Das Ende droht
Mit monatlich 25 Euro, eingezahlt in einen Sparplan, oder mit einer einmaligen Summe können sich Anleger Immobilienbesitz verschaffen, ohne gleich die Lasten eines ganzen Hauses tragen zu müssen. Möglich ist das über Offene Immobilienfonds seit 1959. In den vergangenen 30 Jahren erzielten diese eine durchschnittliche Rendite von jährlich 5,4 Prozent. Seit der Finanzkrise aber sind sie in der Kritik und kommen nicht mehr zur Ruhe. Aktuell sorgt eine neue Gesetzesvorlage des Bundesfinanzministeriums für Diskussionen. Dabei geht es um die Umsetzung der EU-Richtlinie AIFM (Alternative Investment Fund Managers) in deutsches Gesetz. Sie sieht vor, dass es Offene Immobilienfonds in der jetzigen Form nicht mehr geben soll, sondern stattdessen nur noch als geschlossene Variante mit einer festen Laufzeit. Für die Anleger bedeutet das: Sie müssen sich auf die gesamte Laufzeit festlegen und dürfen ihre Anteile nicht mehr verkaufen.
Der eigentliche Gedanke, der hinter der neuen Richtlinie steht, ist eine intensivere Kontrolle der Manager, die sich um die Geschlossenen Fonds kümmern. Betroffen sind nun aber auch die Offenen Immobilienfonds. Diese gerieten unter Druck als nach der Pleite der Lehman-Bank vor allem institutionelle Großanleger schlagartig ihre millionenschweren Anteile verkauften und die Fonds in Liquiditätsprobleme trieben. Sie konnten den Verkaufswünschen nicht mehr nachkommen. Denn das Geld war in Bürokomplexen und Einkaufscentern angelegt. Und die lassen sich nun mal nicht so leicht verkaufen wie frische Brötchen. Die Folge: Heute befinden sich zehn von insgesamt 42 Fonds in Abwicklung, weil es ihnen nicht gelungen ist, genügend Barmittel zu beschaffen, um allen Auszahlungswünschen nachzukommen. Fünf Fonds nehmen zurzeit keine Anteile zurück. Bei ihnen steht die Entscheidung, ob sie wieder öffnen werden, noch aus. Die freie Wahl haben Anleger bei den übrigen 27 geöffneten Fonds. Darunter befinden sich einige kleine Fonds, die sich nicht unbedingt für die Anlage eignen.
Anlegerschutzgesetz
Um dem Missbrauch der Fonds als Geldparkplatz einen Riegel vorzuschieben, hatte die Bundesregierung in 2011 das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (AnsFuH) beschlossen. Danach sollten Anleger ihre Anteile mindestens 24 Monate halten und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten berücksichtigen. Halbjährlich können sie einen Freibetrag von 30000 Euro geltend machen. Diese Regeln sollten am 1. Januar 2013 in Kraft treten und für die noch bestehenden Fonds gelten. Stimmt der Bundestag aber dem Gesetzesvorschlag zur EU-Richtlinie zu, bekommen die neuen Regeln keine Chance, sich zu bewähren.
Dabei wäre der Zeitpunkt passend. Denn gerade haben die Offenen Immobilienfonds eine Phase der „Bereinigung“ hinter sich mit zahlreichen Einstellungen von Fondsmodellen. Sie sind ein Opfer der Krise. Großanleger haben ihr Recht der täglichen Rückgabe von Anteilsscheinen genutzt und die bei den Fonds vorhandene Liquidität ausgeschöpft, bis diese gezwungen waren, die Fonds zu schließen. Während der zweijährigen Frist ist es ihnen nicht gelungen, genug Objekte zu verkaufen, um weiteren Rückgabewünschen nachzukommen. Deshalb befinden sich jetzt auch solche Fonds in Abwicklung, die zu anderen Bedingungen gute Chancen gehabt hätten. Zu ihnen gehört der KanAm US-grundinvest. Die Auszahlung läuft nach Plan. An die Anleger konnten laut Angaben der Ratingagentur Scope bis Mai dieses Jahres bereits 85,7 Prozent des Fondvermögens, das sind 463 Millionen Dollar, ausgezahlt werden. Dem Management ist es gelungen, 17 Objekte zu verkaufen. Die jetzt noch am Markt agierenden großen Gesellschaften, die „Big Four“, betreiben ihr Geschäft erfolgreich. Das sind die Deutsche Bank-Tochter RREEF, Union Investment, Commerz Real sowie Deka/Westinvest. Sie vertreiben acht Offene Immobilienfonds, an denen sich Kleinanleger beteiligen können. Die Jahresrenditen lagen zum Stichtag 30. April 2012 zwischen 2,2 und 3,8 Prozent. Dass sie erfolgreicher agieren als die in Abwicklung befindlichen Konkurrenten, hat verschiedene Gründe. Ein gewichtiger liegt sicherlich in der Art des Vertriebs. Zwar verkaufen auch freie Vermittler die Anteile. Doch das Hauptgewicht liegt in einem riesigen Filialnetz, wo die direkte Ansprache der Kunden durch die Berater in Banken und Sparkassen möglich ist. Sonja Knorr, Analystin bei Scope, bestätigt dies: „Ein Grund dafür, dass die derzeit noch bestehenden Fonds eine Zukunft haben, ist der gut funktionierende Vertrieb.“ Er sichert einen stetigen Mittelzufluss, mit dem sich ein solides Portfolio planen lässt. Knorrs Meinung nach haben die Gesellschaften ihre Hausaufgaben gemacht.
