KZBV-Diskussionsforum

Politische Bekenntnisse

Am 21. Juni fand in Erfurt das jährliche Diskussionsforum der KZBV statt. MitVertretern aus Politik, Krankenkassenund Wirtschaft diskutierte die KZBV-Spitze über die bestmögliche zahnärztlicheVersorgung, Korruption im Gesundheitswesen und Selektivverträge.

„Der Zahnärzteschaft ist es in den vergangenen Jahren gelungen, ein extrem hohes Bewusstsein für die Mundgesundheit in der Bevölkerung zu schaffen“, sagte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer zur Einführung. Mit der Agenda Mundgesundheit habe der Berufsstand aufgezeigt, wie sich die Versorgungslücken im GKV-Leistungskatalog schließen lassen und sich damit nachdrücklich zur inklusiven Gesellschaft bekannt. Eßer: „Die Behandlung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht durch ehrenamtliche Tätigkeiten erfüllt werden kann. Hier ist unsere Agenda Mundgesundheit richtungsweisend. Wir wissen auch, das es falsch ist, Kinder erst ab drei Jahren zahnmedizinisch zu betreuen – ein Konzept wird derzeit von uns erarbeitet und kommt in Kürze. Verankern müssen wir darüber hinaus auch die Früherkennung, Behandlung und Nachsorge von Parodontitis, denn diese Erkrankung zählt zu den größten Herausforderungen der kommenden Jahre“, erläuterte Eßer.

Die Need Dentistry gehöre in den GKV-Katalog, Komfort und Ästhetik fielen dagegen in den privaten Leistungsbereich. Eßer: „Hier muss es eine ausgewogene Balance geben. Eigenverantwortung und Solidarität sind zwei Seiten einer Medaille. Und wir können nur solidarisch sein, wenn jeder Einzelne seine Verantwortung trägt.“ Als Beispiel nannte er die Festzuschüsse: „Seitdem sie eingeführt wurden, sparen die Krankenkassen jährlich bis zu einer Milliarde Euro – Geld, was im Übrigen der Zahnmedizin wieder zugeführt werden müsste – den Zahnärzten verschafft das Modell Planungssicherheit und den Patienten garantiert es die Teilhabe am medizinischen Fortschritt und den Anspruch auf eine adäquate Versorgung.“ Insgesamt stehe die Zahnärzteschaft für die Grundversorgung im Kollektivsystem. Selektiverträge seien nur als Add-on denkbar, weil die Qualität sonst auf der Strecke bleibe. Wettbewerb dürfe nur ein Wettbewerb um die beste Versorgung, nicht aber um den besten Preis für die Krankenkassen sein. „Deshalb brauchen wir beide Gebührenordnungen, denn darin sind Need und Want Dentistry abgebildet.“

In der von FAZ-Korrespondent Andreas Mihm moderierten Diskussion bekannte sich Rechtsanwältin Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) ohne Wenn und Aber zur Freiberuflichkeit und zur freien Arztwahl: „Wir sehen es doch: Überall dort, wo die freie Arztwahl eingeschränkt wird, wird das System schlecht.“ Ganz so eindeutig positionierte sich Steffen-Claudio Lemme (SPD) nicht: Oberstes Ziel der SPD sei die Bürgerversicherung. Lemme: „Wo es Sinn macht , setzen wir uns natürlich auch für die Freiberuflichkeit ein, etwa im zahnärztlichen Bereich.“ Zwar sei die freie Arztwahl in seinen Augen mit der Bürgerversicherung kompatibel. Auch an die Festzuschüsse wolle die SPD „nicht ran“. „Da aber immer mehr über die GOZ abgerechnet wird, haben wir vor, die Honorare zu vereinheitlichen.“ Die Grünen planen nicht, die freie Arztwahl einzuschränken, betonte Andreas Brandhorst, gesundheitspolitischer Referent der Grünen. „Was die Freiberuflichkeit betrifft, arbeiten die meisten Ärzte aber nicht mehr in der eigenen Praxis.“ Dieser Wert sei also nicht mehr an die Organisation und Form der Arbeit gebunden, sondern beziehe sich auf die Hoheit der Mediziner, in Diagnose und Therapie selbstbestimmt zu entscheiden.

„Die Strukturen laufen in der Zahnmedizin auf eine selbstständige Tätigkeit hinaus, wenn wir eine flächendeckende Versorgung herstellen wollen“, widersprach der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz. „Das schaffen wir nur in freier Praxis. Deshalb müssen wir attraktive Möglichkeiten schaffen, so dass sich Ärzte auch in strukturschwachen Regionen niederlassen.“

Ein Geniestreich

„Die Festzuschüsse waren ein Geniestreich“, stellte er weiter fest. „Denn sie sichern die Basisversorgung und bieten zugleich die Option auf kostspieligere Extras, die man sonst nicht so moderat finanzieren könnte. Die Patienten finden das Modell der Festzuschüsse gut und wir Zahnärzte sind Maßstab für diese Zufriedenheit.“

