Schlupflöcher mit Risiko
So sehr sich die Experten im Berliner Finanzministerium auch bemühen, bis jetzt haben sie noch nicht alle Möglichkeiten gestrichen, die ein – zumindest vorübergehendes – Entkommen vor der Abgeltungssteuer erlauben. Zwar drohen sie im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2009 damit, auch auf die bislang verschonten Zertifikatefonds die neue Steuer zu erheben. Dafür wollen sie – bis jetzt jedenfalls – die Dachfonds entgegen den Gerüchten verschonen.
Wenig tröstlich für Aktienfreunde
Diese Meldung tröstet allerdings Aktienfans und die Freunde der Fondssparpläne nur wenig. Sie schwören auf die Anteilsscheine und sehen ihre Erträge von der Abgeltungssteuer ab Januar 2009 bedroht. Gerne befolgen sie den Rat der Experten und decken sich noch in diesem Jahr so gut wie möglich mit Aktien ein.
Auf diese Weise sichern sie sich zumindest für diesen Teil ihres Depots die alten Steuerregeln. Danach bleiben Kursgewinne nach einem Jahr steuerfrei.
Unter die Abgeltungssteuer fallen nur Aktien, die nach dem 31. Dezember 2008 gekauft werden. Doch irgendwann nach dem Stichtag kann es nötig sein, einen Teil der Anlage zu verkaufen, weil das Geld benötigt wird.
Fifo begegnen – mit dem zweiten Depot
Dann gibt es ein böses Erwachen. Denn es kommt eine Bestimmung zum Zuge, die die gute Vorbereitung wieder zunichtemacht. Fifo heißt das Kürzel für die Steuerregel. First in – first out. Das heißt, dass immer die Werte als zuerst verkauft gelten, die auch zuerst gekauft worden sind. Für den Anleger bedeutet das, dass er genau die Aktien zuerst verkaufen muss, die einen steuerfreien Kursgewinn garantieren. Selbstverständlich möchte er aber gerade die möglichst lange in seinem Depot bewahren.
Dazu kann er einen Trick anwenden: Er eröffnet ein zweites Depot. Werden die Aktien, die vor dem 1. Januar 2009 gekauft worden sind, getrennt von den später erworbenen aufbewahrt, bestimmt der Anleger nämlich selbst, wann er sich von welchen Papieren trennt. Dazu muss er noch nicht einmal die Bank wechseln. Es reicht aus, ein Depot mit einer eigenen Stammnummer einzurichten. Allerdings sollten Anleger mit ihrem Berater zuvor über die Kosten für das Zusatzdepot sprechen; die meisten Institute zeigen sich entgegenkommend.
Des Fiskus Freude an Fondssparplänen
Das Fifo-Problem besteht aber nicht nur bei Aktiendepots, es trifft auch Fondssparpläne. Wer seinen Aktienfondssparplan über 2008 hinaus weiterführt, bekommt ebenfalls steuerliche Probleme. Alle Ausschüttungen aus diesem Fonds unterliegen ab 2009 der Abgeltungssteuer. Werden Anteile verkauft, erhebt der Fiskus nur Abgeltungssteuer für die Anteile, die ab 2009 gekauft und dann später wieder veräußert werden.
Beim Verkauf der Anteile tritt wieder die Fifo-Regel in Kraft. Aber Glück gehabt: auch hierbei sticht das Zwei-Konten-Modell mit der Trennung von alt und neu. Viele Fondsgesellschaften stellen den alten Bestand von sich aus in ein separates Konto, und nur die in 2009 erworbenen Anteile bleiben im Sparplan-Depot. „Die Fondsgesellschaften kennen das Problem und unterstützen ihre Kunden“, beruhigt Frank Bock vom Bundesverband Investment und Asset-Management (BVI). Die Fifo-Regel bezieht sich auf das jeweilige Depot. Viele Online-Broker stellen sich schon auf die Wünsche ihrer Kunden nach günstigen oder manchmal sogar kostenlosen Zweitdepots ein.
Gezielt fürs Alter dazu geriestert
Wer schon weiß, dass er das Geld, das er in einen Fondssparplan stecken will, für seine Altervorsorge zurücklegen will, für den eignet sich der Abschluss eines Riester-Vertrages ohne Förderung. Mit dieser Konstruktion lässt sich ebenfalls die Abgeltungssteuer umgehen. Das funktioniert auch, wenn der Anleger keinen Anspruch auf eine Riester-Förderung hat, wie Selbständige und Freiberufler – also auch selbständige Zahnärzte. Ein solcher Riester-Vertrag ist nicht an die strengen Vorschriften für die Förderung gebunden, profitiert aber von den steuerlichen Regelungen für Versicherungen.
Der Sparer schließt also einen ungeförderten Riester-Fondssparplan ab und zahlt regelmäßig seine Beiträge. Die fließen in einen möglichst renditestarken Fonds.
