Vorsicht Fallen
Eine Lebensversicherung wird ausgezahlt, die Praxis wird verkauft, ein Erbe steht an oder vielleicht hat es ja auch mit dem letzten Lottotipp geklappt. In jedem Fall sieht sich der glückliche Besitzer einer größeren Summe vor der Frage: Wohin mit dem Geld? Der nicht geplante Lottogewinn versetzt den Gewinner in die Lage, sich einen großen Wunsch, zum Beispiel die Weltreise, zu realisieren oder sich das wunderbare aber bislang zu teure Gemälde zu gönnen. Das Erbe ist vielleicht schon länger für den Wintergarten verplant.
Aber die angesparte Kapitallebensversicherung und auch ein Teil der Summe, die aus dem Verkauf der Praxis erzielt wurde, dienen meistens dazu, das Ruhestandseinkommen zu verbessern.
Fix aufgepolstert
Denn für die meisten Zahnärzte ist dann der Zeitpunkt erreicht, zu dem sie den Bohrer aus der Hand legen wollen. Nicht nur fällt plötzlich die tägliche Routine weg, auch die finanzielle Situation verändert sich drastisch. Das Einkommen aus der Praxis fehlt. Stattdessen überweist das Versorgungswerk monatlich eine Rente aufs Konto. Häufig reicht dieser Betrag aber nicht für den gewohnten Lebensstil. Um das monatliche Einkommen aufzubessern, entscheiden sich deshalb viele Zahnärzte dann für eine Sofortrente. Alle Versicherer preisen dieses Produkt automatisch an, wenn sie einen erfüllten Vertrag auszahlen – schließlich wollen sie das Kapital im Hause behalten. Die Sofortrente funktioniert wie ein Entnahmeplan. Der eingezahlte Betrag wird verrentet und in Raten wieder ausgezahlt – und das alles ohne vorherige Gesundheitsprüfung. Allerdings behält die Versicherung Provision und Verwaltungskosten gleich ein. Einen Abzug für den Todesfallschutz gibt es bei diesem Produkt nicht. Insgesamt betragen die Abzüge zirka 20 Prozent. Hat der Kunde überwiesen, bekommt er sofort eine regelmäßige monatliche Zahlung bis an sein Lebensende. Der Vorteil dabei: Er muss sich nicht mehr darum kümmern. So die Werbung.
Die monatliche Zahlung setzt sich aus zwei Bausteinen zusammen:
•die garantierte Rente
Dieser Teil richtet sich nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn und der Höhe des eingezahlten Guthabens. Auf jeden Fall sollte der Kunde vor Abschluss des Vertrages nach der Höhe dieses Anteils fragen. Denn nur darauf kann er sich verlassen. Die garantierte Verzinsung liegt zurzeit bei 2,25 Prozent.
Diesen Betrag bekommt der Kunde wie versprochen sein Leben lang. Wer allerdings nachrechnet, ob die garantierte Verzinsung seinen eingezahlten Beträgen entspricht, wird sich die Augen reiben. Denn die fällt niedriger aus. Der Grund liegt in den Abzügen für Verwaltung und Provisionen.
•die Gewinnrente
Die finanziert der Anbieter aus seinen erwirtschafteten Überschüssen, sie ist nicht garantiert. Die Überschussbeteiligung errechnet die Versicherung aus dem Jahresüberschuss der Gesellschaft, der sich aus der Bilanz des Unternehmens ergibt. Die gesetzlichen Vorgaben erlauben aber zum Beispiel, dass der Buchwert einer Kapitalanlage nicht dem Marktwert entsprechen muss. So werden Aktien mit dem Anschaffungswert und nicht mit dem aktuellen Marktwert bewertet. Das kann die Überschussbeteiligung drücken. Für den Versicherten bedeutet es, dass der Anteil, der ihm zusteht, sinken kann.
An der Transparenz vorbei
Das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verpflichtet die Gesellschaften zwar zu mehr Transparenz. Doch die Realität sieht anders aus. Karl Eberhardt, unabhängiger Versicherungsberater aus Gomadingen-Marbach bei Stuttgart hat dazu seine eigene Meinung: „Die Kunden bekommen mehr Informationen, die sie aber nicht verstehen und einordnen können. So kann zum Beispiel eine Gesellschaft, die 1 000 Euro Abschlusskosten verlangt, schlechter sein als eine, die 2 000 Euro verlangt.“ Je nach Sicherheitsbedürfnis kann der Kunde zwischen vier Varianten der Rente wählen. Bei der konstanten Rente bekommt er jeden Monat einen gleich hohen Betrag auf seinem Konto gutgeschrieben, wobei eben der nicht garantierte Teil sich verändern kann.
