Verspekuliert
Jetzt oder nie: So argumentierte Lothar T., Inhaber einer Zahnarztpraxis aus Thüringen, vor rund drei Jahren, als er mit wieder steigenden Immobilienzinsen rechnete und der von ihm seinerzeit beauftragte Makler eine „Traumimmobilie in ausgezeichneter Lage“ anbieten konnte. Bei dem Gebäude handelte es sich um ein damals voll vermietetes Mehrfamilienhaus, das T. als wichtige Ergänzung seiner späteren finanziellen Altersabsicherung betrachtete. Bei einem Kaufpreis von 350 000 Euro und jährlichen Mieteinnahmen von rund 25 000 Euro erschien ihm das Objekt zwar nicht gerade preiswert, aufgrund der in der Tat ausgezeichneten Wohnlage aber durchaus noch akzeptabel.
Finanzierung mit Hausbank
Bei seiner Liquiditätsbetrachtung gab es ebenfalls keine Probleme. Die Finanzierung wurde mithilfe seiner Hausbank durchgeführt, die auch als Geschäftsbank seiner betrieblichen Konten tätig ist. Bei einem Kreditzinssatz von 4,5 Prozent und der bei langfristigen Immobiliendarlehen üblichen, zunächst einprozentigen Tilgungsrate betrug die Jahresleistung („Annuität“) also insgesamt 19 250 Euro.
Bei erwähnten Mieteinnahmen von jährlich 25 000 Euro blieb T., zumindest nach seiner Rechnung, also ein finanzielles Polster von rund 5 000 Euro, das er als Rücklage für irgendwann fällige Instandhaltungsarbeiten am Gebäude ansparen wollte. Bei der Zinsbindung des Darlehens wählte T. einen Zeitraum von zehn Jahren, da er, wie eingangs erwähnt, von eher wieder steigenden Zinssätzen ausging und hier eben auf „Nummer sicher“ gehen wollte.
Bei dieser Gesamtbetrachtung der finanziellen Bausteine war es zumindest aus Sicht von T. daher kaum von Bedeutung, dass die Immobilie vollfinanziert werden musste. Eigenkapital stand ihm also nicht zur Verfügung. Immerhin: Die anfallenden Nebenkosten wie Notar- und Grundbuchgebühren sowie die Maklercourtage zahlte er aus eigenen Mitteln. Nach der Berechnung von T., der vor drei Jahren fünfundvierzig Jahre alt war, wird er das Darlehen in rund zwanzig Jahren einschließlich der einen oder anderen Sondertilgung zurückgezahlt haben, so dass er sich dann beruhigt zur Ruhe setzen und die Praxis an seinen Sohn übergeben kann.
Enge Liquiditätsberechnung
Die einzige Person, die zumindest dezente Zweifel an der Tragfähigkeit dieser finan-ziellen Konstruktion anmeldete, war der Steuerberater von T. Dessen Hauptkritikpunkt richtete sich noch nicht einmal gegen das fehlende Eigenkapital, sondern vielmehr gegen die aus seiner Sicht „äußerst enge Liquiditätsberechnung“, die mit einem Überschuss von eben rund 5 000 Euro „keinerlei Spielraum für größere Investitionen am Gebäude zulässt“. Hinzu kam, dass die Praxis nach seiner Kenntnis nicht so viel hergibt, um hier, falls erforderlich, zusätzliches Geld für das Gebäude herauszuziehen.
Nach nunmehr drei Jahren scheint sich die Skepsis des Steuerberaters zu bestätigen. Aus dem prognostizierten finanziellen Überschuss ist mittlerweile eine Art „Nullsummenspiel“ geworden, da für einen langjährigen Mieter, der aus persönlichen Gründen kündigte, bisher kein zahlungsfähiger Nachmieter gefunden werden konnte. Der bereits seit einigen Monaten daraus resultierende Einnahmeverlust von mittlerweile 3 500 Euro verdeutlicht die angespannte Situation ebenso wie die ebenfalls drohende Kündigung eines gewerblichen Mieters. Dieser hat T. bereits um eine deutliche Reduzierung seiner bisherigen Miete gebeten, da er sich aufgrund der Wirtschaftskrise sonst nicht mehr in der Lage sieht, sein kleines Einzelhandelsgeschäft fortzuführen. Damit nimmt die Liquiditätssituation für T. bedrohliche Ausmaße an. Selbst bei einer kurzfristigen Neuvermietung, die wie bei dem gewerblichen Mieter wohl nur zu einer niedrigeren Miete möglich ist, würden sich Mieteinnahmen ergeben, die geringer ausfallen als der unveränderte Kapitaldienst aus Zins- und Tilgungsraten.
Ein weiteres Problem ist darüber hinaus erkennbar: In spätestens einem Jahr stehen umfangreiche Renovierungsarbeiten am Gebäude an, die nach ersten Schätzungen etwa 30 000 Euro kosten werden. Dieses Geld kann T. weder aus seiner Praxis herausziehen noch von seiner Bank finanziert bekommen. Die dortige Kreditlinie einschließlich des Immobiliendarlehens ist nach Aussage seines Kundenberaters „definitiv ausgeschöpft“.
Erspartes geopfert
T. hat sich nach einer erneuten Prüfung seiner finanziellen Situation nun dazu entschlossen, seinen Investmentsparplan, der neben einer Kapitallebensversicherung und natürlich seiner Versorgungskasse eigentlich seine Altersvorsorge absichern sollte, als Liquiditätsreserve für zukünftige Investitionsmaßnahmen für das Gebäude einzusetzen. Andere Möglichkeiten gibt es derzeit nicht: Weder ist das Haus auch nur annähernd zum damaligen Kaufpreis wieder zu veräußern, noch kann T. die damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben verändern.
Selbst wenn er eine günstigere Finanzierung fände, müsste er an seine Hausbank eine Vorfälligkeitsentschädigung als Zinsausgleich in Höhe von fast 50 000 Euro zahlen. Das ist für ihn absolut illusorisch. Wie sich der Ausfall des Investmentsparplans auf die ursprüngliche Planung von T., mit spätestens 65 Jahren in Rente gehen zu wollen, auswirken wird, lässt sich jetzt noch nicht absehen. Verbessert hat sich diese Absicht für T. durch die aktuelle Entwicklung aber zweifellos nicht.
Michael Vettervetter-finanz@t-online.de