Zukunftsfähigkeit der Fonds steht auf dem Spiel
Ein weiterer Grund ist die Trennung zwischen privaten und institutionellen Kunden. Für die Großanleger gibt es besondere Regeln. Private Anleger können ihre Anteile börsentäglich zurückgeben. Da sie meistens mit eher kleineren Beträgen investiert sind, bringen Anteilsverkäufe die Dickschiffe nicht ins Wanken. Immobilienfonds müssen langfristig disponieren. Dafür schaffen die breite Aufstellung des Vertriebs und die Kleinteiligkeit des Verkaufs eine sichere Basis. Knorr registriert weitere Anstrengungen: „Inzwischen kümmern sich Teams der Gesellschaften intensiver um die wirtschaftlichen Belange der Fonds. Sie setzen sehr viel stärker auf aktive Objektbewirtschaftung und das Timing von An- und Verkäufen.“
Eigentlich bieten sich gut aufgestellte Offene Immobilienfonds gerade in dieser Zeit privaten Anlegern als gute Alternative an. Auch mit den ab Januar vorgesehenen neuen Regeln könnten sie gut leben. Die Frage ist aber, was passiert mit den jetzt noch am Markt agierenden Fonds, wenn die neue EU-Richtlinie Gesetz wird. Werden die acht bestehenden Fonds eine Chance haben? Wolfgang Kubatzki, Immobilienexperte und Mitglied der Geschäftsleitung von Feri Eurorating, meint: „Diese Situation kann man wohl als Oligopol bezeichnen. Es gibt keine Konkurrenz mehr. Mithilfe des Vertriebs haben sie gute Chancen zu überleben.“ Ob seine Prognose sich bewahrheitet wird sich zeigen. Neuauflagen dieser Fonds nach altem Muster soll es nicht mehr geben. Dazu Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI: „Ein Verbot neuer Offener Immobilienfonds würde viele Kleinanleger vom Immobilienmarkt ausschließen.“ Für ihn sind Offene Immobilienfonds alternativlos: „Für viele Anleger ist der Offene Immobilienfonds die einzige Möglichkeit, am Immobilienmarkt teilzuhaben.“ Die Konstruktion der neuen Fonds gemäß dem Gesetzesvorschlag jedenfalls ist nicht besonders anlegerfreundlich. Ein-Objekt-Fonds, für die eine Mindestanlagesumme von 50 000 Euro nötig ist, bieten keine Diversifikation, dafür aber ein umso höheres Risiko. Auch die als Alternative angedachten Fonds mit mindestens drei Objekten bergen für private Anleger immer noch Gefahren. Auch hier müssen sie zehn Jahre oder länger auf ihr Kapital verzichten. Zudem eignen sie sich ebenfalls nur für etwas betuchtere Investoren. Für kleine Anlagesummen blieben dann nur Immobilienaktien und Reits (börsennotierte Immobiliengesellschaften). Die aber unterliegen den Schwankungen der Börse. Und gerade das wollen Kleinanleger mit dem Kauf von Offenen Immobilienfonds ausschließen.
Die Verbraucherschützer betrachten den AIFM-Gesetzentwurf ebenfalls skeptisch. Neben der Kritik an den Regeln monieren sie aber noch einen anderen Aspekt. Für sie ist der Vertrieb das zentrale Problem. Der Verbraucherzentrale Bundesverband spricht sich in einer Stellungnahme dafür aus, „den Vertrieb von hochspekulativen Finanzprodukten in Deutschland nur an professionelle Kunden zuzulassen.“ Schon lange prangert der Verband die fehlende Risiko- und Produktaufklärung im Vertrieb als zentrales Problem an. Jetzt fürchtet man, dass Argumente, die bislang als Empfehlung für die Anlage in Offenen Immobilienfonds galten, nun eins zu eins auf die Geschlossenen Fonds übertragen werden und so nicht aufgeklärte Anleger in ein Investment locken, das sie nicht übersehen.
EU-Richtlinie sorgt für Druck
Bis zum 22. Juli 2013 muss die EU-Richtlinie in nationales Recht gegossen sein. Sollten ab diesem Zeitpunkt keine neuen Immobilienfonds mehr aufgelegt werden, bleiben den Anlegern die bereits bestehenden oder aber sie werfen einen Blick über die deutsch-schweizerische Grenze. Die Eidgenossen gelten als die Erfinder der Offenen Immobilienfonds. Von den derzeit gelisteten 34 Fonds existieren die ältesten seit 1938. Eine Krise hat es dort nie gegeben. So dürfen die Schweizer Fonds über Kapitalerhöhungen nur so viel Geld aufnehmen, wie sie für den Kauf eines Objekts benötigen. Außerdem haben die Schweizer von vornherein lange Kündigungsfristen vorgesehen. Anleger müssen bis zu zwei Jahre auf die Auszahlung ihres Geldes warten. Alternativ können sie ihre Anteile an der Börse verkaufen, weil dort alle Fonds gehandelt werden. Abnehmer finden sie immer, denn die Scheine sind heiß begehrt und die Kurse steigen. Deutsche Anleger können über ihre heimische Bank oder Sparkasse an der Schweizer Börse Anteile an eidgenössischen Fonds erwerben – allerdings ist das Währungsrisiko eingeschlossen.
Marlene EndruweitFachjournalistin für Finanzthemen