Breit aufstellen
Um 55 Prozent stieg der Dax seit dem Tief im vergangenen März – der Finanzkrise zum Trotz. Er erreichte fast wieder den Stand, den er vor dem Lehman-Debakel hatte. Warum das so ist, darauf gibt es bislang keine einleuchtende Antwort. Die Optimisten erklären die Krise für beendet, die Pessimisten erkennen in dieser Hausse bereits die nächste Blase. Dr. Andreas Beck, Geschäftsführer des Instituts für Vermögensaufbau in München, meint: „Es weiß doch eigentlich niemand, warum die Aktienkurse so hoch gestiegen sind. Eine Erklärung kann man sich nur zusammenreimen.“ Zwar hat die Konjunktur im letzten Quartal 2009 wieder leicht angezogen und am Ende des Jahres bleibt ein Rückgang von „nur“ fünf statt der prognostizierten sechs Prozent. Doch die Unternehmen haben sich von der Krise noch nicht erholt. Einige Indikatoren sorgen jetzt für eine gute Stimmung und die Anleger jubeln die Kurse auf das Niveau von vor zwei bis drei Jahren. Aber die Gewinne der Unternehmen erreichen derzeit nur ein Drittel der ehemaligen Rekorde. Eigentlich hätte es deswegen längst zu einem Rückschlag bei den Kursen kommen müssen. Doch die von den Zentralbanken in den Markt gepumpten Geldmengen benötigen eine Bleibe. Solange die Zinsen auf dem extrem niedrigen Niveau verharren und Rentenpapiere keine Alternative bieten, wird sich kaum etwas ändern. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank rechnet mit einem Nachlassen des kleinen Aufschwungs in 2010, weil dann die Wirkung der Konjunkturpakete nachlässt. Als erstes Indiz dafür deutet er den Stand des Einkaufsmanager-Index, der im November das erste Mal seit zehn Monaten wieder etwas gefallen ist. Jean-Claude Trichet, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), geht von einem Wachstum innerhalb der EU von einem bis eineinhalb Prozent aus.
Keine steigenden Zinsen
Zurzeit rechnen die meisten Experten in absehbarer Zeit nicht mit steigenden Zinsen. Dazu Kater: „Das Zinsniveau ist gegenwärtig und mindestens im nächsten Jahr noch am unteren Ende des Spektrums festgenagelt.“ Das bedeutet, dass die hohe Liquidität bleibt – auch wenn die EZB ihre großzügigen Vergabebedingungen einschränken will. Das Geld wird zunächst wahrscheinlich weiter in Aktien angelegt. Denn Zinspapiere wie zum Beispiel deutsche Staatsanleihen und die beliebten Finanzierungsschätze dürften auf dem wenig attraktiven Stand bleiben. Einen Zinsanstieg prognostizieren die meisten Experten erst für Ende 2010, Anfang 2011. Sie alle hoffen darauf, dass es den internationalen Zentralbanken gelingt, rechtzeitig die zur Stützung ausgegebenen Gelder wieder einzusammeln. Wenn nicht, könnte die Inflation an Fahrt gewinnen. Für 2010 prognostiziert die EZB eine Geldentwertungsrate von 1,7 Prozent. Die Grenze, ab der sie in der Vergangenheit eingeschritten ist, liegt bei zwei Prozent. Andreas Beck hält dagegen: „Es ist doch die Frage, ob die Zentralbanken überhaupt dazu in der Lage sind, die Inflation zu bremsen. In unserer globalisierten Welt dürfte das schwer fallen.“ Als vor drei Jahren die Inflationsrate bei etwa drei Prozent lag, haben viele Firmen ihre Produktion ins Ausland verlagert, um Kosten zu sparen. Viele von ihnen entschieden sich für China. Dann sind auch dort die Preise gestiegen. Entsprechend verteuerten sich auch die dort hergestellten Produkte. Dagegen kann keine Zentralbank etwas unternehmen. Eben so wenig übt sie Einfluss auf die Preisentwicklung der Rohstoffe aus. Wenn der Ölpreis steigt, müssen die Herren des Geldes zugucken.
Marode Staatsfinanzen
Für ein größeres Risiko als eine drohende Inflation hält Beck die maroden Finanzen einiger EU-Länder wie zum Beispiel Ungarn, Griechenland, aber auch Österreich, Spanien und sogar England. Die Gefahren eines Staatsbankrotts sind nach Becks Meinung noch nicht gebannt. Im schlimmsten Fall kann es sein, dass die stärkeren Länder wie Frankreich und Deutschland für Stützungsmaßnahmen einspringen müssen – natürlich mit dem Geld der Steuerzahler. Die großen Probleme, die die Krise geschaffen hat, sind noch längst nicht gelöst. Es gibt immer noch Banken, die sich noch nicht von den toxischen Papieren befreien konnten. Immer wieder zeigen sich bei großen Instituten wie den Landesbanken oder bei der Apotheker- und Ärztebank Probleme. Viele Institute leiden unter zu wenig Eigenkapital. Das ist der Hauptgrund dafür, dass sie sich bei der Kreditvergabe zurückhaltend zeigen. Besonders mittelständische Unternehmen leiden darunter. Auch die Gefahren für den Arbeitsmarkt sind noch nicht gebannt.
