Entzündliche Reaktion im Bild
Bernd Stadlinger, Hendrik Terheyden
Nach der Erstvorstellung des 3-D-Wissenschaftsfilms „Die Osseointegration“ zum Deutschen Zahnärztetag im Jahr 2010 ist der Film „Die Entzündliche Reaktion“ der zweite Film der Reihe „Kommunikation der Zellen“.
In 15 Filmminuten wird ein Überblick über die Entstehung und den Verlauf der Erkrankung unter Betrachtung der beteiligen Zellen und Botenstoffe gegeben. Zur Veranschaulichung dieser komplexen Prozesse kommen eine 3-D-Bildtechnik auf der Basis Tausender Einzelbilder in HD-Auflösung und weiterer technisch interessanter Details zum Einsatz.
Storyboard
Der Film ist in vier Phasen gegliedert. Zu Beginn wird die Entstehung eines Biofilms dargestellt. Es folgt der kontinuierliche Übergang in das Stadium der Gingivitis und die Beschreibung des Einflusses der angeborenen Immunabwehr. In der Folge werden der Übergang der Gingivitis zur Parodontitis und der Einfluss der adaptiven Immunabwehr ausgeführt. Die parallel aktiven Abwehrmechanismen, die angeborene und die adaptive Immunabwehr werden aus didaktischen Gründen im Rahmen des Films der Entstehung von Gingivitis und Parodontitis angelehnt.
Trotz der zunehmenden, entzündungsbedingten Gewebezerstörung endet der Film positiv: Durch eine Parodontaltherapie kann die kontinuierliche Krankheitspro-gression aufgehalten werden. Abschließend werden die Schritte der Gewebeheilung dargestellt.
Die erste Phase:Die erste Phase des Films zeigt die Pellikelbildung auf der Zahnoberfläche durch die Anlagerung verschiedener Speichelproteine. Es folgt dann durch die Anlagerung von Bakterien die Ausbildung eines Biofilms. Letzterer ist dreidimensional angeordnet, bildet Kavernen und grenzt sich zunehmend vom umgebenden Milieu ab. In der Folge werden Bakterien und deren Stoffwechselprodukte freigesetzt, diese dringen in das benachbarte Gewebe ein.
Die zweite Phase:Es kommt zur zweiten Phase, der Gingivitis. Bakterielle Antigene führen zur Aktivierung des Immunsystems. Zunächst wird die angeborene Immunabwehr beschrieben. Sie initiiert eine Abwehrreaktion gegen Antigene, die als „fremd“ erkannt werden. Dabei spielen neben anderen Faktoren Toll-like-Rezeptoren eine wichtige Rolle.
Die folgende Aktivierung von Makrophagen und Granulozyten leitet daraufhin die Entzündungsreaktion ein. Freigesetzte Botenstoffe wie Histamin sind für die begleitende Vasodilatation verantwortlich. Dies führt unweigerlich zum Ödem, der Schwellung des Gewebes. Klinisch kommt es aufgrund von Kollagenabbau auch zu einer Auflockerung der Gewebestruktur mit einer sichtbaren Blutung auf Sondierung. Im Rahmen des Krankheitsverlaufs entscheidet sich in dieser Phase, ob sich ein Gleichgewicht zwischen dem mikrobiellen Angriff und der Immunabwehr einstellt oder ob es zu einer weiteren Gewebezerstörung kommt.
Der Film zeigt hier die Schnittstelle zum Knochenstoffwechsel. Mit der Resorption von Kochen kommt es im Rahmen der Parodontitis zu einer Progression der Entzündung nach apikal, was zu einem Attachmentverlust führt.
Dies ist nur möglich, wenn die aufeinander abgestimmte Balance zwischen Knochenaufbau durch Osteoblasten und Knochenabbau durch Osteoklasten in Richtung Knochenabbau verschoben wird.
Die dritte Phase:In der dritten Phase des Films wird veranschaulicht, wie auch die adaptive Immunabwehr in dieses Gleichgewicht eingreift und unter dem Einfluss von Th-Lymphozyten das Gleichgewicht in Richtung Knochenabbau beeinflusst wird. Diese Schnittstelle zwischen der Knochenphysiologie und dem Immunsystem ist ein vergleichsweise junges Forschungsgebiet und wird als Immunosteologie bezeichnet.
Die vierte Phase:Der vierte Teil des Films zeigt das Abklingen der Entzündung aufgrund einer Parodontaltherapie. Kommt die bakterielle Invasion zum Erliegen, kann der Körper die Geweberegeneration durch Matrixsynthese und Neoangiogenese initiieren. Gelingt dieser Heilungsprozess, ist das physiologische Gleichgewicht wiederhergestellt.
