Verunsicherte Anleger
21,6 Prozent – so hoch war der größte Verlust, den je ein deutscher Immobilienfonds zu vermelden hatte. Anfang Februar gab die Anlagegesellschaft Aberdeen Asset Management bekannt, dass sie ihren Fonds Degi Global Business um 68,4 Millionen Euro abwerten musste. Bereits im Sommer 2009 sank der Wert des bei risikofreudigen Anlegern beliebten Fonds P2 Value von Morgan Stanley um 13,8 Prozent. Die Branche erlitt eine Schockwelle nach der anderen. Zwar handelt es sich beim Degi Global um einen Fonds, in den nur institutionelle Anleger investieren können – private Anleger können sich nur über Dachfonds beteiligen –, doch verschärft sich das Misstrauen bei den Anlegern gegenüber der ganzen Produktpalette. Kein Wunder, sind doch immer noch insgesamt sechs offene Immobilienfonds geschlossen. Das heißt, die Anteilseigner können Papiere dieser Fonds nicht direkt verkaufen: TMW Weltfonds, Axa Immoselect, Morgan Stanley P2 Value, Degi International, Degi Europa und Degi Global Business. Für diese Situation gibt es mehrere Gründe. Der erste ist natürlich eine Folge der Finanzkrise. Die Großanleger flüchteten aus den Immobilienfonds, weil sie unbedingt Liquidität brauchten, um Verluste auf anderen Gebieten auszugleichen. Vermögensverwalter haben die Fonds quasi zum Kurzparken missbraucht. Auch sie zogen ihr Kapital ab. Die Folge davon war die Schließung von elf Immobilienfonds Ende Oktober 2008. Wolfgang Kubatzki, Experte und Partner bei Feri Euro Rating in Bad Homburg, erklärt: „Der Hauptfehler war die Suggestion von Liquidität bei einer illiquiden Anlage.“ Das heißt, die Investoren parkten Kapital nur vorübergehend bei den Immobilienfonds, die eigentlich aufgrund ihrer Struktur nur für langfristige Engagements konstruiert sind. Ziehen nun zu viele Anleger ihr Geld ab, kann der Fonds nicht so schnell reagieren, denn Bürohäuser und Shopping-Center lassen sich nicht von heute auf morgen verkaufen. Da wird Bargeld knapp.
Fonds unter Druck
Der Gesetzgeber hat den Fonds im Investment-Gesetz genaue Vorgaben gemacht, wie viel flüssiges Kapital sie zu halten haben: Die Liquidität darf fünf Prozent des Fondsvermögens nicht unterschreiten. Die Höchstgrenze liegt bei 49 Prozent. Dass die Fonds geschlossen wurden, sagt nicht unbedingt etwas über ihre Qualität aus. Denn mangelndes Bargeld bedeutet ja nicht, dass die in den Fonds enthaltenen Objekte an Qualität und Wert verlieren. Die Fonds, die jetzt noch geschlossen sind, stehen unter Druck. Sie müssen sich Liquidität beschaffen. Das versuchen sie, in dem sie sich über den Verkauf der Anteile frisches Geld beschaffen oder sie verkaufen Objekte. Der Degi Global hat es bislang nicht geschafft, sich mit frischem Geld zu versorgen. Sonja Knorr, Analystin für offene Immobilienfonds bei der Ratingagentur Scope in Berlin, sieht Gründe dafür in der Tatsache, „dass der Fonds viele Immobilien in einer Hochpreisphase erworben hat. Zudem ist der Anteil an Osteuropa-Immobilien sehr hoch. Diese Märkte waren zum Zeitpunkt der Ankäufe stark überhitzt und müssen derzeit mehr als andere europäische Märkte Anpassungen verkraften“. Zusätzlich verlor der Fonds den Hauptmieter eines Objekts und musste die Immobilie deshalb abwerten.
