HCC ausbildete. Die Fünf-Jahres-Überlebensraten lagen nach dem Eingriff bei nur 20 bis 45 Prozent.
Lebendspende als mögliche Alternative
Inzwischen werden HCC-Patienten besser selektioniert, und die Indikation zur Transplantation wird anhand eines ausgeklügelten Prognose-Scores gestellt. Berücksichtigung finden unter anderem die Tumorgröße, die Tumorausdehnung, die Gefäßinvasion und der Lymphknotenstatus. Außerdem wird in einigen Zentren versucht, die Überlebensrate durch eine perioperative Chemotherapie weiter zu steigern.
Problematisch ist allerdings nach wie vor die Wartezeit auf ein Spenderorgan. Liegt sie unter 62 Tagen, so ist von einer Zwei-Jahres-Überlebensrate nach Transplantation von 84 Prozent auszugehen. Liegt die Wartezeit aber über 162 Tagen, so fällt die Zwei-Jahres-Überlebensrate auf 54 Prozent ab. Inzwischen wird deshalb zunehmend auch die Lebend-Leberspende als Alternative erwogen, was allerdings neue ethische Probleme aufwirft.
Lokale Verfahren – den Tumor verkochen
Ist eine Resektion des Tumors nicht möglich, so sind interventionelle perkutane Behandlungsverfahren das Mittel der Wahl. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Am weitesten verbreitet ist die perkutane Ethanolinjektion, bei der unter sonographischer oder unter CT-Kontrolle Alkohol in den Tumor injiziert wird. Dadurch stirbt das Tumorgewebe ab, das gesunde, umgebende Gewebe aber wird kaum geschädigt. Die Behandlung wird in mehreren Sitzungen durchgeführt und muss häufig nach einigen Monaten wiederholt werden. Sie führt jedoch zu Fünf-Jahres-Überlebensraten von bis zu 50 Prozent, wenn die Tumore einen Durchmesser von drei bis fünf Zentimetern nicht überschreiten.
Ferner kommen Ablationsverfahren in Betracht, mit deren Hilfe versucht wird, den Tumor durch thermische Effekte zu zerstören. Die Tumore können dabei per Radiofrequenzwellen oder auch per Laserlicht regelrecht verkocht werden. Auch dies geschieht in mehreren Sitzungen und setzt voraus, dass die Tumore nicht größer sind als drei bis fünf Zentimeter.
Chemoembolisation – dem Tumor den Boden entziehen
Ein weiteres Verfahren ist die Chemoembolisation, bei der von der Leiste aus ein Katheter bis in die Leberarterie vorgeschoben wird. Anschließend werden kleine Kunststoffteilchen in das den Tumor versorgende Gefäß injiziert, wodurch praktisch eine Embolisation erwirkt wird. Das Gefäß wird dadurch verstopft und der Tumor von der Nährstoffversorgung abgeschnitten. Zusätzlich zu den Kunststoffteilchen kann außerdem ein Zytostatikum verabreicht werden, so dass praktisch eine Chemotherapie von innen heraus erfolgt.
Neue Hoffnung – Targeted Therapie
Auch die Targeted Therapie, also die zielgerichtete Tumorbehandlung, nährt neue Hoffnungen beim HCC und das umso mehr, weil die klassische Chemotherapie beim Leberkrebs wenig erfolgreich ist. Die neuen Medikamente verfolgen einen gänzlich anderen Ansatz. Sie setzen auf molekularer Ebene an und versuchen, Signalwege im Tumor zu beeinflussen. In aller Regel zielen die Behandlungsoptionen dabei darauf ab, die Wachstumssignale, die das unkontrollierte Zellwachstum triggern, zu blockieren und so eine Hemmung der Tumorprogression zu erwirken.
Derzeit laufen verschiedene Studien, bei denen unterschiedliche Wirkstoffe aus der Gruppe der Signaltransduktionshemmer unter anderem auch beim HCC erprobt werden. Für einen der Wirkstoffe, das Sorafenib, einen sogenannten Multikinase-Hemmer, konnte kürzlich in einer Phase IIIStudie bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC erstmals gezeigt werden, dass sich durch eine systemische medikamentöse Behandlung eine signifikante Lebensverlängerung erwirken lässt.
Einen anderen Ansatz verfolgt der Antikörper Bevacizumab, der gezielt Wachstumssignale blockiert, welche Blutgefäße zur Aussprossung bringen. Über dieses Phänomen – die so genannte Tumorangiogenese – versorgt der Tumor sich mit Nährstoffen aus dem Blut. Der Angiogenesehemmer Bevacizumab durchkreuzt diesen Weg, fängt die Wachstumssignale ab und kann so bei verschiedenen Tumoren – darunter nach jüngsten Daten auch beim Leberkrebs – das Tumorwachstum und damit die Progression der Erkrankung aufhalten und die Lebenszeit der Patienten verlängern.
SIRT-Therapie – Bestrahlung von innen
Ein ebenfalls noch relativ neues Verfahren zur Behandlung von Lebertumoren ist die SIRT-Therapie (Selektive interne Radiotherapie), bei der winzige radioaktive Kügelchen in die Leber eingebracht werden und für eine Bestrahlung des Tumors von innen heraus sorgen.
Rund 100 Patienten wurden bislang in Deutschland mit dieser aus Australien stammenden Therapie behandelt. „Wir setzen das Verfahren derzeit erst ein, wenn alle anderen Therapiemaßnahmen versagt haben, wenn also eine Operation nicht möglich ist und die gängigen Chemotherapie-Schemata und auch andere Methoden, wie die Radiofrequenzablation, keinen Erfolg gezeigt haben“, erklärt Dr. Ralf-Thorsten Hoffmann, der SIRT in Deutschland maßgeblich vorangetrieben hat.
Bei der neuen Therapiemethode wird über die Leberarterie ein an Kunstharzpartikel gekoppelter Betastrahler (Yttrium 90) in die Leber infundiert. Die Mikrokügelchen, die einen Durchmesser von etwa 60 Mikrometern haben, reichern sich bevorzugt im Tumorgewebe an, gesunde Leberbereiche werden kaum geschädigt, so Hoffmann. Mit dem Blutstrom gelangen die Mikrokügelchen in die kleinsten Kapillaren der tumorversorgenden Gefäße, verlegen diese und bestrahlen den Tumor somit von innen heraus. „Es kommen gleich zwei Effekte zum Tragen, der Tumor wird direkt bestrahlt und außerdem von seiner Blutversorgung abgeschnitten“, berichtet der Münchner Radiologe.
Möglich ist das Verfahren bei Lebertumoren und auch Lebermetastasen, weil diese vorwiegend über die Leberarterie versorgt werden, während die Blutversorgung der gesunden Leber vor allem über die Pfortader erfolgt.
Durch die Behandlung wird laut Hoffmann bei etwa 80 Prozent der Patienten zumindest ein Stopp des Tumorwachstums erwirkt, in vielen Fällen kann auch eine Tumorverkleinerung erreicht werden. „In rund zehn Prozent der Fälle sehen wir bei den praktisch ausbehandelten Patienten sogar eine komplette Remission“, berichtet der Münchner Mediziner. Konkret ist mit dem Verfahren bei Patienten mit hepatozellulärem Karzinom nach seinen Angaben eine deutliche Lebensverlängerung bei guter Lebensqualität zu erzielen. Einsetzbar ist SIRT aber auch bei Lebermetastasen beim Pankreaskarzinom, beim Mammakarzinom, beim kolorektalen Karzinom sowie bei neuroendokrinen Tumoren.
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