Unter diesen Voraussetzungen die Geldanlage für das neue Jahr zu planen, fällt nicht leicht. Die Frage ist, wo kann man sein Vermögen sicher und gewinnbringend anlegen? Niels Nauhauser, Anlageexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart, hat damit keine Probleme: „Anleger sollten ihr Vermögen breit streuen. Dann müssen sie auch nicht jedes Jahr umschichten, weil sie sich mit dieser Methode gegen alle Gefahren absichern können.“ Aber vor dem Kauf von Wertpapieren stehen für den Fachmann ein paar grundsätzliche Überlegungen: Sind alle Risiken abgesichert? Liegt auf dem Tagesgeldkonto eine ausreichende Rücklage für alle Notfälle? Sind noch Kredite abzuzahlen? Viele Zahnärzte können ihr Eigenheim, die Praxis und die laufenden Modernisierungen nicht mal eben aus der Portokasse bezahlen. Oft benötigen sie einen Kredit. Wer noch Verbindlichkeiten hat, sollte überprüfen, ob er nicht vorzeitig tilgen kann. „Denn“, so Nauhauser, „häufig rechnet sich die Rückzahlung trotz der mit dem Kredit verbundenen Steuervorteile.“ Kostet das Darlehen beispielsweise fünf Prozent und lassen sich die Kosten mithilfe des Fiskus um 50 Prozent drücken, bringt die Rückzahlung des Kredits einen Zinsvorteil von 2,5 Prozent nach Steuern. So hoch rentiert derzeit kaum eine festverzinsliche Anlage.
Risikofreudigkeit festlegen
Um das restliche Geld, das frei zur Verfügung steht, unterzubringen, müssen jetzt ein paar grundsätzliche Überlegungen angestellt werden. Wann werden welche Beträge benötigt? Wie groß ist die Risikofreude? Wer jung ist und Risiken nicht scheut, dem empfiehlt Nauhauser, 50 Prozent in Aktien anzulegen. Allerdings macht es wenig Sinn, sich für einzelne Werte zu entscheiden. Um auf diese Weise sinnvoll zu investieren, bedarf es großer Summen, die auf eine große Anzahl internationaler Werte vereilt werden sollten, um einen Risikoausgleich zu gewährleisten. Als Alternative für weniger Vermögende bieten sich Indexfonds an, die auf den Aktienindizes MSCI World oder MSCI Europa basieren. Wer lieber auf Nummer sicher geht, dem empfiehlt der Berater einen Teil des Vermögens in Immobilienfonds anzulegen. Die gegenwärtigen Probleme der Fonds bergen seiner Meinung nach keine besonderen Gefahren. Eines der Argumente, das Kritiker vorbringen, lautet, dass viele Gebäude immer noch überbewertet seien und die Fondsanteile damit zu teuer. Für Nauhauser aber zählt, dass man für sein Geld einen realen Gegenwert bekommt. Ebenfalls auf der sicheren Seite befinden sich die Anleger, die sich auf eine Sicht von bis zu fünf Jahren für Festgeld und Sparbriefe entscheiden.
Etwa fünf Prozent des Anlagebetrags in einen Rohstoff wie zum Beispiel Gold zu investieren, schützt gegen die Geldentwertung. Das edle Metall wirft keine Zinsen ab, aber in der Krise konnten die Goldbesitzer ihre Verluste auf anderen Gebieten mit dem Verkauf von Barren und Münzen ausgleichen. Mit einem mit kühler Überlegung breit aufgestellten Depot wappnet sich der Anleger gegen Krisen und ihre Folgen am besten. Vorschlägen sollten Sparer generell mit einer guten Portion Skepsis begegnen, ebenso den guten Ratschlägen in den einschlägigen Zeitschriften. Wer ihnen folgt, heizt den Handel an und verhilft vor allem den Banken zu Gewinnen.
Kurse folgen Zufallspfad
Wie Nauhauser warnt auch der Mannheimer Professor für Finanzwirtschaft Martin Weber vor allem vor den Einflüsterungen vonseiten der Tippgeber, die immer schon alles im Voraus wissen: „Die Kurse folgen einem Zufallspfad! Sie lassen sich einfach nicht vorhersagen.“ Er richtet sich an alle Anleger, die die Börse als ihr persönliches Hobby betrachten und glauben, alle Tricks zu kennen: „Privatanleger können nicht erwarten, den Markt zu schlagen.“
Auch Weber sieht die einzige Chance, sein Depot krisenfest zu machen, in einer breiten Streuung der Anlagen. Die Erfahrungen aus vielen Untersuchungen hat der umtriebige Professor in einen von seinem Institut aufgelegten Fonds eingebracht. Der Arero-Weltfonds legt sein Kapital weltweit in Aktien, Renten auf Eurobasis und Rohstoffen an. Auf einen Ausgabeaufschlag wird verzichtet und die Kostenpauschale beläuft sich auf 0,45 Prozent. Allerdings eignet sich ein solches Investment nur für risikofreudige Investoren. Egal, ob der Mut zum Risiko groß ist oder ob die Sicherheit die Auswahl der Anlage bestimmt: Entscheidend sind die persönlichen Verhältnisse, die Vorlieben des Sparers und eine gescheite Verteilung auf verschiedene Anlageklassen. Denn die nächste Blase platzt bestimmt.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de