Eine Frage der Führung
Mitunter verzeichnen Praxen eine hohe Mitarbeiterfluktuation. Damit verbunden ist immer die Suche nach neuen, erfahrenen Arbeitskräften. Der wirtschaftliche Schaden, der in dieser Phase zwischen dem Ausscheiden und der erfolgreichen Einarbeitung entsteht, ist beachtlich. Ebenso wie der Imageschaden für die Praxis, denn Patienten registrieren häufig wechselnde Mitarbeiter sehr genau, haben sie doch bisweilen eine starke Bindung zu ihnen aufgebaut. Und die Kollegen, die den neuen Mitarbeiter einarbeiten und sich an die neue Personalstruktur gewöhnen müssen, sind ob der zusätzlichen Arbeit ebenfalls nicht begeistert.
Die Gründe für häufigen Mitarbeiterwechsel können verschieden sein und haben oftmals mit der persönlichen Lebensplanung der Mitarbeiter zu tun. In vielen Fällen aber sind die Angestellten schlicht und einfach unzufrieden mit ihrer Arbeitsplatzsituation und entsprechend demotiviert. So kam die aktuelle Studie des Gallup-Instituts bei einer Befragung von knapp 2000 Arbeitnehmern zu bemerkenswerten Ergebnissen: Laut dem „Engagement Index 2011“ weisen 63 Prozent der Arbeitnehmer keine oder eine nur geringe emotionale Bindung an ihr Unternehmen auf. Sie verhalten sich am Arbeitsplatz schlimmstenfalls destruktiv und demotiviert, bestenfalls leisten sie „Dienst nach Vorschrift“. Damit schwächen sie die Leistungsfähigkeit ihrer Firma in erheblichem Umfang. Lediglich 14 Prozent engagieren sich für die Ziele des Unternehmens.
Auf die bundesdeutschen Zahnarztpraxen bezogen, heißt dies, dass bei einer durchschnittlichen deutschen Einzelpraxis, die fünf Mitarbeiterinnen beschäftigt, zwar alle an ihrem Arbeitsplatz erscheinen, drei von ihnen aber emotional nicht mehr oder nur wenig mit der Praxis verbunden sind. Und bestenfalls zwei engagieren sich, davon eine auch nur entsprechend ihren vertraglichen Vereinbarungen. Befragte man die drei Mitarbeiterinnen, weshalb sie sich so restriktiv verhalten, bekäme man laut Umfrage die Antwort, dass es nicht oder nur zum kleinsten Teil am Gehalt läge. Vielmehr an dem Verhalten ihrer Vorgesetzten und der Wertschätzung, die sie ihnen entgegenbrächten. Es fehlt also an dem, was man Führungsverhalten nennt.
Präzise Anweisungen geben
Um Zahnmediziner zu werden, benötigt man mindestens ein fünfjähriges Studium. Wird noch eine Fachzahnarztausbildung angestrebt, benötigt ein deutscher Zahnarzt bis zu zehn Jahren Studium und Praxis. Führen muss ein Zahnmediziner jedoch ab dem Moment, wann er seine Praxis eröffnet, ohne theoretische, geschweige denn praktische Erfahrungen. „Learning by doing“ heißt hier die Devise, und so wundert es nicht, dass ebenfalls in der Gallup-Studie von 2011 den deutschen Führungskräften eine nur geringe Fähigkeit attestiert wird, Mitarbeiter so zu führen, dass das Praxisziel erreicht werden kann.
So vermissen die meisten Mitarbeiterinnen bei ihren Chefs klare Informationen bezüglich der Aufgaben und der Erwartungen. Ein knappes „Unser Füllungsmaterial ist aus, machen Sie das mal.“ reicht eben oft nicht aus. Was soll die Mitarbeiterin genau tun? Was wird von ihr erwartet? Die Aufgabe sollte präziser formuliert werden, um für die Mitarbeiterin erfüllbar zu sein, etwa so: „Bitte bestellen Sie das Füllungsmaterial x in der Menge y bei der Firma z. Und erfragen Sie den Rabatt. Im Ordner „Bestellungen“ finden Sie den vorherigen Vorgang, daran können Sie sich orientieren.“
Auch an Wertschätzung mangelt es den Angestellten. Studien belegen, dass Mitarbeiter, die in ihrer Persönlichkeit und mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden, engagierter und zufriedener mit ihrem Arbeitsplatz sind. Zudem: Chefs, die ihre Mitarbeiter etwas persönlicher kennen und über deren Lebensumstände informiert sind, sind im Erreichen ihrer Ziele erfolgreicher. Wieso? Jeder Mensch möchte nicht nur als Funktionsträger wahrgenommen werden. Aus dem „Bindemittel“ Interesse und Anteilnahme an der Person entsteht im Umkehrschluss eine Bindung ans Unternehmen beziehungsweise an den Unternehmer und dessen Ziele.
Wertschätzung zeigen
Nur wenn es Praxisinhabern gelingt, ihren Mitarbeitern den Sinn einer Aufgabe und den Wertekanon der Praxis zu vermitteln, werden diese sich gern für das Unternehmen engagieren. Das ist die große Herausforderung für Zahnärzte als Führungskräfte. Sobald Mitarbeiter die Vision des Unternehmens und seine Ziele kennen und verstanden haben, werden sie diese nachvollziehen können. Und entsprechend an die Lösung ihrer Aufgaben herangehen. Damit ist nicht nur gemeint, eine sorgfältige Prophylaxe anzubieten oder die besten Implantate zu setzen. Sondern es geht um den Nutzen für die Patienten, für die Praxis und für das Team, wenn sich alle für diese Ziele und Werte einsetzen. Zusammenfassend soll hier Viktor E. Frankl zitiert werden. Der österreichische Psychotherapeut äußerte sich in seinem Buch „Der Wille zum Sinn“ folgendermaßen: „Der Mensch ist ursprünglich auf der Suche nach dem Sinn, nicht nach dem Glück. Jeder, der etwas Sinnvolles tut, erfährt daraus Befriedigung und Motivation. Und aus diesem sinnerfüllten Leben beziehungsweise einer sinnerfüllten Aufgabe erwächst Glück.“
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