Als zweite Variante bieten die Gesellschaften die degressive Rente an. Dabei sinkt die Höhe im Laufe der Jahre. Für sie entscheiden sich Kunden, die lieber in jüngeren Jahren über mehr Geld verfügen wollen, um damit vielleicht Reisen, Ausgaben für Kulturereignisse oder Hobbys zu finanzieren. Bei der teildynamisierten Variante steigt die Rente langsam an – etwa um ein Prozent pro Jahr. Am häufigsten aber wählen die Kunden die voll dynamisierte Rente, die auch die Verbraucherschützer empfehlen. Sie startet mit einem sehr kleinen Überschussanteil, der aber jährlich um zwei bis selten drei Prozent steigt. Diese Rente ist die einzige, bei der die einmal erreichte Höhe garantiert ist. Wer sich für diese Möglichkeit entscheidet, setzt darauf, ein hohes Lebensalter zu erreichen.
Zurzeit steigen die dynamisierten Renten jährlich um etwa zwei Prozent, bei manchen Gesellschaften fällt die Steigerung noch geringer aus. „Wenn die Rente um 2,5 Prozent steigt, ist das sehr günstig“, schätzt Heinrich Blase, Geschäftsführer von www.MoneyWorld.de: „die Neunzigerjahre, in denen vier Prozent üblich waren, sind leider vorbei.“
Wer sich für die dynamische Rente entscheidet, wahrt seine Chance, zumindest ansatzweise für einen Inflationsausgleich zu sorgen. Bleibt die Geldentwertung bei den derzeit aktuellen drei Prozent für Deutschland, reicht die Steigerungsrate noch nicht einmal dafür. Im Grunde müssen Sparer noch weit mehr auf die hohe Kante legen, damit sie im fortgeschrittenen Alter nicht zu sehr Verzicht üben müssen. (Siehe Kasten)
Wer dagegen mit einem regelmäßigen Einkommen kalkulieren will, wählt die konstante Rente. „Nur Pessimisten entscheiden sich für die konstante Rente“, meint Blase. Gerade bei dieser Alternative erlebten viele Kunden in den vergangenen Monaten herbe Enttäuschungen, weil etliche Versicherer den Überschussanteil gekürzt haben. Die Gründe liegen zum einen in den seit Jahren niedrigen Zinsen und zum anderen in der steigenden Lebenserwartung. Wehren können sich die Kunden nicht. Denn sie unterschreiben, dass sie darüber in Kenntnis gesetzt worden sind, dass der Überschussanteil reduziert werden kann. Die enttäuschten Versicherten wenden sich dann an Experten wie Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie berichtet aus der Praxis: „Wenn der Vertreter beim Kunden auf dem Sofa sitzt und sagt: „Ach das Sternchen ist nur eine Formalie“, lassen sich viele Verbraucher täuschen und unterschreiben. Nur ändern können sie im Nachhinein nichts mehr.“ Deshalb warnt sie davor, den Versprechungen der Werbung zu glauben, wonach die prognostizierte Rente sicher ist.
Auf den Prüfstand
Wer sich aber dennoch für eine Sofortrente entscheidet, sollte noch ein paar Dinge bedenken. Alle Versicherten lieben Garantien. Doch je höher die Sicherheit, desto niedriger die Rendite. Das gilt auch für die Garantielaufzeit. Das heißt, der Versicherte trifft bei Vertragsabschluss die Vereinbarung, dass seine Rente eine bestimmte Zeit – das können fünf bis maximal 20 Jahre sein – garantiert gezahlt wird. Stirbt er während dieser Phase, zahlt die Versicherung bis zum Ablauf dieser Frist die Rente an die Erben weiter. Diese Absprache schmälert die Rente. Sinnvoller hingegen kann es sein, eine Beitragsrückgewähr zu vereinbaren. Dann werden bei Tod des Versicherten wenigstens die Sparanteile an die Erben ausbezahlt. Die Kosten für Provision, Vermögensverwaltung und so weiter sind dann natürlich abgezogen. Ohne Beitragsrückgewähr behält die Versicherung im schlechtesten Fall alle eingezahlten Beträge und die Nachkommen haben das Nachsehen. Weil eben im Normalfall für die Hinterbliebenen nichts übrig bleibt, ist es ratsam, nicht das gesamte Kapital in eine Sofortrente zu investieren.
