2010 soll gedacht werden
In diesem Jahr nämlich soll sich zunächst einmal eine Kommission mit ausgewählten Themen und Problemen im Gesundheitswesen beschäftigen und adäquate Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Ganz so wie im Koalitionsvertrag vereinbart – darauf verwiesen Ulrike Flach, stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion und Dr. Rolf Koschorrek, Obmann der Unionsfraktionen im Gesundheitsausschuss. Mit dem im Titel genannten Fazit umschrieb Prof. Dr. Günter Neubauer, der die Diskussion moderierte, denn auch die Situation. Birgitt Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, machte eine koalitionäre Übereinstimmung darin aus, dass weder CDU noch FDP großes Interesse daran hätten, vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, gesundheitspolitische Weichen zu stellen, was von Flach und Koschorrek zurückgewiesen wurde.
Noch keine „road map“
Letzterer gab unumwunden zu, derzeit keine „road map“ zur Verfügung zu haben, mit der konkret die Wege und Ziele der Koalition zur Behebung der Probleme im Gesundheitswesen beschrieben werden könnten. Fest stehe aber, so Koschorrek, dass die Koalition nicht länger am bisher geltenden System festhalten wolle. Es sei zentralistisch, in seiner Komplexität derzeit zu wenig durchschaubar und letztlich auch unsozial.
Die Einführung einer Gesundheitsprämie mit Steuerausgleich für Härtefälle sei auf die Dauer „das ehrlichere System“. Auch beim Gesundheitsfonds seien Veränderungen geplant: Obwohl der Fonds insgesamt „ein gelungenes Konstrukt“ sei und die Union an ihm festhalten möchte, soll der einheitliche Beitragssatz wieder zurückgenommen werden. So könnten die Krankenkassen wieder die Eigenständigkeit über die Beitragssatz-erhebung erlangen.
Weiterhin Kostenbremsen
Als weitere Stichpunkte nannte Koschorrek unter anderem die Anwendung des Kartell- und Wettbewerbsrechts auch im Gesundheitswesen sowie die Überprüfung der Gründungen von medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, so Koschorrek, dass die MVZ überwiegend von Ärzten geleitet sein müssten. Auch wolle man ein Auge darauf haben, mit den Zentren nicht nur Ballungsgebiete, sondern auch medizinisch unterversorgte Gebiete zu erreichen.
Ulrike Flach hob für die Liberalen noch einmal den Willen der Koalition hervor, das Gesundheitswesen in Ausrichtung und Struktur systemimmanent zu verändern. „Das bisherige immer mehr zentralistisch gewordene Gesundheitssystem soll in ein wettbewerblich-orientiertes System überführt werden“, sagte sie. Dennoch hält auch sie weitere Kostenbremsen für unvermeidlich, um die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Flach: „Auch in den nächsten vier Jahren werden wir über Kostendämpfung reden müssen, etwa im Bereich der Arzneimittelversorgung.“ Als dringende Aufgabe, die es anzugehen gelte, nannte sie die Reform der Pflegeversicherung.
Flachs Skizzierung der Pläne deckten sich mit den Grundaspekten der Rede, die der parlamentarische Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Daniel Bahr (FDP), auf der Tagung hielt. Auch Bahr unterstrich die Absicht der Koalition, auf längere Sicht mittels einer einkommensunabhängigen Prämie die Kosten des Gesundheitswesens von den Arbeitskosten entkoppeln zu wollen. Hierbei falle den Versicherten eine höhere Eigenverantwortung zu. „Die Bevölkerung muss mehr tun für die Aufrechterhaltung der Gesundheit, für Pflege- und Altersvorsorge“, sagte er. Allerdings verwies auch er darauf, dass derzeit noch nichts feststehe, sondern dass daran gearbeitet werde, das Gesundheitssystem sukzessive neu zu gestalten.
Vorwurf der Klientelpolitik
Naturgemäß waren die Äußerungen der Neu-Koalitionäre über die Pläne im Gesundheitswesen Wasser auf die Mühlen von Birgitt Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen und (einzige) Vertreterin der Opposition in der Diskussionsrunde. Gerechtigkeit sei im System mit Sicherheit nicht möglich, solange die Geringverdiener, überproportional belastet werden. „Die Friseurin geht zum Amt, um wegen der Unterstützung anzufragen, der Bankangestellte geht einkaufen“, sagte sie mit Blick auf die Koalitionspläne, bei der Prämie Härtefälle über das Steuersystem zu entlasten.
Auch sei es ihr schleierhaft, woher das Geld kommen solle, die ein derartiger Systemwandel kosten würde. Von 20 Milliarden Euro könne man sicher ausgehen, andere Berechnungen kämen sogar auf rund 40 Milliarden Euro. Ihr Vorwurf: Es sei erkennbar, dass CDU und FDP sich daran orientieren würden, Klientelpolitik zu machen. Nicht nur die Absicht, in MVZ den Ärzten wieder Oberhand zu geben, künde davon. „Der Versicherte aber bezahlt die Klientelpflege.“ Währen der Arbeitgeberbeitrag eingefroren werde, werde den Arbeitnehmern einseitig aufgebürdet, die vorhandenen Wirtschaftlichkeitsreserven im System zu heben.