Dass laut VdeK-Zahlen nur noch 25 Prozent über den Bema abgerechnet werden, behauptete Dr. Doris Pfeiffer, Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Wir sehen daher die Gefahr, dass die Patienten ihre Behandlung zunehmend selbst bezahlen müssen“, sagte sie. „Insbesondere der Zahnersatz läuft zunehmend in die GOZ.“ Es müsse eine Mindestqualität generell für alle Verträge geben, forderte Pfeiffer. Ginge es nach den Krankenkassen, werde der Kollektivvertrag zwar nicht komplett entfallen, jene hätten jedoch größtes Interesse, die Selektivverträge auch im stationären Sektor einzuführen. Wichtig sei, das Verhältnis zwischen Kollektiv- und Selektivverträgen zu klären. Um den Wettbewerb anzuschieben, könnte auch Lemme Selektivverträge gutheißen: „Gesetzt den Fall, dass die Patienten mitmachen.“ „Mit uns gibt es nur Selektivverträge, die einen Mehrwert, für die Patienten bieten“, meinte Aschenberg-Dugnus. „Wir sind nicht per se dagegen – doch der Nutzen für die Patienten ist ausschlaggebend.“ Lediglich modellhaft seien Selektivverträge vielleicht auf regionaler Ebene möglich.

Untergraben denn die Krankenkassen das Arzt-Patientenverhältnis, indem sie Misstrauen säen? Nein, sagte Pfeiffer erwartungsgemäß. Für sie besteht Einigkeit darin, dass Gelder von Pharmafirmen geflossen sind, dieses Vorgehen kriminell ist und geahndet werden muss. „Wir haben mit unserem Formular eine gesetzliche Vorgabe erfüllt, um Fehlverhalten im Gesundheitswesen zu bekämpfen“, sagte sie zu dem Fragebogen, der auf der Website ihres Verbandes dazu auffordert, “tatverdächtige Personen und/oder Einrichtungen“ zu melden, die sich des Fehlverhaltens im Gesundheitswesen schuldig gemacht haben. Gemeldet werden könnten Ärzte, Zahnärzte, aber eben auch Kassen, so Pfeiffer: „Alle Beteiligten prüfen diese Hinweise sehr genau und vorsichtig. Es fällt keine Gruppe unter einen Generalverdacht.“ Man sollte daran arbeiten, dass diejenigen, die das System missbrauchen, bestraft werden, denn sie schadeten allen anderen. “Solche denunziatorischen Einrichtungen sollten abgeschafft werden“, konterte Fedderwitz. Schließlich müssten die Hinweisgeber diese Behauptungen auch belegen – „und das geht über diese Plattform nicht“. Fedderwitz erinnerte daran, dass ein Behandlungsfehler nicht dasselbe ist wie die Unzufriedenheit des Patienten mit der erfolgten Therapie: „Das ist ein Riesenunterschied.“ Er rief dazu auf, mit Fehlern sorgfältiger umzugehen, damit ein Generalverdacht nicht hoffähig wird. „Das Thema Globudent haben wir sehr frühzeitig und erfolgreich bekämpft“, erläuterte Fedderwitz. „Wir haben also ein vitales interesse daran, Korruption mit aller Härte anzugehen und zu bekämpfen.“

Jeder Euro ist gut investiert

Dass die Agenda Mundgesundheit die klare Strategie der Zahnärzte versinnbildlicht, hob Dr. Günther E. Buchholz in seinem Resümee hervor. „Wir stehen bei der zahnmedizinischen Versorgung alter und pflegebedürftiger Menschen wie auch bei der Bekämpfung der Early Childhood Caries noch am Anfang, aber die ersten Schritte sind gemacht. Allerdings brauchen wir die Unterstützung der Politik, um den rechtlichen Rahmen zu setzen und wir brauchen den GKV-Spitzenverband als Vertragspartner“, sagte Buchholz. „Ja, Gesundheitsversorgung kostet Geld, aber in der Prävention ist jeder Euro gut investiert.“

Ärzte zur Behandlung auf dem Land zu verpflichten, hält er für kein probates Mittel gegen den Ärztemangel – auch Geld sei kein Allheilmittel. „Die junge Generation will Familie und Beruf vereinbaren können, kurz: eine vernünftige Work-Life-Balance.“ Wenn es um die Zukunft der jungen Zahnärzte und Zahnärztinnen geht, werde es der Berufsstand nicht zulassen, dass sich aufgrund der überbordenden Bürokratie junge Kollegen gegen die Niederlassung in eigener Praxis entscheiden. Buchholz: „Ich habe eine Tochter, die meine Praxis übernimmt, und kann aus Erfahrung sagen: Das schreckt junge Menschen ab.“

Info

Jede Kasse darf alles

Prof. Dr. Eberhard Wille von der Universität Mannheim plädierte in seinem Vortrag für eine strikte Spartentrennung zwischen GKV und PKV. Dabei habe jede Kasse einen privaten und einen gesetzlichen Bereich und der Versicherte könne problemlos von einer Seite zur anderen wechseln – jedoch unter der Prämisse, dass die Pflichtversicherungsgrenze bestehen bleibt.

Wille: „Jede Kasse darf in diesem Modell grundsätzlich alles, unabhängig davon, ob sie privat oder gesetzlich ist. Alle Angebote sind erlaubt.“

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