Schmerz als archetypisches Grundmuster
Mit Bildung wird man gemeinhin weniger den Wissensgewinn aus der Betrachtung von Bildern, sondern eher den aus gelesenen Schriften in Verbindung bringen, obwohl das Bild in Print, TV oder Kino allgegenwärtig ist. Texte sind in ihrer Bedeutung festgelegt. Bilder bleiben dagegen in ihrer Aussage offen. Der Autor hat die Abbildung des Schmerzes zum Thema gemacht. Seine zahnärztliche Profession und das Werkzeug aus einem Masterstudiengang an der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg in Kooperation mit der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe sind der fachliche Hintergrund dieser Arbeit. „Ziel der Arbeit ist es, zwei unterschiedliche Erkenntnisinteressen zusammenzuführen, nämlich zum einen das historisch-anthropologische Interesse am Phänomen des Schmerzes in seiner visuellen Darstellung auf historischem Bildmaterial und zum anderen das Interesse an Visualität und Bildhaftigkeit als Gegenstand Sozialwissenschaftlicher Analyse.“ Es geht also um das Bildlesenlernen, das hier an sinnfälligen Beispielen aus Kunst und Medien dargelegt wird. Schmerz ist sprachlich nur unzulänglich kommunizierbar. Der Autor sieht da ein Defizit in unserer Kultur.
Das Buch gibt Auskunft zur visuellen Kompetenz des Betrachters, zur Phänomenologie des Schmerzes und zu Methoden der Materialauswertung. Schug wählt aus fünf Kategorien der Schmerzbilder die aus, die als Mittel der Machtausübung dienen sollten. Am Beispiel der tödlich endenden Folter durch Schindung, dem Abziehen der Körperhaut bei lebendigem Leib, analysiert er sie nach dem Dreistufenschema: vorikonologische Beschreibung, ikonografische Analyse, ikonologische Interpretation. Er wählt aus der antiken Mythologie die Darstellung „Apoll schindet Marsyas“, aus der bürgerlichen Lebenswelt „Das Urteil des Kambyses“ und aus der christlichen Ikonografie „Das Martyrium des Heiligen Bartholomäus“. Die Erkenntnisse aus diesen Analysen reichen erstaunlich tief. Bilder werden lesbar und lebendig. Er kann nachweisen, dass der Schmerz ein archetypisches Grundmuster darstellt und dass zwischen Entstehen und Verstehen des Schmerzes eine Welt klafft, die den Leidenden asozial macht.
Das Buch ist mit zahlreichen schwarz-weiß Reproduktionen illustriert. Es dürfte für Zahnmediziner von Interesse sein, zumal deren Arbeitsgebiet auch dezidiert gewürdigt wird. Die Arbeit basiert auf einer Dissertation (Dr. phil.) aus oben genanntem akademischen Werdegang.
AlfonsJ. Erle, Karlsruhe/Magdeburg