Zusammenfassung
Inhaltlich verfolgt der Wissenschaftsfilm „Die entzündliche Reaktion“ das Konzept, die zellulären Kommunikationsprozesse im Verlauf der Gingivitis und der Parodontitis zu beschreiben. Hierbei wird vor allem die komplexe Vernetzung der Entzündungsmediatoren mit dem Immunsystem ausgeführt.
Visuell ermöglicht der Film dem Betrachter, sich auf makroskopischer, mikroskopischer und submikroskopischer Ebene durch die Entzündungsreaktion zu bewegen und diesen Prozess gewissermaßen von innen heraus zu beobachten und zu verstehen.
Ziel der Filmreihe „Kommunikation der Zellen“ ist die Visualisierung zentraler Forschungsgebiete der Zahnmedizin. Hierbei wird vor allem auf die biologischen Hintergründe der Pathologie der Heilungsprozesse und die Vernetzung der Zahnmedizin mit anderen Wissenschaftsdisziplinen eingegangen. Durch die Integration moderner visueller Medien in die zahnmedizinische Lehre und Weiterbildung soll ein neuer Einblick in die Forschung ermöglicht werden. Ziel des Filmteams ist es, die Faszination Wissenschaft in unserem Fachbereich erlebbar zu machen.
PD Dr. Dr. Bernd Stadlinger Poliklinik für Orale Chirurgie
Klinik für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie
Universität Zürich
Plattenstr. 11
CH-8032 Zürich
Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden Chefarzt
Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel Gemeinnützige GmbH
Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Hansteinstr. 29
34121 Kassel
INFO
Der 3-D-Film wird seine deutschsprachige Premiere zur Kongresseröffnung im Rahmen des Deutschen Zahnärztetages in Frankfurt/M. am 09. November 2012 um 08:30 Uhr haben.
INFO
„Kommunikation der Zellen – Die entzündliche Reaktion“
Deutschsprachige Premiere zur Kongresseröffnung am 09. November um 08:30 UhrDas Unsichtbare sichtbar werden zu lassen und zugleich die Faszination Wissenschaft zu erleben, ist die große Herausforderung der neuen Filmreihe „Kommunikation der Zellen“. In einer sehr aufwendig produzierten Computeranimation in HD-Qualität werden die hoch komplexen zellulären Interaktionsprozesse einer entzündlichen parodontalen Reaktion mit ihren beteiligten Botenstoffen visualisiert. Die Zelltypen als Hauptdarsteller und die Proteine und Botenstoffe als Nebendarsteller nehmen den Kampf gegen die eindringenden Bakterien durch einen fein aufeinander abgestimmten Kommunikationsprozess auf. Ein dramaturgisch und didaktisches Filmerlebnis der besonderen Art.
Projektteam:
Autoren und wissenschaftliche Leitung: PD Dr. Dr. Bernd Stadlinger, Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden Advisory Board: Prof. Dr. David Cochran, Prof. Dr. Jörg Meyle, Prof. Dr. Philip Preshaw, Prof. Dr. Mariano Sanz
Produktion: Dr. Marko Reschke, Matthias Gauer, Thomas Kramer (iAS – Quintessenz Verlag)
Partner: Dr. Christiane Spiegelhalder (Colgate), Dipl.-Biochem. Bärbel Kiene (GABA)
Management: Dipl.-Wirt.-Ing. Alexander Ammann, Änne Klebba (Quintessenz Verlag)
Zahlen, Daten, Fakten:
Filmlänge: 15 Minuten
Hauptdarsteller: Epithelzellen, Makrophagen, Granulozyten, Fibroblasten, Osteoblasten, Osteoklasten, Monozyten, T-Zellen, B-Zellen
Nebendarsteller: Faktor C3b, Faktor C5b, Defensine, Faktor C3a, Faktor C5a, Interleukin 1-Beta, Interleukin-6, Tumornekrosefaktor-Alpha, Histamin, Interleukin-8, RANK, Monocyte Colony Stimulating Factor, Osteoprotegerin, RANKL, Interleukin-17, Monocyte Chemoattractant Protein-1 , RANTES, VEGF, FGF
Konzeption, Storyboard, Programmierung, Produktion: zwölf Monate
3-D-Software: Autodesk Softimage (3-D), Autodesk Mudbox (3-D)
3-D-Daten und Animation: 330 GB 3-D-Daten, 400 GB (220 000 Einzelbilder)
Rechner: 26 Rechner mit 132 Kernprozessoren
Renderingpower und -zeit: 370 GHz, vier Monate
INFO
Abspann
Planung und Durchführung des Films „Die entzündliche Reaktion“ waren nur als interdisziplinäres Projekt möglich. Folgende Fachbereiche beeinflussten den Film inhaltlich:
• Zahnmedizin
• Medizin
• Osteologie
• Biochemie
• Biophysik
• Molekularbiologie
• Bioinformatik
• Werkstoffwissenschaft