Freundlich vom Fiskus
Was die steuerliche Seite angeht, so zeigt die Sofortrente durchaus Vorteile. Versicherte, die sich in einer hohen Steuerklasse wiederfinden und unter der neuen Abgeltungssteuer leiden werden, dürften sich über die relativ geringen Abgaben bei der privaten Rente freuen. Denn versteuert wird nur der Ertragsanteil und der beträgt bei einem 60-Jährigen 22 Prozent und bei einem 65-Jährigen nur 18 Prozent der Rente.
Grundsätzlich sehr kritisch steht Versicherungsberater Karl Eberhardt der privaten Rentenversicherung gegenüber: „Wenn man die Wahl hat zwischen einer aufgeschobenen Rentenversicherung, die über einen langen Zeitraum angespart wird, und einer Sofortrente, dann ist letztere immer noch die bessere Entscheidung.“ Denn eine Geldanlage so lange im Voraus zu beurteilen, erscheint ihm viel zu unsicher. Aber auch die Sofortrente sieht er sehr skeptisch. Seiner Meinung nach lohnt sie sich nur, wenn jemand zusätzliche regelmäßige Einkünfte braucht: „Ein Zahnarzt, der im Durchschnitt etwas mehr als 2 000 Euro Rente aus seinem Versorgungswerk bezieht, kann damit seine monatlichen Einkünfte verbessern. Doch wirklich lohnen wird sich die Sofortrente nur, wenn er älter als 90 Jahre wird. Nur dann kann er das eingezahlte Kapital aufbrauchen“, so lautet seine Rechnung. Er empfiehlt Interessenten, sich im Internet zu informieren. Verschiedene Makler bieten auf ihren Homepages Vergleichsrechner an. Dort kann man sich eine erste Übersicht über die Rentenangebote der Versicherer holen. Als Richtwert darf ausschließlich die garantierte Rente gelten – lediglich prognostizierte Angaben müssen keinen langen Bestand haben. Allerdings haben längst nicht alle Vergleichsrechner die günstigen Direktanbieter wie Cosmos, Debeka oder Europa mit im Angebot.
Die Ersparnisse schmelzen
In einem Punkt stimmen alle Kritiker überein: Die Sofortrente ist sehr unflexibel. Der Versicherte kann über den einmal eingezahlten Betrag nicht mehr verfügen. Auch deshalb empfehlen die meisten Verbraucherschützer und unabhängigen Berater, nicht das ganze Kapital in die Rentenversicherung zu stecken. Sinnvoll ist es, größere Summen in rentablere Anlagen zu investieren, über die man auch jederzeit verfügen kann. Dafür spricht auch die anhaltend ziemlich hohe Inflationsrate, die einen Teil der späteren Rente wieder auffrisst.
Zur Entnahme gedacht
Mit interessanteren Angeboten als die Rentenversicherung warten neben Banken und Fondsgesellschaften jetzt auch die Versicherer auf. Alle bieten sogenannte Entnahmepläne an. Dabei zahlt der Anleger einen großen Betrag meistens in einen Fonds ein. Die Risikoklasse wählt der Anleger selbst. Das kann ein hoch rentierender Aktienfonds für spekulationsfreudige Anleger oder ein Rentenbeziehungsweise Immobilienfonds für Sicherheitsbewusste sein. Der Kunde entscheidet dann, wie hoch und regelmäßig die Auszahlung erfolgen kann und ebenso, ob sie nur aus den Erträgen gespeist werden soll.
Bleibt das Kapital erhalten, läuft die Rente wie bei der Versicherung bis ans Lebensende, und die Erben freuen sich über das wohl erhaltene Kapital. Fließt das Grundkapital mit in die Auszahlung ein, ist Vorsicht geboten: Fällt die Kalkulation zu knapp beziehungsweise die Zusatzrente zu üppig aus, steht der Pensionär im hohen Alter ohne Zusatzeinkommen da.
Der große Vorteil bei der Fondsanlage ist die ständige Verfügbarkeit des Kapitals und die vergleichsweise niedrigen Kosten. Vor der Entscheidung, in welche Anlage frei werdende große Beträge nun tatsächlich wandern sollen, lohnt es sich, eine gründliche Analyse der persönlichen finanziellen Situation zu erstellen und jedem Druck von außen zu widerstehen. Bis zur Entscheidung ist das Geld auf einem hoch verzinsten Tagesgeldkonto gut aufgehoben. Dort liegen die Renditen bei einigen Anbietern noch über der aktuellen Inflationsrate.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de