Objektverkäufe in Fonds
So problematisch stellt sich die Lage bei den anderen Fonds eher nicht dar. Sie versuchen ihre Liquiditätsprobleme zu lösen, indem sie Objekte verkaufen. Doch hängt die weitere Entwicklung – und das gilt auch für die geöffneten Fonds – von der Entwicklung auf den Immobilienmärkten ab. Dabei geht es zum einen um die Preise. Doch am stärksten beeinflusst die Miete die Rendite der Fonds. In diesem Punkt üben die Mieter Druck aus. Sonja Knorr sagt: „Besonders betroffen sind jetzt die Fonds, bei denen in der aktuell schwierigen Marktphase wichtige Mietverträge auslaufen. Neue Mieter zu attraktiven Konditionen zu finden, ist jetzt besonders schwierig.“
Laut der Statistik des Bundesverbands Investment und Asset Management BVI laufen in diesem Jahr rund zehn Prozent der Mietverträge aus. Die Folgeverträge dürften zu schlechteren Konditionen abgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass die Mieter selbst unter den Folgen der Krise leiden. So droht – laut Knorr – bei weiteren Flächen Leerstand aufgrund von Mieterinsolvenzen. Als ein Beispiel für einen derartigen Einbruch ist der Markt in Frankfurt zu sehen. Dort ist der Markt für Gewerbeimmobilien 2009 im Vergleich zu 2007 um 93 Prozent abgesackt. Jetzt stehen etwa zwei Millionen Quadratmeter Bürofläche leer. Das macht eine Leerstandsquote von 20 Prozent.
Leerstehende Immobilien
Doch nicht nur in Deutschland fallen Mieter aus. Weltweit gibt es Probleme. Im europäischen Raum rechnet der Immobilienspezialist Jones Lang LaSalle für 2010 nicht mit einer positiven Veränderung, zumal europaweit in diesem Jahr noch viele Gebäude fertiggestellt werden. Fazit: „Solange keine nachhaltige konjunkturelle Erholung durchschlägt, bleibt das Leerstandniveau hoch und die Spitzenmieten dadurch weiter unter Druck.“ Wann mit der Öffnung der jetzt noch geschlossenen Fonds zu rechnen ist, lässt sich – laut Expertin Knorr – jetzt noch nicht sagen. Aufgrund der Marktlage sieht sie Schwierigkeiten beim Verkauf der Objekte: „Problematisch ist dies insbesondere aufgrund der Tatsache, dass eventuelle Käufer über den Verkaufsdruck des Verkäufers informiert sind.“ Die Fondsmanager haben also keine leichte Aufgabe, müssen sie doch die Balance finden zwischen ausreichender Liquidität und der Absicherung der künftigen Performance.
Das Investment-Gesetz sieht jedenfalls nur eine befristete Schließung der Fonds von zwei Jahren vor. Sollte es einigen Fonds nicht gelingen, bis dahin die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung zu schaffen, dürfen sie Objekte beleihen, um Liquidität zu schaffen. Sobald die Bedingungen angemessen sind, muss das Objekt verkauft werden, um das Sondervermögen, zu dem die Immobilien des Fonds ja gehören, wieder zu entlasten.
Diese Vorgänge muss die Gesellschaft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unverzüglich anzeigen. Wann es sich um angemessene Bedingungen für einen Verkauf handelt, steht zwar noch nicht fest, der Gesetzgeber will es jedoch noch präzisieren.