Im Gegensatz zu einem normalen Fondssparplan werden die Zinsen und Dividenden, die während der Laufzeit anfallen, wieder angelegt statt versteuert. Auf diese Weise steigert der Zinseszinseffekt die Rendite des Sparplans erheblich im Vergleich zu einem herkömmlichen Fondssparplan, bei dem die Erträge regulär versteuert werden müssen. Ausgezahlt und versteuert wird das Kapital am Ende der Laufzeit. Und im Unterschied zu einem geförderten Riester-Vertrag, bei dem maximal 30 Prozent des Kapitals ausgezahlt werden, hat der Sparer der nicht geförderten Variante Anspruch auf den ganzen Betrag. Die Summe wird ausgezahlt, dann gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei Lebensversicherungen. Der Sparer ist mindestens 60 Jahre alt und der Vertrag hat mindestens zwölf Jahre bestanden. Steuerpflichtig ist dann die Hälfte des Gewinns. Entscheidet der Anleger sich für eine Verrentung des angesparten Betrags, will der Fiskus nur seinen Teil von dem jeweiligen Ertragsanteil haben.
Auch Vorsorger, die schon einen guten Riester-Fondssparplan inklusive Förderung abgeschlossen haben, können von der Regelung profitieren. Sie stocken einfach auf und überzahlen den Vertrag oder schließen einen zweiten ungeförderten Vertrag ab. Allerdings empfehlen die Experten der Stiftung Warentest, genau zu prüfen, ob das Kapital bei einem überzahlten Vertrag auch zu 100 Prozent ausgezahlt wird.
Auf jeden Fall profitieren die „unechten“ Riester-Sparer von den gesetzlich verbürgten Sicherheiten, die für diese Verträge gelten. Sie garantieren immer den Erhalt des eingezahlten Kapitals. Das trifft auch dann zu, wenn der Fonds beziehungsweise die darin enthaltenen Wertpapiere an Wert verlieren.
Berliner Experten um Feinschliff bemüht
Zurzeit bemühen sich die Experten im Berliner Finanzministerium eifrig darum, der Abgeltungssteuer den Feinschliff zu geben. Sie spähen Schlupflöcher aus und drohen mit deren Schließung. Als Instrument dient ihnen das Jahressteuergesetz 2009. Dazu liegt nun ein Referentenentwurf vor. Die Riester-Regelung ist derzeit nicht Bestandteil des Entwurfs. Steuerberaterin Anita Marini aus Bergisch-Gladbach bei Köln fürchtet dennoch Schlimmes: „Ich würde mit dem Abschluss eines ungeförderten Riester-Vertrages noch zwei bis drei Monate warten. Vielleicht wird diese Möglichkeit auch gestrichen. Wenn der Entwurf des Jahressteuergesetzes so umgesetzt wird, wie er jetzt ist, dann zahlen wir demnächst noch Steuern auf den Kamin am Haus.“ Frank Bock vom Bundesverband für Investment und Asset-Management hält dagegen: „Bei Riester – auch beim übersparten Riester – wird es keine Änderung geben.“ Zum Ende des Sommers wissen wir die Antwort.
Dachfonds aus dem Schneider
Keine Änderung zum Nachteil der Anleger wird es laut Entwurf des Jahressteuergesetzes bei Dachfonds geben. Vor einigen Wochen geisterte das Gerücht durch die Gazetten, dass die Steuervorteile bei diesen Fonds gestrichen werden sollten. Doch in diesem Punkt hält sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wohl zurück. Der Witz bei Dachfonds ist: Sie investieren selbst in andere Aktien- und Rentenfonds, der Fiskus geht dabei leer aus, weil der Fondswechsel innerhalb eines Fonds steuerlich nicht erfasst wird.
Trotzdem warnen Verbraucherschützer vor dieser Anlageform. Der Grund: Bei diesen Fonds fallen gleich auf mehreren Ebenen Gebühren an. Zum einen beim Kauf und Verkauf der im Fonds enthaltenen Fonds und zum anderen fallen die gleichen Kosten in den jeweiligen Unterfonds an. In ungünstigen Fällen können sich diese Abzüge auf bis zu drei Prozent im Jahr summieren.
Kaum Aussicht auf Schonung
Kaum Aussicht auf Schonung durch den Fiskus hält der Referentenentwurf für Zertifikatefonds bereit. Dem jetzigen Stand nach zu urteilen, sollen Anleger selbst dann Abgeltungssteuer auf im Fonds realisierte Gewinne zahlen, wenn sie die Anteile noch in diesem Jahr erwerben.
Bislang gilt für Fonds Bestandsschutz: Wer Anteile in diesem Jahr kauft, kann die Kursgewinne daraus auch nach Jahren noch steuerfrei kassieren. Bekannt ist bis jetzt, dass für Zertifikate ohne Fondsmantel, die nach dem 14. März 2007 gekauft worden sind, Anleger ab Juli 2009 die Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent zahlen müssen. Nun sollen also auch die Zertifikatefonds der Abgabe unterliegen – vorausgesetzt, der Entwurf des Jahressteuergesetzes passiert Bundestag und Bundesrat.
Mehr Zeit für Fahndung geplant
Dann wird auch noch eine weitere geplante Maßnahme wirksam: Die Frist für die Verjährung der Steuerhinterziehung wird verlängert. Bislang betrug die Frist fünf Jahre. Nach dem Wunsch von Peer Steinbrück und seinen Steuerfahndern, die sich mehr Zeit für die Bearbeitung wünschen, soll sie sich auf zehn Jahre verdoppeln. Das Delikt gehört dann in die Rubrik der schweren Straftaten.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de