Schulterschluss gegen die Einheitsversicherung
„Der Referentenentwurf für die neue GOZ ist der durchsichtige Versuch, privatärztliche Gebührenordnungen den Bewertungsmaßstäben der gesetzlichen Krankenversicherung anzugleichen, um so den Weg zu einer Einheitsversicherung zu bahnen.“ Mit dieser Einschätzung prägte der Vorsitzende des BÄK-Ausschusses „Gebührenordnung“, Sanitäts-Rat Dr. Franz Gadomski, demonstrativ den Schulterschluss zwischen Ärzten und Zahnärzten als klare Ablehnung der Pläne zur Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte. Sie seien ein Präjudiz für die ebenfalls geplante Novellierung der ärztlichen Gebührenordnung. Beabsichtigt sei offensichtlich, das seit Jahren nicht den inflationsbedingten Kostensteigerungen angeglichene Vergütungsniveau einzufrieren. Für die wirtschaftliche Existenz vieler Praxen und deren Arbeitsplätze bleibe dieser Schritt nicht ohne Folgen. „Der jetzt schon bestehende Nachwuchsmangel sollte Warnsignal genug sein“, warnte Gadomski vor einer noch stärkeren Abschreckung junger Ärzte, in eigener Praxis tätig zu werden. Die GOÄ sei zweites Standbein der Praxen, die Einnahmen aus der GKV reichten nicht aus, die Praxen am Leben zu erhalten. Ein Minus von insgesamt 2,5 Prozent, wie es die Zahnärzte für die GOZ errechnet haben, bedeute für manche ärztliche Praxis definitiv das Aus.
Ein in wirtschaftlichen Krisenzeiten riskanter Eingriff: Immerhin seien, so die Berechnung der Podiumsteilnehmer, allein im relativ kleinen, von der GOZ betroffenen Marktsegment 83 000 Zahnärzte, 33 000 Auszubildende, insgesamt 227 000 Praxisangestellte und weitere rund 100 000 mittelbar Abhängige beschäftigt.
Die seitens der Zahnärzteschaft solide und valide erfolgte Prüfung des vorgelegten Referentenentwurfs hat, so BZÄK-Präsident Peter Engel, „unsere fachlichen Bedenken und Vorbehalte gegen die GOZ-Pläne bestätigt“. Statt der von BMG-Staatssekretär Klaus Theo Schröder in Aussicht gestellten Erhöhung des Honorarvolumens von über zehn Prozent entstehe den Zahnärzten ein Minus von insgesamt 2,5 Prozent im Vergleich zur bestehenden, seit über zwanzig Jahren nicht angepassten Gebührenordnung.
Weit schwerer wiege aber, dass der aktuelle GOZ-Entwurf „fachwissenschaftlich fehlerhaft“ sei. Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde habe herausgestellt, dass die beabsichtigte Verordnung „elementare Prinzipien und Grundsätze einer modernen Zahnmedizin“ verletze, „anerkannte oralepidemiologische Forschungsergebnisse ignoriert“ und somit „eine präventionsorientierte, risikoadaptierte und individualisierte Behandlung verhindert“. An zahlreichen Stellen des BMG-Entwurfs seien Einschränkungen beabsichtigt, „die zahnmedizinisch-fachlich nicht haltbar sind und dem Einzelfall nicht gerecht werden", zitierte der BZÄK-Präsident aus dem Statement der wissenschaftlichen Gesellschaft.
Rückschritt für Patienten
Diese mit Sorge vermittelte Einschätzung tangiere nicht nur private, sondern auch gesetzlich versicherte Patienten schwer, weil auch GKV-Versicherte "sich freiwillig regelmäßig für die höherwertige Privatbehandlung“ entscheiden. Engel: „Der vorliegende Referentenentwurf bedeutet ganz konkret nicht nur einen Rückschritt für die zahnmedizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten, sondern eine echte Hürde für eine ganzheitlich orientierte präventive Medizin in Deutschland.“
Als nicht akzeptabel stellte Engel heraus, dass das BMG-Vorhaben „den Zahnärzten durchgängig ausreichende Behandlungszeit für eine kostendeckende, qualitativ hochwertige Behandlung ihrer Patienten verweigert“. Betriebswirtschaftlich nicht gedeckte Mehrarbeit sei die zwangsläufige Folge, um Qualitätseinbußen zu Lasten der Patienten zu vermeiden.
Ruinöser Preiswettbewerb
Systemisch bereitet Ärzten wie Zahnärzten allerdings die im GOZ-Entwurf enthaltene Möglichkeit der Separatvereinbarung zwischen Privatversicherern und Zahnärzten und Ärzten die größte Sorge. Hier setze der Gesetzgeber das deutsche Gesundheitswesen der Gefahr „ruinösen Preiswettbewerbs der Behandlungserbringer untereinander aus“. Negative Auswirkungen auf die Behandlungsqualität seien zwangsläufige Folge, die unvermeidlichen wirtschaftlichen Konzentrationsprozesse würden zudem, so Engel, „die fatale Entwicklung hin zu medizinisch gut versorgten urbanen Zentren und unterversorgten ländlichen Gebieten weiter beschleunigen“. An der sogenannten „Öffnungsklausel“, so teilte auch Gadomski die Befürchtungen des BZÄK-Präsidenten, werde trotz schwerwiegender Rechtsbedenken zurzeit noch festgehalten. Sie sehe vor, dass exklusiv für die Seite der Kostenträger, also PKV-Unternehmen und Beihilfe-Träger, die Möglichkeit von Selektivverträgen völlig unabhängig von der GOZ eröffnet werden soll. Dass dem Zahnarzt noch dazu die Aufgabe zugewiesen werde, über „den wesentlichen Inhalt des Vertrages, dessen Vertragsparteien und das Widerrufsrecht des Zahlungspflichtigen“ zu informieren, mache den Zahnarzt „zum Erfüllungsgehilfen für die privaten Krankenversicherungen“ – ein krasser Gegensatz zum ärztlichen Berufsrecht. Die Übertragung der Rationierungs- und Einkaufsmodellphilosophie auf den privatärztlichen Bereich sei, so Gadomski, ein zusätzlicher Faktor, der die Ausübung des freien Arztberufs im deutschen Gesundheitssystem unattraktiv mache. Statt die Eigenverantwortung zu stärken, würde die geplante GOZ, so Gadomskis Urteil, Deutschlands Patienten entmündigen.