Gutes tun
Die Fortschritte in der Medizin lassen uns bekanntlich immer älter werden. Aber nicht nur das: Immer mehr Senioren haben heute noch ihre eigenen Zähne, immer weniger dagegen Vollprothesen. „Dadurch steigen aber auch die Anforderungen an den Zahnmediziner“, induzierte Dr. Hans Joachim Lellig, Vorsitzender der Ärztekammer des Saarlandes, Abteilung Zahnärzte. „Wir legen den Fokus heute bewusst auf die Pflegebedürftigen – sie sind zahnmedizinisch hochwertig und damit funktionell sehr gut, zugleich aber auch sehr kompliziert versorgt. Deshalb steigt der Behandlungsaufwand und unterliegt besonderen Anforderungen.“
In dem Rahmen stellte Prof. Peter Pospiech aus Homburg das neue Konzept Alterszahnheilkunde „G.U.T.E.S.“ der saarländischen Zahnärzteschaft vor, das insbesondere die Mundgesundheit pflegebedürftiger Senioren verbessern will. Das Vorgehen: Alle Beschäftigten in der Altenpflege werden intensiv geschult, außerdem gibt es Schulungsangebote an Berufsschulen und Vorträge für Betroffene und Angehörige. „Mehr als 80 Prozent der Pflegeheime und mehr als 130 Zahnärzte im Saarland machen inzwischen mit“, berichtete Pospiech. Allerdings sei die Finanzierung zurzeit nicht kostendeckend und nur durch entsprechendes Engagement seitens der Behandler leistbar.
Dass die Zahnärzteschaft im Bereich Alterszahnheilkunde gut aufgestellt ist, stellte Dr. Michael Frank, Präsident der Landeszahnärztekammer Hessen, heraus – auch mit Blick auf den neuen „Atlas Mundgesundheit“. Aber: „Die Zahnärzte sind hier aus Idealismus mit ihrem Engagement und finanziellen Mitteln in Vorleistung gegangen. Doch in der Breite aufgesetzt, kann ein solches Projekt auf Dauer nicht allein von den Zahnärzten gestemmt werden. Die Politik muss diese Arbeit auch mittragen und honorieren.“
Speerspitze der Zusammenarbeit
„Der Vorstoß ist ein wichtiger Beitrag, um die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern“, urteilte Landesgesundheitsminister Prof. Dr. Gerhard Vigener, der das Projekt unterstützt. „Die Zahnärzte haben Prozesse und Strukturen in die gesamtgesellschaftlichen Einrichtungen getragen statt nur Einzelnen die Vorteile der Behandlung zukommen zu lassen.“ Als „Speerspitze der internationalen Zusammenarbeit“ bezeichnete er die Leistung der saarländischen Zahnärzte, ihre Fortbildung grenzüberschreitend zu organisieren.
Leider sehe man oft nur die Nachteile des Alterns, stellte Prof. Dr. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie in Heidelberg, heraus. Im Unterschied dazu wies er auf das Spannungsverhältnis zwischen dem enormen Lern- und Bildungspotenzial und der Verletzlichkeit des Alters, widergespiegelt in Pflegebedürftigkeit und Demenz, hin. Kruse: „Je älter wir werden, desto größer ist die Verschiedenheit der Altersgruppe, die wir untersuchen. Eine verallgemeinernde Aussage ist schwer zu treffen, weil die Heterogenität und Variabilität sehr groß sind.“ Altersgrenzen seien daher auch im Beruf nicht mehr zeitgemäß. Gerade mit dem Wissen, dass 2040 bis 2045 bis zu 40 Prozent der Gesamtgesellschaft 60 Jahre und älter, bis zu 15 Prozent 80 Jahre und älter seien. „Die Folgen des demografischen Wandels werden die Älteren selbst bewältigen müssen“, lautet denn auch Kruses zentrale These. Insbesondere der Einzelne habe vermehrt Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen, zum Beispiel, indem er länger arbeitet oder sich ehrenamtlich engagiert. Was im Urteil der Altersforscher eine zu bewältigende Aufgabe darstellt, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Leistungskapazität der 70-Jährigen heute mit der der 65-Jährigen vor 25 bis 30 Jahren korrespondiere.
Der Forschung zufolge sind Qualifizierung und Lerneffekte bis ins hohe Alter möglich. Erst ab 85 Jahren sei der morphologische Wandel meist verbunden mit einer Hilfsund Pflegebedürftigkeit. „Die Zahnärzte nehmen hier eine wichtige Position ein: Sie können dazu beitragen, die Kommunikationsfähigkeit – und damit die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe – der älteren Menschen zu erhalten“, bilanzierte Kruse.