Mindesthaltefristen und Kündigungsfristen
Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble hat inzwischen auf die Schwierigkeiten bei den offenen Immobilienfonds reagiert. So will er Mindesthaltefristen für die Anteilsscheine einführen. „Künftig soll für alle Anleger eine zweijährige Mindesthaltefrist gelten, ergänzt durch Kündigungsfristen, die nach Wahl der Kapitalanlagegesellschaften zwischen sechs und 24 Monaten angesetzt werden können“, so der Wortlaut des Ministeriums. Der BVI, der die deutschen Fonds vertritt, bewertet diesen Vorschlag grundsätzlich positiv. Aber eine zweijährige Frist erscheint ihm zu lang. Der Gegenvorschlag lautet deshalb: nur ein Jahr ausschließlich für institutionelle Investoren. Der Grund: „Wir wollen die Interessen der Privatanleger schützen. Dazu gehört auch, dass Privatanleger, die kurzfristig Geld benötigen, nicht eingeschränkt werden.“ Eine Veränderung bei der Rückgabe der Anteile wird es wohl nur für Käufe nach Inkrafttreten der Reform geben.
Dass die derzeitig schwierige Situation noch anhalten wird, davon geht auch Feri-Experte Kubatzki aus. Er wartet ab, wie die einzelnen Fonds mit dieser Krise fertig werden: „Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen.“
Die gut aufgestellten Fonds werden die Krise gut überstehen. Zwar lag die Rendite im vergangenen Jahr nur bei rund zwei Prozent. In den Jahren davor erwirtschaftete die Branche zwischen vier und sechs Prozent. Doch die Inflationsrate verharrte bei null Prozent. Für dieses Jahr rechnet Kubatzki mit einer Null vor dem Komma mit leichter Tendenz in den negativen Bereich: „Wir durchlaufen zwei schwierige Jahre. Ab 2011 dürfte es wieder aufwärts gehen.“
Trotz aller Negativmeldungen hält Peter Lischke, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Berlin, offene Immobilienfonds immer noch für eine gute Anlage, geeignet für sicherheitsbewusste Anleger: „Sie sind teuer, aber sicher. Der Anleger muss selbst abwägen, was er will. Er sollte bedenken, dass es sich um eine langfristige Anlage handelt.“ Neben der Sicherheit bringen offene Immobilienfonds aber noch weitere Vorteile: Im Vergleich zum Eigenheim oder Mietshaus handelt sich bei einem Fonds um eine vergleichsweise flexible Anlage, die in der Vergangenheit stabile Erträge gebracht hat. Bei Fonds, die außerhalb Deutschlands anlegen, bleiben die Erträge zum Teil steuerfrei. Außerdem tut es einem Depot gut, wenn ein Teil des Kapitals in einem realen Wert steckt, der – zumindest was den Immobilienteil angeht – vor hohen Inflationsraten schützt. Allerdings sollte der Anteil begrenzt sein. Und wer schon Besitzer eines Hauses ist, legt sein Geld sowieso anders an.
Sicherheit über den Weg der Langfristigkeit
Sparer, die sich also für offene Immobilienfonds entscheiden, müssen sich den Fonds genau anschauen, bevor sie sich zum Kauf entschließen. Wichtig sind dabei Kriterien wie die Liquiditäts-, Leerstands- und Vermietungsquote, die Mieterstruktur, die Dauer der Mietverträge und die Anlageschwerpunkte. Selbst wenn die Rendite stimmt, sollte der Anleger auf keinen Fall die Gebühren außer Acht lassen. Bei den meisten Immobilienfonds fallen fünf Prozent Ausgabeaufschlag an. Dazu kommt noch eine Verwaltungsgebühr von etwa 1,5 Prozent pro Jahr. Diese Kosten mindern die Rendite. Ist die Entscheidung für einen Fonds gefallen, kann der Kauf auch über eine Internetbank oder einen Fondsvermittler geschehen. Dort gibt man sich mit bescheideneren Aufschlägen zufrieden. Allerdings sollte der Kauf nach dem Motto „Eile mit Weile“ erfolgen. Wolfgang Kubitzki von der Ratingagentur Feri meint: „Mit dem Kauf würde ich bis zur Jahresmitte warten.“ Er fürchtet, dass es noch eine Zeit lang bergab geht. Anleger, die das investierte Kapital nicht benötigen, sollten sich in Geduld üben, bis die Lage sich bessert.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de